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WALDBRUNN
Das Gips doch gar nicht
Das Gips doch gar nicht
Tilmann Toepfer
Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:44 Uhr

Das größte Bergwerk Bayerns fördert im fränkischen Landkreis Kitzingen, in Hüttenheim. In wenigen Jahren schon wird aller Voraussicht nach eine weit größere Grube entstehen, zwischen Altertheim und Waldbrunn (Lkr. Würzburg). Jedenfalls dann, wenn es nach den Plänen der Firma Knauf Gips KG aus Iphofen (Lkr. Kitzingen) geht. Derzeit spricht eigentlich nichts dagegen, dass die Firma Knauf ihre Pläne verwirklichen kann.


„Der Eingriff ist überschaubar, jedenfalls oberirdisch“
Dieter Mahsberg, Vorsitzender der Ortsgruppe Waldbrunn im BN

In Hüttenheim wird Anhydrit gewonnen (aus dem Griechischen: Stein ohne Wasser). Der wasserfreie Gips, chemisch Calciumsulfat, wird von Knauf zur Herstellung von Fließ-Estrich verwendet oder geht an die Zement- und Düngemittelindustrie. Den Rohstoff baut Knauf seit 1957 an den Ausläufern des Steigerwaldes bei Hüttenheim, Nenzenheim und mittlerweile weit unter dem Bullenheimer Berg in einer Tiefe von 60 bis 140 Metern ab. Die bis acht Meter dicke Schicht aus Sedimentgestein lagerte sich vor etwa 220 Millionen Jahren dort ab, das Gebiet lag damals am Rande eines Meeres und es herrschte subtropisches Klima.

Im Bergwerk Hüttenheim herrschen konstant 14 Grad Celsius

Heute ist das Meer weit weg. In Hüttenheim wächst oben Wein, unten empfängt den Besucher ein sehr gemäßigtes Klima von konstant 14 Grad Celsius und ein Riesenlabyrinth aus Stein. Auf einer Abbaufläche von bald zwei Quadratkilometern entstanden unter Tage Verbindungswege von 176 Kilometern Länge. Die Unterwelt ist wie eine gigantische, vier Meter hohe Tiefgarage, deren Decke von Pfeilern aus natürlichem Gestein getragen wird. Dazu muss man wissen, dass nur rund zwei Drittel des Materials abgebaut wird. Ein Drittel bleibt als Stütze stehen, ergänzt durch Anker aus Eisen, die in die Decke hineingetrieben werden.

Radlader und 333 PS starke Schlepper-Gespanne mit Hänger ziehen hier ihre Bahn und holen den Anhydrit aus den entlegensten Winkeln. 20 bis 23 Tonnen je Fuhre werden zum Brecher gebracht, eine Art Steinmühle. Von dort läuft des zertrümmerte Gestein über ein Förderband direkt ins Estrichwerk. In der Grube Hüttenheim beträgt der Vortrieb zwei bis drei Meter am Tag, nach einem Jahr sind rund 260 000 Tonnen Anhydrit gefördert.

In Waldbrunn sollen einmal 800 000 Tonnen Gipsgestein im Jahr gefördert werden

Die geplante Grube in der „Altertheimer Mulde“ bei Waldbrunn soll deutlich größer werden. Bis zum 800 000 Tonnen Gips im Jahr sollen hier einmal aus 70 bis 130 Meter Tiefe gefördert werden. Das Gipsvorkommen dort sei bis zu 20 Meter mächtig und „von seltener Qualität und Ausprägung“, sagt Matthias Reimann, Leiter Rohstoffsicherung bei Knauf. Die Lagerstätte sei zusammenhängend, zehn Quadratkilometer groß, und der Gips enthalte keinen Anhydrit oder störende Salze. „Das Vorkommen sichert unseren Standort in Nordbayern je nach Konjunktur für 70 bis 100 Jahre“, so Reimann.

Manager des Iphöfer Unternehmens haben bei mehreren Terminen vor Ort für ihr Vorhaben geworben, die Gemeinderäte hatten die Gelegenheit zur Besichtigung des Bergwerks Hüttenheim. Auch in Waldbrunn soll ein Untertage-Bergwerk entstehen, am Tunnelportal sollen vier Verlade-Silos und ein Betriebs- und Sozialgebäude für die bis zu 60 Beschäftigten gebaut werden, erfuhren sie.

In Waldbrunn sorgt man sich um die eigene Wasserversorgung

Der Knauf-Plan sei wahrscheinlich nicht zu verhindern, sagt Martin Schaut, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Gemeinderat in Waldbrunn. Außerdem wolle ihn wohl auch niemand durchkreuzen, jedenfalls gebe es keinen offenen Widerstand. Den kann auch Waldbrunns Bürgermeister Hans Fiederling nicht feststellen.

Dieter Mahsberg, der Vorsitzende der Ortsgruppe Waldbrunn vom Bund Naturschutz (BN), nennt den Eingriff „überschaubar, jedenfalls oberirdisch“. Ein Naturschutzgebiet sei nicht betroffen, sagt Mahsberg und sieht die Sache pragmatisch. Praktisch jeder Bauherr verwende doch Gips oder Gipsprodukte, und irgendwo müsse der Rohstoff ja herkommen.

