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Würzburg
Experte: Was bei der Unternehmensnachfolge oft falsch läuft
Gerade Handwerksbetriebe steuern oft ins Ungewisse, wenn altersbedingt ein Chefwechsel anstünde. Aber Nachfolger sind rar. Ein Würzburger Experte zeigt die Brisanz.
Abgemacht: Wenn ein Seniorchef seinen Betrieb an einen jüngeren Nachfolger übergibt, sollte das Experten zufolge schon Jahre vorher eingeleitet worden sein. Gerade im Handwerk ist die Unternehmensnachfolge ein drängendes Thema.
Foto: shironosov | Abgemacht: Wenn ein Seniorchef seinen Betrieb an einen jüngeren Nachfolger übergibt, sollte das Experten zufolge schon Jahre vorher eingeleitet worden sein.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:10 Uhr

Neben dem Fachkräftemangel und der Digitalisierung gilt die Unternehmensnachfolge in der Wirtschaft als das Top-Thema. Weil die Bevölkerung immer älter wird, gehen allmählich die Chefs aus. Allein im unterfränkischen Handwerk stehen in den kommenden Jahren etwa 5000 der 18 500 Betriebe zur Übergabe an, weil die Inhaber 55 Jahre oder älter sind. Intensiv mit diesem Thema befasst sich Betriebsberater Michael Pfister von der Handwerkskammer in Unterfranken. Der 49-jährige Volkswirt zeigt häufige Fehler bei der Unternehmensnachfolge, die Zwickmühle mit dem Arbeitsmarkt und heikle Situationen bei den Beratungen.

Kennt sich gut beim Thema Unternehmensnachfolge aus: Betriebsberater und Volkswirt Michael Pfister von der Handwerkskammer für Unterfranken.
Foto: Handwerkskammer für Unterfranken | Kennt sich gut beim Thema Unternehmensnachfolge aus: Betriebsberater und Volkswirt Michael Pfister von der Handwerkskammer für Unterfranken.
Frage: Herr Pfister, welches sind die häufigsten Fehler bei der Unternehmensnachfolge?

Michael Pfister: Da gäbe es sieben, acht Punkte zu erwähnen. Dazu zählt zum Beispiel, wenn der Übergeber zu spät mit den Vorbereitungen beginnt. Oder wenn die interne Kommunikation im Unternehmen mangelhaft ist, so dass der Unternehmer sein Bestreben nicht gegenüber den Mitarbeitern äußert. Ein Fehler ist manchmal auch die mangelnde Innovation: Dass also Betriebsinhaber gegen Ende ihres Berufslebens das Unternehmen auslaufen lassen. Aber man müsste stattdessen den Betrieb auf Dampf halten und zum Beispiel Investitionsstau vermeiden, damit der Betrieb attraktiv für eine Übernahme ist.

Im Handwerk sind die Auftragsbücher zurzeit picke packe voll, viele Unternehmer kommen kaum noch rum mit ihrer täglichen Arbeit. Bleibt ihnen da überhaupt Zeit, sich mit dem Themen wie Unternehmensnachfolge zu befassen?

Pfister: Wenn ich mich als Unternehmer mit diesem Thema beschäftige, dann kann ich mir diese Zeit nehmen. Muss ich mir auch nehmen, denn die Planung einer Übergabe sollte drei bis fünf Jahre lang gedeihen. Dazu gehört das Finden eines Nachfolgers: Wenn er nicht aus den eigenen Reihen oder der Familie kommt, muss man das extern machen. Es muss auch geprüft werden, wie die Übergabe mit Blick auf die Steuer gestaltet werden kann. Vielleicht muss auch die Gesellschaftsform des Betriebes geändert werden.

In welchen Bereichen des Handwerks ist die Not am größten, was die Unternehmensnachfolge angeht?

Pfister: Da kann ich kein Gewerk so richtig nennen. Da muss man vielmehr die Altersstruktur in unseren Handwerksbetrieben betrachten. Es gibt ja 30 Prozent an Betriebsinhabern, die älter als 56 Jahre sind. Das gilt für alle Branchen.

Sticht Unterfrankens Handwerk in Bayern beim Thema Unternehmensnachfolge heraus?

Pfister: Nein. Es ist in allen Regionen gleich. Natürlich ist es generell in den ländlicheren Gegenden schwieriger, einen Nachfolger zu finden. Weil ein potenzieller Übernehmer im ländlichen Raum weniger Chancen sieht als im städtischen Speckgürtel.

Die Konjunktur trübt sich allmählich ein. Verschärft das die Brisanz bei der Unternehmensnachfolge?

