Kurz gesagt: Der Schrei sei schlicht ein Reflexlaut. Erst ab dem dritten, vierten Monat sei es überhaupt biologisch möglich, die melodisch-rhythmischen Eigenschaften der Umgebungssprache ansatzweise aktiv zu imitieren. Und die eigentliche Entwicklung der Sprache, so die gängige Meinung einiger Linguisten, beginne ab dem zwölften Monat – mit der Wortproduktion.
Für Kathleen Wermke indes ist klar: Sprachentwicklung beginnt gleich, direkt nach der Geburt. Mit dem ersten Atemzug und mit den ersten Schreimelodien. Und die beobachteten Melodiemuster – mal abfallend wie im Deutschen, mal ansteigend wie im Französischen? Die Babys können sie eigentlich nur im Mutterleib gelernt haben, sagt Wermke. Dass Babys im letzten Drittel der Schwangerschaft die Stimme der Mutter erkennen und Mamas Sprache von einer Fremdsprache unterscheiden können, ist bekannt. Zwar nimmt das Ungeborene die Geräusche der Außenwelt durch das Fruchtwasser verzerrt wahr – aber Melodie und Rhythmus der
mütterlichen Stimme dringen gerade dadurch besonders gut zu ihm durch.