Weinen ist Training fürs Sprechenlernen
Wääähh-ääh-äääähhh – Wermke klickt auf ein weiteres Hörbeispiel aus ihre digitalen Archiv. Alle Babyschreie, hat sie herausgefunden, bestehen aus nur vier Grundbausteinen. Und sie ändern sich von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Der Säugling fängt mit kurzen Lautelementen und einfachen Melodiebögen an, verdoppelt sie in der zweiten Woche, beginnt in der dritten Woche mit Vibrato-ähnlichen Modulationen – und ab der vierten Woche werden Lautelemente und Vibrato kombiniert. Eine regelrechte „Melodiekomposition“, bei der die Kleinen lernen, welche Muskeln im Stimmapparat sie wie bewegen müssen. Schreien und Weinen – das ist bereits Training fürs Sprechenlernen.
Mit ihrer französisch-deutschen Untersuchung konnten Wermke und ihre Leipziger und Pariser Kollegen zeigen, „dass bereits Neugeborene eine wohlkoordinierte Abstimmung zwischen Lautproduktion und Atemzyklus beherrschen“. Die Lehrmeinung hatte bis dato besagt, dass die Schreimelodie der Babys an den Atemrhythmus gekoppelt ist. Wie bei Affenjungen werde das Schreien allein durch den Atemdruck bestimmt, völlig unbeeinflusst vom Gehirn.