Volle Auftragsbücher, kaum Arbeitslosigkeit: Wie im Rest von Bayern ist auch in Mainfranken die Wirtschaft auf der Überholspur. Doch die Mahner lassen nicht locker, werden lauter: Es ziehe eine Herausforderung von enormer Dimension herauf – die Unternehmensnachfolge. Heißt: Immer weniger Firmenchefs finden Nachfolger. Dieser Trend hat sich nach Ansicht von Experten in den vergangenen Jahren derart verstärkt, dass die Wirtschaft – auch im florierenden Mainfranken – abzuwürgen drohe. Schon deshalb, weil das Thema Unternehmensnachfolge eines ist, das eine der Säulen der mainfränkischen Wirtschaft trifft: den Mittelstand.
Bedrohlicher Mix entsteht
Besonders prekär ist, dass sich in der Region zwei von drei Betrieben noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben – obwohl sie es sollten. Die Quote geht aus dem Nachfolgereport 2015 der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt hervor. Heikel sei auch, dass der Anteil älterer Firmenchefs in den kommenden Jahren deutlich steigen wird, teilt Bereichsleiter Sascha Genders mit, der in der IHK das Thema Unternehmensnachfolge betreut.
Sind aktuell 22 Prozent der mainfränkischen Unternehmer älter als 60 Jahre, werden es 2035 laut Genders 29 Prozent sein.
Experte sieht „eine der größten Herausforderung“
Dieser demografische Schub vereinigt sich mit einem anderen Aspekt zu einem für Genders bedrohlichen Mix: Fast jeder Übergabekandidat will die Fortführung seines Betriebes in der Region, doch vier von zehn haben noch keinen Nachfolger gefunden. Unter Strich sei das Thema „eine der größten Herausforderung insgesamt“ für die Wirtschaft in der Region, meint der IHK-Experte. Ähnlich sieht man das in der Handwerkskammer (HWK) für Unterfranken. Nach deren Angaben stehen in den kommenden Jahren 6000 Betriebe zur Übergabe an – ein Drittel aller Handwerksbetriebe.
Kaum ein Firmeninhaber ist vorbereitet
Kaum einer dieser Firmeninhaber habe sich sich auf den Generationswechsel vorbereitet, sagte HWK-Betriebsberater Rainer Plößl im Mai in Bad Neustadt bei einer Infoveranstaltung zum Thema. Erschwerend komme hinzu, dass die alten Chefs oft nicht zu Innovationen bereit seien.
Solche Zahlen und Einschätzungen decken sich mit einer Studie zur Unternehmensnachfolge, die die Commerzbank kürzlich vorstellte. Demnach rechnen in Bayern 40 Prozent der Unternehmen innerhalb der kommenden fünf Jahre mit einem Wechsel an ihrer Führungsspitze. Diesen Wechsel verbindet die große Mehrheit der Firmen damit, dass dann neue Kompetenz ins Haus einzieht und dass die interne Digitalisierung vorangetrieben wird. Für die Studie „Next Generation: Neues Denken für die Wirtschaft“ ließ die Commerzbank ungefähr 2000 Mittelständler in Deutschland befragen, 325 davon in Bayern.
Unvorbereitete Unternehmer
Demzufolge sehen bis zu 62 Prozent der befragten Unternehmer in Bayern, dass jene fundamentalen Herausforderung schon in den kommenden fünf Jahren auf sie zukommen werden. Immerhin 16 Prozent geben an, dass „ihre Produkte überaltert sind“, wie es Holger Perrey bei der Präsentation der Studie ausdrückte.
Für den Niederlassungsleiter und Mittelstandsexperten der Commerzbank in Würzburg ist es überraschend, dass im Angesicht all dieser Herausforderungen so mancher Senior-Unternehmer allzu unvorbereitet an die Übergabe seines Lebenswerk herangehe. „Der klassische Familienunternehmer, der für seine Firma mit viel Herzblut und risikoreichem Einsatz lebt, wird immer seltener.“
Vielen fehlt die Lust auf Selbstständigkeit
Die jüngere Generation ziehe immer häufiger eine sichere Festanstellung der Selbstständigkeit vor. „Das macht die Suche nach einem Nachfolger nicht einfacher“, so Perrey. Fehlen junge Nachwuchskräfte, kann das einen Betrieb lähmen – was eine Art Teufelskreis auslöst. Denn ohne die Neuen an der Spitze blieben oft Modernisierungspläne in der Schublade, wie die Betriebsberater der Handwerkskammer beobachtet haben. Keine Modernisierung bedeute, dass das Unternehmen nicht attraktiv genug sei für potenzielle Übernehmer.
Führungswechsel gut planen
Allzu euphorisch sollte man einen Führungswechsel aber nicht sehen: Der Commerzbank-Studie zufolge sieht nur ein Drittel der befragten Unternehmen in Deutschland, die einen Führungswechsel hinter sich haben, dass zentrale Veränderungen wie Digitalisierung, neue Kompetenzen oder intensiveren Markenaufbau wirklich eingetreten sind.
Experte rät: Schon 8 Jahre vorher anfangen
Commerzbank-Experte Perrey rät aber von einem abrupten Wechsel auf dem Chefsessel ab. Die Übergabe sollte fünf, besser acht Jahre vorher eingeleitet werden. Dabei wäre es aus Perreys Sicht ideal, wenn sowohl der Senior-Chef als auch der junge Geschäftsführer einige Jahre parallel als altersgemischtes Führungsteam im Unternehmen tätig sind. Während einer Übergangszeit sollte festgelegt werden, welche Zuständigkeit der alte Chef zu welchem Zeitpunkt an den neuen abgibt. Danach dürfe sich der Senior in diese Themen nicht mehr einmischen, rät der Commerzbank-Experte.
Gewachsene Strukturen respektieren
Eine Übergangszeit schätzt man auch bei Elektro Ziegler im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld, wo jüngst sechs Fälle von erfolgreicher Unternehmensnachfolge im Handwerk bekannt wurden (wir berichteten). Juniorchef Daniel Ziegler ist der Meinung, dass der Betrieb seines Vaters Peter „nicht von einem auf den anderen Tag“ an ihn übergeben werden sollte – und das, obwohl Daniel Ziegler schon seit 17 Jahren in dem Elektrobetrieb arbeitet. Die gewachsenen Strukturen müssten respektiert werden.