Die überraschende Trennung von Geschäftsführer Gernot Lenz lässt erahnen, dass beim Modekonzern s.Oliver in Rottendorf (Lkr. Würzburg) gehörig Druck im Kessel ist. Zwar hielten sich die Verantwortlichen am Freitag bedeckt. Dennoch war aus dem Umfeld zu hören, dass Lenz offenbar nicht in die Chefkleider passte, die ihm Firmengründer Bernd Freier erst im Januar gegeben hatte.
„In diesem speziellen Fall“
Wie berichtet, trennt sich s.Oliver von Lenz „wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Führung des Unternehmens“, wie es in einer Mitteilung vom Donnerstag heißt. Interessante Beobachtung am Rande: Obwohl s.Oliver eine eigene Presseabteilung hat, stammt die Mitteilung von der unter anderem auf Krisenkommunikation spezialisierten Agentur Orgeldinger in Esslingen. Sie allein äußere sich „in diesem speziellen Fall“ zur Lenz-Trennung, war von s.Oliver am Freitag auf Anfrage zu hören.
Lenz wurde „nicht gefeuert“
Agenturchef Hermann Orgeldinger sprach gegenüber dieser Redaktion von einer „gemeinsamen Entscheidung“ zwischen s.Oliver und Lenz. „Man hat ihn nicht gefeuert.“ Über die Gründe hielt sich Orgeldinger bedeckt: Es seien „verschiedene Sachen“ und „unternehmerische Dinge“ gewesen. „Es war eine faire Trennung.“
Lenz hatte im Januar Armin Fichtel als Leiter der Geschäftsführung abgelöst. Fichtel war zwei Jahre lang auf dieser Position gewesen und hatte diese Rolle von sich aus als „zeitlich begrenzt“ angesehen.
Offenbar viel Unruhe in der Chefetage
Die Personalie rund um Lenz lässt den Schluss zu, dass in den Chefetagen der Rottendorfer nach wie vor große Unruhe herrscht. Lenz war gerade mal zehneinhalb Monate da. Nach Berichten des Fachblattes „Textilwirtschaft“ hatten in den vergangenen Monaten weitere vier Top-Manager s.Oliver verlassen.
Das operative Geschäft hat nach dem Weggang von Lenz Firmengründer Bernd Freier (72) kommissarisch übernommen. Er hatte s.Oliver 1969 in Würzburg als Herrenboutique gegründet. Heute hat das Unternehmen nach eigenen Angaben weltweit 6800 Mitarbeiter und macht einen Jahresumsatz von zuletzt 1,5 Milliarden Euro. Jede Woche werden in Rottendorf 2,8 Millionen Modeartikel ausgeliefert. Zu s.Oliver gehören unter anderem die Marken Comma und Liebeskind.
Gewerkschafter: „Fluktuation immens“
Bei s.Oliver „ist die Fluktuation immens“, hat Peter König von der Gewerkschaft ver.di in Würzburg beobachtet. Für den Handelsexperten ist das typisch für die sich stark wandelnde Modebranche: „Sie ist extrem unter Druck.“
Nicht ganz so dramatisch sieht das der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie in Berlin. Die Konjunktur sei derzeit „wenig dynamisch“ und im Bereich Bekleidung „auf breiter Front rückläufig“, heißt es in einer Marktanalyse der Organisation. Vor diesem für die Unternehmen wenig erfreulichen Hintergrund hat Gewerkschafter König über s.Oliver hinaus beobachtet, dass es zurzeit generell „in den Chefetagen megamäßig funkt“.
Andere Namen auch in den Schlagzeilen
Hinzu kommt, dass in den vergangenen Monaten große Modenamen in Franken ins Rutschen geraten sind. So sorgte im vergangenen Jahr René Lezard in Schwarzach bei Kitzingen mit seiner Insolvenz für Schlagzeilen. Ebenfalls 2017 musste Basler Fashion in Goldbach (Lkr. Aschaffenburg) mit dem gleichen Schicksal fertig werden. Zu erwähnen ist auch Wöhrl in Nürnberg mit einer Filiale unter anderem in Würzburg: Der Modehändler geriet 2016 in Schieflage.