Loslassen, Verantwortung tragen: Ein Chefwechsel ist meistens ein sensibler Vorgang. Vor allem innerhalb, wenn sich die Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie vollzieht. Einer der größten Arbeitgeber in Unterfranken, die Fränkischen Rohrwerke in Königsberg (Lkr. Haßberge), hat den Generationswechsel an der Spitze gerade hinter sich: Anfang August hat Julius Kirchner von Vater Otto Kirchner den Chefsessel übernommen.
Jetzt leitet der 29-Jährige die international agierende Unternehmensgruppe mit 5000 Beschäftigten. Im Interview skizziert Julius Kirchner, wie er in diese Rolle hineingewachsen ist und wie nun das Zusammenspiel mit seinem einflussreichen Vater läuft.
Frage: Herr Kirchner, Sie sind noch nicht mal 30, seit vier Jahren bei den Fränkischen Rohrwerken und jetzt schon der Chef. Sind Sie ein Mensch auf der Überholspur?
Julius Kirchner: Grundsätzlich trifft das nicht zu. Es war einfach die richtige Zeit, in der mein Vater und ich den Prozess angestoßen haben und ich mich in der Lage gefühlt habe, das Unternehmen weiterzuführen. Ich glaube, ich habe ein sehr gutes Team. Deswegen habe ich mir das in diesem jungen Alter zugetraut.
Ein vorbestimmter Weg? Gab es Momente, in denen Sie ausscheren wollten? Einen anderen individuellen Traum hatten?
Kirchner: Nein. Für mich war es schon sehr früh klar, dass ich das Unternehmen übernehmen möchte. Ich bin nun sehr dankbar, dass ich diese Chance und das Vertrauen meiner Familie bekommen habe. Für mich ist das ein großes Privileg und eine Freude, hier etwas gestalten zu können.
Wie viele Arbeitstage hat Ihre Woche?
Kirchner: Grundsätzlich auch erst mal fünf (lacht). Natürlich kann es schon mal vorkommen, dass da noch zwei dazu kommen.
An den fünf oder sieben Arbeitstagen in der Woche: Wie oft steht Ihr Vater noch bei Ihnen im Büro?
Kirchner: Nachdem der Übergang ja erst vor kurzem war, wird sich das noch zeigen. Am Anfang wird er mir als Ratgeber noch zur Verfügung stehen. Aber diese Zeiten werden sich in den kommenden Monaten sicherlich reduzieren.
Welche Regeln haben Sie sich gegenseitig gegeben bei der Frage, wer wem was sagt und wie viel Ihr Vater noch reinreden darf?
Kirchner: Wir haben uns darüber im Vorfeld viele Gedanken gemacht. Wir haben klar definiert, wie das funktionieren kann. Es muss diese Regeln geben, das ist ganz wichtig. Das hat mein Vater von Anfang an als wichtig empfunden, weil er selbst ja damals den Generationenübergang mit seinem Vater mitgemacht hat. Da braucht es eine Klarheit.
Ihre Schwester wollte die Führung der Fränkischen nicht übernehmen. Wann war klar, dass Sie das machen werden?
Kirchner: Im Prinzip relativ früh. Spätestens aber mit meinem Eintritt ins Unternehmen vor vier Jahren.
Was, wenn Sie wie Ihre Schwester einen anderen Weg gegangen wären?
Kirchner: Schwierig zu sagen. Das Unternehmen hätte dann anders weiter funktioniert. Ich glaube, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es wichtig, dass das Unternehmen weiterhin in Familienhand bleibt. Vielleicht hat sich mein Vater Gedanken gemacht, aber nachdem ich schnell signalisiert habe, dass ich hier übernehmen möchte, war viel Klarheit da und wir mussten uns mit dem anderen Szenario gar nicht auseinandersetzen.
Jetzt sind Sie Chef von 5000 Beschäftigten. Das ist viel Verantwortung. Wie schlafen Sie jetzt?
Kirchner: Natürlich ist das eine große Verantwortung, die ich da übernehme. Dessen bin ich mir sehr bewusst. Ich sehe das Unternehmen gut und sehr breit aufgestellt. Es gibt viele zukunftsträchtige Themen, mit denen ich auf eine positive Zukunft blicke. Da freue ich mich auf die Aufgabe und muss sagen: Das ist eher eine Chance für mich, als dass ich jeden Tag unruhig schlafe.