Knauf will eine eigene Auffahrt auf die Autobahn A3

Die Silos und Gebäude am Grubeneingang wären wohl nur von den Bewohner weniger Häuser am Ortsrand zu sehen, die Geräusche der Förder- und Verladetechnik könnten vom Lärm der Autobahn A3 geschluckt werden. Überhaupt ist die bald durchgehend sechsstreifige A 3 für die Planer des Bergwerks vermutlich ähnlich viel wert wie ein „Grand mit Vieren“ und etlichen Assen beim Skat.

Denn anders als bei der Grube in Hüttenheim, von wo aus sich alle paar Minuten ein schweres Silofahrzeug durch die enge Ortsdurchfahrt quält, soll der Schwerlastverkehr aus der Grube bei Waldbrunn – in zwei Jahrzehnten vielleicht 150 Lkw am Tag – vollständig über eine Werksauffahrt direkt auf die A 3 geleitet werden. „Mit der Autobahndirektion laufen derzeit Detailgespräche“, teilt Matthias Reimann auf Anfrage mit.

Bleibt die Angst ums Trinkwasser. Waldbrunns Eigenwasserversorgung gibt es nach Angaben von Bürgermeister Hans Fiederling seit 1912. Zwar liegt der Gips unter dem Wasser, der Abbau selber kann daher die Wasserqualität nicht beeinträchtigen. Aber der Zugangsstollen muss durch die wasserführenden Schichten hindurch geschlagen werden. Für einen solchen Fall gibt es laut Reimann „verschiedenartige Techniken des Tunnelbaus“. Welche eingesetzt werden soll, werde erst nach umfangreichen hydrogeologischen Untersuchungen entschieden. Jedenfalls soll die Trinkwasserversorgung Waldbrunn nicht gefährdet werden, versichert Reimann. Auch das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg will darüber wachen. „Auf der Basis des bisherigen Kenntnisstandes scheint dies aus unserer Sicht grundsätzlich technisch möglich zu sein“, antwortet Amtschef Herbert Walter auf Anfrage.

In Hüttenheim hat das Bergwerk Geld und Arbeitsplätze in die Gemeinde gebracht

Alle Bedenken der Waldbrunner und Altertheimer sind damit sicher nicht ausgeräumt. Der Wald über dem Bergwerk könnte leiden, wird noch argwöhnt. Matthias Reimann versichert, der Grundwasserspiegel werde nicht sinken. Außerdem zögen Wälder im allgemeinen Sickerwasser aus dem direkten oberflächennahen Untergrund und nicht aus den Grundwasserschichten.

Neben möglichen Nachteilen wie Lärm und Staub ist eine Industrieansiedlung meist auch mit Vorteilen verbunden, in Hüttenheim weiß man das. Der Wirt vom Landgasthof May, Kurt May, sagt „eigentlich nur Gutes“ über das Knauf-Bergwerk, obwohl bei ihm die Silozüge um die Ecke kommen. Friedrich Rabenstein, Chef des gleichnamigen Weingutes, das nur wenige hundert Meter von den Knauf-Gebäuden gelegen ist, sagt über das Werk: „Es ist schon zu hören. Aber man muss auch berücksichtigen, dass Knauf Geld und Arbeitsplätze ins Dorf gebracht hat.“

Das wäre in Waldbrunn nicht anders. Knauf muss entweder den Wald über dem Bergwerk kaufen oder einen Abbauzins an die Waldbesitzer zahlen. Denn dem Grundbesitzer gehört der Schatz im Boden, und der Gips ist von allerbester Qualität.

„Mit der Genehmigung rechnen wir zwischen 2020 und 2022.“

Wie sieht der Zeitplan aus? Die Untersuchungen zur Hydrogeologie (Grundwasser/Oberflächenwasser) sollten rund ein Jahr dauern, so Reimann, das Genehmigungsverfahren könnte im Herbst 2017 beginnen. „Mit der Genehmigung rechnen wir zwischen 2020 und 2022.“

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Kommentare
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  • Leser83
    Wer den Artikel richtig liest und vor allem sich mit der Thematik schon einmal beschäftigt hat, stellt fest, dass aufgrund der geplanten direkten A3 Zu- und Abfahrt kein einziger LKW durch den Ort rollt.
    Es ist sicherlich nicht alles Gold, was glänzt. Aber einfach so ein Kommentar raus hauen, muss nicht sein.
    Auch wird man diese zusätzlichen LKW's bei dem bestehenden Verkehr auf der Autobahn wohl kaum bemerken.
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  • eisbaer61
    Und wie sieht es aus mit einer öffentlichen Ausschreibung? Die Einwohner von Altertheim und Waldbrunn wurden nicht gefragt, schließlich werden unsere Immobilien nicht in die Höhe schießen. Ich rechne mit 120 LKW Schwertransporter die dann täglich durch Waldbrunn fahren. Was wird den Bürgern geboten, "eine handvoll Dollars". Die Verantworlichen nicken nur noch mit den Köpfen.
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