Pfister: Momentan merke ich bei meinen Beratungsgesprächen von dieser Eintrübung nichts. Alle Unternehmer sind vielmehr in der vollen Euphorie, dass es in den nächsten drei bis fünf Jahren so weitergeht.

Und die potenziellen Übernehmer?

Pfister: Sie sehen gute Chancen, einen Betrieb zu übernehmen, weil man sich jetzt eine Grundlage und einen Namen erarbeiten kann, um in Zukunft am Markt bestehen zu können. Man muss das auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sehen: Es werden immer wieder Betriebe sterben müssen, wo wir keinen Nachfolger finden. Das heißt wiederum: Das Potenzial wird auf die anderen Betriebe verteilt. Da sehe ich grundsätzlich gute Chancen für jeden, der einen Betrieb übernimmt und sich innovativ zeigt.

Unterfranken hat so gut wie keine Arbeitslosigkeit, feste Stellen sind schnell zu bekommen. Wer geht da schon den schweren Weg der Selbstständigkeit, könnte man fragen. Spielt das bei Ihren Beratungen eine Rolle?

Pfister: Ja. Die Zahl der externen Interessenten ist momentan geringer, weil die Arbeitsmarktlage gut ist. Die Motivation, in eine selbstständige Tätigkeit zu gehen, ist in der Tat geringer.

Lässt sich dieser Rückgang in einer Zahl ausdrücken?

Pfister: Das ist schwierig. Man merkt den Rückgang aber auch in den generellen Existenzgründungsberatungen. Sie sind in den vergangenen Jahren mit Sicherheit um 30 oder 40 Prozent zurückgegangen.

Welche Situationen sind bei Ihren Beratungen zur Unternehmensnachfolge besonders heikel?

Pfister: Beide Seiten brauchen oft eine Kompromissbereitschaft – wenn es zum Beispiel um den Kaufpreis geht. Diese Kompromissbereitschaft ist nicht immer gegeben. Dann scheitern solche Übergabeberatungen schon mal.

Viele Senior-Unternehmer in Deutschland haben Schwierigkeiten, den richtigen Nachfolger für ihren Betrieb zu finden.
Foto: dpa-infografik GmbH | Viele Senior-Unternehmer in Deutschland haben Schwierigkeiten, den richtigen Nachfolger für ihren Betrieb zu finden.
Wenn es zur Übergabe gekommen ist: Wie verändern sich dann die Handwerksbetriebe mit dem neuen Chef?

Pfister: Teilweise gar nicht. Teilweise werden aber auch Innovationen reingebracht, an die sich der alte Inhaber nicht mehr herangetraut hat – etwa bei der Digitalisierung oder bei Veränderungen der Betriebsabläufe.

Ändert sich auch die Stellung des neuen Chefs? Ändern sich die Hierarchien oder die Umgangsweisen zwischen Chef und Belegschaft?

Pfister: Wenn im Betrieb Entscheidungen getroffen werden müssen, gehen jüngere Chefs oft auf der kommunikativen Ebene ran. In der Vergangenheit war es gerne so: Der Chef hat die Entscheidungen getroffen und seine Belegschaft nicht gefragt. Dieses Patriarchalische gibt es noch, aber relativ selten.

Unternehmensnachfolge
"Die häufigsten Fehler der Unternehmensnachfolge" ist das Thema eines Vortrags von Betriebsberater Michael Pfister bei einer Fachtagung am Dienstag, 14. Mai (18.30 bis 21 Uhr), im Landratsamt in Würzburg, Zeppelinstraße 15. Anmeldungen sind noch bis 26. April unter www.wuerzburg.ihk.de/kongresswue möglich. Neben Pfister werden der Steuerberater Mark Weirich, IHK-Bereichsleiter Sascha Genders und Modeunternehmer Maximilian Severin (alle Würzburg) über Unternehmensnachfolge sprechen.
Wie in der Handwerkskammer ist das Thema auch in der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt ganz oben auf der Prioritätenliste. Bereichsleiter Sascha Genders sieht den gerade in Mainfranken stark verankerten Mittelstand in Gefahr, wenn der Generationswechsel in den Betrieben nicht besser gelinge. Pro Arbeitstag stünden bundesweit 120 Betriebsübergaben an, 2000 Beschäftigte seien jeweils betroffen, teilte Genders unter Berufung auf Daten des Instituts für Mittelstandsforschung mit. Bei gleichbleibender Alterung der Gesellschaft werde es in Mainfranken bis 2035 etwa 9 Prozent weniger Betriebsinhaber als heute geben.
 
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