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WÜRZBURG
Sprache beginnt bei der Geburt: Das Baby weint Chinesisch
Professorin Kathleen Wermke beim Abhören der Audiodateien.
Foto: Alice Natter | Professorin Kathleen Wermke beim Abhören der Audiodateien.
Alice Natter
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:45 Uhr
Für die meisten ist es einfach ein Babyschrei. Irgendwas zwischen Jammern, Wimmern, Weinen. Für Kathleen Wermke ist es Musik. „Hören Sie's?“, fragt sie in ihrem Büro und lässt die Audiodatei noch einmal abspielen. Es erklingt etwa wie: „Wää-wäää-wäääh“. Und noch ein Schrei: „Wää-ääääää-äähh“. Kathleen Wermke ist begeistert. „Das sind doch melodische Variationen vom Feinsten“, sagt die Professorin. „Melodiebögen schönster Art.“

Datenbank mit 500.000 Babylauten

Chinese newborn twins crying       -  Zwei Neugeborene aus China: Aus ihrem Weinen hört man schon die Sprachmelodie der Eltern heraus.
Foto: Thinkstock | Zwei Neugeborene aus China: Aus ihrem Weinen hört man schon die Sprachmelodie der Eltern heraus.

Wää-wä-äää. Eine halbe Million solcher Laute hat die medizinische Anthropologin in ihrer Datenbank archiviert. Schrei-, Wein- und Babbellaute von Babys aus aller Welt – eine einzigartige wissenschaftliche Sammlung. Und was für die meisten Menschen nicht gerade erbaulich klingt ist, ist für Kathleen Wermke „ein Feuerwerk an melodischen und rhythmischen Elementen“. Seit 30 Jahren geht die Wissenschaftlerin der Frage nach, wie wir Menschen zur Sprache kommen, wann und wie Sprache beginnt.

Seit vielen Jahren leitet Wermke an der Poliklinik für Kieferorthopädie der Uni Würzburg das Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen. Wobei das mit der „Vor-Sprache“ so eine Sache ist. Denn für die Anthropologin ist klar: Sprache beginnt nicht mit dem ersten Wort. Sprache beginnt mit dem ersten Schrei.

Neugeborene mit „Sprachtalent“

Zumindest mit den ganz frühen Lautäußerungen. Dass Neugeborene „Sprachtalent“ haben und die Entwicklung mit den ersten Schreimelodien beginnt, daran hat die Professorin keinen Zweifel. Auch wenn das nicht in das gängige linguistische Modell der Sprachentwicklung passt. In der Wissenschaftswelt galt (und gilt) die Lehrmeinung: Babygeschrei ist universal und hat für die Sprachentwicklung keine Bedeutung. Die Sprache selbst beginne frühestens mit dem Babbeln von Silben, eigentlich erst mit den Worten.

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