Was müssen Sie als Chef noch lernen?
Kirchner: Na ja, was mir mit 29 Jahren noch am meisten fehlt, ist die Erfahrung, ein solches Unternehmen zu führen. Ich bin insgesamt ein sehr lernfähiger Mensch.
Welche Art von Chef sind Sie?
Kirchner: (zögert) Es ist schwierig, sich selbst einzuschätzen. Das müssen andere Menschen in meinem Umfeld übernehmen. Ich versuche, Aufgaben im Team zu lösen und mich abzustimmen. Ich bin sicher nicht der Patriarch, der alles im kleinsten Detail entscheiden möchte.
Was unterscheidet Sie als Chef von Ihrem Vater?
Kirchner: Mein Vater ist mit dem Unternehmen groß geworden. Er hat vieles aus dem Bauch heraus entscheiden können. Die Firma ist gewachsen und mittlerweile international aufgestellt, so dass ich mehr analytisch und an den Zahlen interessiert bin und an den klassischen betriebswirtschaftlichen Themen, die man im Studium mitbekommt. Das ist mein Schwerpunkt. Mein Vater konnte da mehr aus seiner Erfahrung heraus agieren.
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Nervt Sie es, wenn Sie immer auf Ihren Vater angesprochen und mit ihm verglichen werden?
Kirchner: Nein. Es nervt mich nicht, weil es ganz natürlich ist. Mein Vater hat lange Zeit das Unternehmen geprägt. Da ist es nicht möglich, den Schalter von heute auf morgen komplett umzulegen. Ich möchte natürlich meinen eigenen Weg gehen und meine eigenen Akzente setzen. Sicherlich muss sich das Unternehmen schnell umstellen. Das kann keine Jahrzehnte dauern. Es muss in den nächsten ein, zwei Jahren schon funktionieren, dass dann nicht mehr mein Vater, sondern ich die Richtung vorgebe.
Sie sind Amateurfußballer und werden beschrieben als jemand, der aus dem Mittelfeld heraus ständig für Unruhe in der Abwehr des Gegners sorgt. Sorgen Sie auch in Ihrem Unternehmen für Unruhe?
Kirchner: So würde ich mich nicht beschreiben. Was ich durchaus möchte, ist, dass wir als Unternehmen immer veränderungsbereit sind, dass wir auf die Marktbedingungen flexibel reagieren. Das ist vielleicht die Unruhe, die eine neue Generation stiftet. Grundsätzlich bin ich aber niemand, der auf Krawall gebürstet ist.
Unruhe kann ja auch positiv, konstruktiv sein. Was sehen Sie als Ihre vorrangigste Aufgabe bei den Fränkischen? Was wollen Sie so schnell wie möglich verändern?
Kirchner: Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind aktuelle Themen, die ich auch für mich als Schwerpunkt gesetzt habe. Da können wir noch mehr machen, da müssen wir noch mehr investieren. Beim Thema Nachhaltigkeit haben wir Produktlösungen, gerade in Richtung E-Mobilität und im Bereich Bau mit Regenwassermanagement, die dazu beitragen können. Da möchte ich noch mehr Schwerpunkte setzen.
In Ihrem Lebenslauf steckt viel Königsberg. Wie heimatverbunden sind Sie?
Kirchner: Ich bin sehr heimatverbunden. Ich bin hier aufgewachsen, ich habe hier meine Freunde und Bekannten, ich spiele hier Fußball. Ich finde das hier eine wunderbare, schöne Gegend. Ich gehe gern ins Ausland und auf Reisen, aber ich bin dann auch froh, wieder hier zu sein.
Dann mal ein kleiner Heimat-Test: Welches ist das Wappentier von Königsberg?
Kirchner: Der Löwe.
Stimmt. Sind Sie mit Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern aus Ihrem näheren Umfeld per Du? Oder gilt für alle gleichermaßen das Sie?
Kirchner: Ich bin hier mit vielen aufgewachsen, ich wohne in Königsberg. Da finde ich es unangebracht, die Menschen zu siezen, mit denen ich privat ständig zu tun habe. Das funktioniert, die Menschen verstehen das, wenn ich da eine Unterscheidung mache. Dennoch muss ich alle gleich behandeln.