zurück
Würzburg/Schweinfurt
Wahlen zum Betriebsrat: Wie die Situation in Unterfranken ist
Bundesweit starten an diesem Dienstag die Wahlen der Betriebsräte. Wie ihre Bedeutung in Unterfranken ist und in welchen Betrieben es noch hakt.
Nur das Beste für die Belegschaft: Ab 1. März werden in Deutschland wieder Betriebsräte gewählt. In Unterfranken gibt es 500 solcher Arbeitnehmervertretungen.
Foto: Jonas Walzberg, dpa (Symbolbild) | Nur das Beste für die Belegschaft: Ab 1. März werden in Deutschland wieder Betriebsräte gewählt. In Unterfranken gibt es 500 solcher Arbeitnehmervertretungen.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:02 Uhr

Homeoffice, Kurzarbeit und Co.: Die Corona-Pandemie hat den Arbeitsalltag vieler Menschen verändert. Betriebsräte spielen dabei eine wichtige Rolle, müssen sie doch bei derlei Veränderungen in Unternehmen die Interessen des Personals gegenüber der Chefetage vertreten.

Den bundesweiten Wahlen der Betriebsräte ab 1. März kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Bis 31. Mai sind die Abstimmungen in 28 000 Unternehmen in Deutschland angesetzt. In Unterfranken geht es nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) um etwa 500 solcher Gremien mit zusammen rund 3600 Mitgliedern.

Welche Rolle Betriebsräte in Unterfranken spielen

Wie DGB-Regionsgeschäftsführer Frank Firsching in Schweinfurt auf Anfrage mitteilt, haben die Betriebsräte in der vom Mittelstand geprägten Region im Durchschnitt maximal elf Aktive. Wie groß die Abdeckung aller Unternehmen mit solchen Belegschaftsvertretungen ist, sei unklar. "Diese Zahlen haben wir nicht", da dem DGB nicht bekannt sei, wie viele Kleinbetriebe es in Unterfranken gibt, die einen Betriebsrat haben könnten.

'Die Arbeitswelt wird immer komplexer und differenzierter': Für Unterfrankens DGB-Geschäftsführer Frank Firsching aus Schweinfurt sind Betriebsräte wichtiger denn je.
Foto: Werner Bachmeier | "Die Arbeitswelt wird immer komplexer und differenzierter": Für Unterfrankens DGB-Geschäftsführer Frank Firsching aus Schweinfurt sind Betriebsräte wichtiger denn je.

Die Gewerkschaften sind zwar nicht direkt für Betriebsräte zuständig, arbeiten jedoch normalerweise eng mit ihnen zusammen. So kommt DGB-Mann Firsching zu dem Schluss, dass die Arbeitnehmervertretungen heute wichtiger denn je seien. Denn: "Die Arbeitswelt wird immer komplexer und differenzierter."

Jüngste Beispiele für Betriebsratsgründungen in Mainfranken

Von Betriebsrätinnen und -räten werde deshalb "enormes Wissen" verlangt, auch und gerade im Zuge der Corona-Pandemie mit neuen Arbeitsformen und strengem Gesundheitsschutz des Personals. Gerät ein Unternehmen wirtschaftlich in Bedrängnis, steige naturgemäß der Druck auf die Beschäftigten. Derzeit sei das wegen der coronabedingten Umsatzeinbußen vor allem im Einzelhandel und der Hotellerie zu erleben.

In jüngster Vergangenheit hatten der Modekonzern s.Oliver in Rottendorf, der Logistiksysteme-Anbieter SSI Schäfer in Giebelstadt (beide Lkr. Würzburg) und das Distributionszentrum der Schaeffler AG in Kitzingen mit der Gründung eines Betriebsrates auf sich aufmerksam gemacht. Dennoch gebe es in Unterfranken immer noch einige ähnlich große Betriebe, die keine Arbeitnehmervertretung haben, bedauerte Firsching. Als Beispiel nannte er die Würzburger Druckerei Flyeralarm.

Was Betriebsräte bewirken können

Hat ein Unternehmen einen Betriebsrat, dann fühlen sich die Beschäftigten gerade in schwierigen  Zeiten wie jetzt in der Corona-Phase sicherer und seien motivierter: Das sagt die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung und beruft sich dabei auf eine aktuelle Studie ihres Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in Düsseldorf.

Unbestritten ist, dass gerade in der Industriestadt Schweinfurt die Betriebsräte der großen Arbeitgeber in Krisenzeiten immer wieder Gutes für die Belegschaften erkämpft haben. So wurde 2015 bei Bosch Rexroth ein geplanter Stellenabbau in eine Vertriebsoffensive umgeleitet. Er brachte dem Standort wieder wirtschaftlichen Aufschwung und dem Betriebsrat einen bundesweiten DGB-Preis ein.

Oder ZF: Der Automobilzulieferer mit 9000 Beschäftigten in Schweinfurt zog 2015 seine Stoßdämpfer-Sparte ab. Im Gegenzug kam die Zentrale für Elektromobilität an den Main. Damit sei ein wichtiges Stück Zukunftssicherung erkämpft worden, sagte Betriebsratschef Oliver Moll 2020 im Rahmen des bundesweiten Jubiläums "100 Jahre betriebliche Mitbestimmung".

Solche Kämpfe für die Belange arbeitender Menschen sind nach Ansicht von Unterfrankens DGB-Chef Firsching auch heute wichtig. Schließlich gebe es immer noch "patriarchal geführte Unternehmen", die in einem Betriebsrat die Gefahr für ihren Anspruch auf Alleinherrschaft sähen. Der Normalfall sei freilich, dass "in vielen Betrieben ein fairer Umgang die Zusammenarbeit zwischen Firmenleitung und Betriebsrat prägt".

Wissenswertes über Betriebsräte

Wahlen: Wann genau in einem Unternehmen in der bundesweit festgelegten Zeit zwischen 1. März und 31. Mai der Betriebsrat gewählt wird, legt das Gremium über einen Wahlvorstand selbst fest. Wahlberechtigt sind laut DGB alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 16 Jahren - inklusive jener in Elternzeit, Aushilfskräfte, geringfügig Beschäftigte sowie unter bestimmten Bedingungen Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter. Briefwahl ist möglich.
Gründung: Hat ein Unternehmen mindestens fünf Beschäftigte, kann die Belegschaft einen Betriebsrat wählen, so DGB-Regionsgeschäftsführer Frank Firsching in Schweinfurt. Diese Initiative und Wahl darf nicht behindert werden. Wird ein Unternehmen aus dem Ausland kontrolliert, so kann am deutschen Standort ein eigener Betriebsrat ins Leben gerufen werden, lautet der Hinweis des Instituts zur Fortbildung von Betriebsräten (IFB).
Stellung: Ein Betriebsrat wird für vier Jahre gewählt. In dieser Zeit setzen sich die Mitglieder gegenüber der Firmenleitung für die Belange der Belegschaft ein, zum Beispiel in Fragen des Gesundheitsschutzes, der Gleichstellung von Mann und Frau im Betrieb, der Arbeitszeitregelung und des Mobilen Arbeitens ("Homeoffice"). Betriebsräten kann wegen ihres Einsatzes in dem Gremium nicht gekündigt werden. Das gelte auch für Beschäftigte, die bei der Betriebsratswahl antreten, so das IFB.
aug
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Schweinfurt
Jürgen Haug-Peichl
Betriebsräte
Bosch Rexroth AG
DGB-Chefs
Frank Firsching
Personalabbau
S.Oliver
Schaeffler AG
Standorte
Unterfranken
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen