Die Unternehmens-Gruppe Spindler – mit rund 630 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber im Automobilhandel in der Region – hat die Zusammenarbeit mit der Industrie-Gewerkschaft (IG) Metall beendet. Der bestehende Haustarifvertrag sei gekündigt worden, heißt es in einer Mitteilung. Die seit Februar andauernden Verhandlungen sind damit gescheitert.
Im Mittelpunkt des Streits steht dabei die Einführung eines neuen Vergütungssystems, der ein Baustein des angepeilten neuen Haustarifvertrags war. Nachdem beide Seiten vereinbart hatten, ein neues Konzept zu erarbeiten, stellte Spindler Anfang 2019 der Tarifkommission die Ergebnisse vor. Zur Überraschung der Arbeitgeberseite lehnte die IG Metall den Vorschlag jedoch ab. Ein Grund: Die verschiedenen Berufsgruppen und Tätigkeiten seien nicht differenziert genug abgebildet worden.
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"Das Ganze war eine Mogelpackung", kritisiert Norbert Zirnsak, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Würzburg. Die Gewerkschaft wirft dem Unternehmen vor, sich bewusst vom Flächentarifvertrag im bayerischen KFZ Handwerk zu entfernen. Das Angebot von Spindler falle bei Vergütung und Arbeitszeit weit hinter die Mindestbedingungen zurück. Das spiegele sich auch in dem vom Autohaus Spindler erarbeiteten Vergütungssystem wider.
Und die Kritik geht noch weiter. Der nun gekündigte Haustarifvertrag sei in den Autohäusern nie richtig umgesetzt worden, erklärt Norbert Zirnsak. Immer wieder seien Mitarbeiter in falsche Lohnklassen eingeordnet worden. "Das hat natürlich zu Unzufriedenheit geführt."
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Umstrittenes Vergütungssystem bei Spindler
Auf Nachfrage bestätigt die Spindler-Geschäftsführung, dass es im Unternehmen durchaus Verträge über 38 bis 40 Wochenstunden gebe. Der bayerische Flächentarifvertrag sieht regulär eine wöchentliche Arbeitszeit von 36 Stunden vor. Es sei auch kein Geheimnis, dass man bei den Löhnen niedriger liege, räumt Geschäftsführer Christian Wieser ein und kritisiert gleichzeitig die überzogenen Forderungen im Flächentarifvertrag.
Mit Blick auf das umstrittene Vergütungssystem spricht der Spindler-Geschäftsführer dagegen von einem "innovativen Modell". Man habe ein zukunftsfähiges Konzept erarbeitet, das dem Wunsch der Mitarbeiter nach Transparenz gerecht werde, sagt Geschäftsführer Christian Wieser gegenüber dieser Redaktion. Das Unternehmen rechnet mit Mehrausgaben in siebenstelliger Höhe – nach eigenen Angaben zu Gunsten der Mitarbeiter.
Keine Rücksicht auf den Arbeitsmarkt
Spindler wollte ein zwölfstufiges Vergütungsmodell einführen, in dem Lohnzuwächse an die Dauer der Betriebszugehörigkeit geknüpft wären. So steige ein Servicetechniker nach zwei Jahren im Job automatisch in die nächste Stufe.
Außerdem hätten die Mitarbeiter die Möglichkeit, die Gehaltsentwicklungen innerhalb einer Berufsgruppe einzusehen. Darüber hinaus sei eine jährliche Beteiligung am Unternehmensgewinn und ein Provisionsmodell für die Mitarbeiter geplant gewesen. Nach der Motto: Wer mehr leistet, kriegt einen Bonus.
An den Modellen der IG Metall kritisiert er, dass diese keine Rücksicht auf die Entwicklungen am Arbeitsmarkt und die Attraktivität des Unternehmens für potenzielle Fachkräfte nehmen. Außerdem hantiere die Gewerkschaft bei Tätigkeitsbeschreibungen viel mit Adjektiven. Diese seien in hohem Maße interpretierbar, sagt Wieser.
Verhandlungen mit dem Betriebsrat
Er kritisiert, dass die Gewerkschaft ohne Alternativvorschlag in die Verhandlungen gegangen sei und stattdessen auf ein 20 Jahre altes Modell verwiesen hätte. Die Spindler-Geschäftsführung will daher am neuen Vergütungssystem festhalten.
Nach der Kündigung des Tarifvertrags will Spindler jetzt in Verhandlungen mit dem Betriebsrat gehen. Die Geschäftsführung hofft auf diesem Weg, das neue Vergütungssystem im April 2020 einführen zu können.
Ob dieser Plan aufgeht, ist mehr als fraglich. In einem schriftlichen Statement wird die Betriebsratsvorsitzende Sandra Weissenbäck deutlich: "Der Betriebsrat wird keine eigenen Regelungen im Unternehmen treffen, die durch Tarifverträge mit der IG Metall zu regeln sind."
Tarifvertrag versus Betriebsvereinbarung
Auch die IG-Metall hält eine solche Vereinbarung mit dem Betriebsrat für rechtswidrig und verweist auf das Betriebsverfassungsgesetz, in dem es heißt: "Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein."
„Ein Ausstieg der Spindler Autohäuser aus der Tarifbindung kommt für uns nicht in Frage", sagt IG-Metall-Bevollmächtigter Norbert Zirnsak. Die Spindler-Geschäftsführung will trotzdem Verhandlungen mit dem Betriebsrat aufnehmen. Es bahnt sich ein Rechtsstreit an.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Tatsächlich sei diese Frage auch unter Juristen umstritten, sagt Tobias Schmitt, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Bendel & Partner. Grundsätzlich habe das Bundesarbeitsgericht aber Folgendes entschieden: Auch Unternehmen, die nicht an einen Tarifvertrag gebunden sind, dürfen beispielsweise Löhne und Arbeitszeit nicht per Vereinbarung mit dem Betriebsrat regeln. Solange es die Möglichkeit für den Arbeitgeber gibt, einem Tarifvertrag beizutreten, greift die Sperrwirkung im Betriebsverfassungsgesetz.
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- Der Verbandstarifvertrag (Flächen- oder Branchentarifvertrag) wird zwischen einer Gewerkschaft und einem Arbeitgeberverband geschlossen und gilt für eine bestimmte Branche in einer bestimmten Region.
- Beim mehrgliedrigen Tarifvertrag verhandeln auf beiden Seiten mehrere Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.
- Der Firmentarifvertrag (Haustarifvertrag) wird von einer Gewerkschaft verhandelt, gilt aber nur in dem entsprechenden Unternehmen.