Seit 2016 gilt die Frauenquote für die Aufsichtsräte großer Unternehmen. In den Chefetagen hat sich dadurch aber wenig getan. Aus einer aktuellen Studie der AllBright-Stiftung geht hervor, dass noch immer 53 der 160 größten Aktienkonzerne keine Frau im Vorstand haben – darunter auch zwei Unternehmen aus Unterfranken.
So schreibt die Rhön-Klinikum AG in Bad Neustadt in ihrer Erklärung zur Unternehmensführung:
- "Der Frauenanteil im Vorstand wurde zum 30. Juni 2017 bis zum 31. Dezember 2020 auf Null festgesetzt und beträgt zum 31. Dezember 2018 ebenfalls Null."
Genauso heißt es im aktuellen Geschäftsbericht der Koenig & Bauer AG (Würzburg):
- "Die Zielgröße des Aufsichtsrats für die Frauenquote im Vorstand liegt weiterhin bei 0%"
Beide Konzerne sind gesetzlich verpflichtet, Zielgrößen für den Frauenanteil zu veröffentlichen. Doch welche Zahl sie melden, ist ihnen überlassen. Und so setzen sie sich – wie 51 weitere Aktienkonzerne – null Prozent zum Ziel.
SPD-Bezirkschef Bernd Rützel übt daran scharfe Kritik. Es könne nicht sein, dass erfolgreiche Unternehmen solche Beschlüsse fassen. "Wir können Frauen nicht aus Spitzenpositionen aussperren", sagt Rützel auch mit Blick auf den akuten Fachkräftemangel. Es brauche einen Kulturwandel.
Kommt die Vorstandsquote?
Sollte dies auf freiwilliger Basis nicht funktionieren, werde man die Regeln verschärfen müssen. Neben hohen Bußgeldern bringt der SPD-Politiker auch eine feste Quote für die Besetzung von Vorstandsposten ins Spiel. "Wenn die Unternehmen so weiter machen, wird die kommen", so Rützel.
Damit geht der unterfränkische Politiker noch einen Schritt weiter als die Bundesregierung, in der ein solches Vorhaben derzeit nicht mehrheitsfähig wäre. Eine Vorstandsquote sei nicht im Koalitionsvertrag vereinbart und derzeit auch nicht geplant, heißt es aus Regierungskreisen.
Pläne der Regierung: Ein stumpfes Schwert
Stattdessen arbeiten Justizministerin Katarina Barley und Familienministerin Franziska Giffey an einem Gesetz, um Unternehmen härten zu bestrafen, die entweder keine Zielvorgaben melden oder null Prozent angeben. Das seien immerhin 81 Prozent, so die Familienministerin. Neben der Einführung von Bußgeldern sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, zu begründen, warum sie keine Frauen in ihren Vorstand wählen.
Auf Nachfrage dieser Redaktion räumt ein Sprecher des Justizministeriums jedoch ein, dass die Gründe juristisch nicht bewertet würden. Rechtlich ist es damit irrelevant, wie Aufsichtsrat und Vorstand den niedrigen Frauenanteil konkret begründen. Die Bundesregierung will mit dem Gesetz offenbar vor allem die Transparenz verbessern und den Rechtfertigungsdruck auf Unternehmen erhöhen. Wirkliche Sanktionen haben diese aber nicht zu befürchten.
Sowohl Koenig & Bauer als auch das Rhön-Klinikum, kurz "Rhön", weisen derweil die Kritik an ihrer Vorstandsbesetzung zurück. So gebe es in beiden Konzernen bestehende Verträge. Eine Abkehr davon würde signalisieren, dass sich der Aufsichtsrat von einem oder mehreren Vorständen trennen möchte. Das sei nicht beabsichtigt, erklärt Eugen Münch, Aufsichtsratsvorsitzender des Rhön-Klinikums.
Genauso sieht es ein Sprecher von Koenig & Bauer: Eine vorzeitige Kündigung wäre "keine gute Botschaft für den Markt". Kontinuität in der Chefetage sei ein wichtiger Faktor für den Unternehmenserfolg.
Keine geeigneten Kandidatinnen
Zudem betont man bei Koenig & Bauer: Es sei schwierig, im Maschinen- und Anlagenbau geeignete Kandidatinnen zu finden. "Wir können nicht über Wasser gehen", so der Sprecher. Man werde die Zielgrößen für den Vorstand jedoch laufend überprüfen, auch weil der Frauenanteil in der ersten Führungsebene stetig wachse. Was das konkret heißt, steht im Geschäftsbericht von Koenig & Bauer:
- Frauenquote in der ersten Führungsebene unter dem Vorstand: 17 Prozent bis 2022
- Frauenquote in der zweiten Führungsebene unter dem Vorstand: 7 Prozent bis 2022
Darüber, wie sich der Frauenanteil in den Führungsetagen innerhalb der vergangenen zehn Jahre entwickelt hat, will keines der beiden Unternehmen öffentlich Auskunft geben. Stattdessen verweist eine Sprecherin des Rhön-Klinikums darauf, dass sich der Aufsichtsrat zu 43,8 Prozent aus Frauen zusammensetze. Außerdem würden zwei von fünf Klinikstandorten von Frauen geleitet.
Dem Plan der Bundesregierung, die gesetzlichen Grundlagen zu verschärfen, stehen beide Konzerne skeptisch gegenüber. Das Vorhaben sei zu kurz gesprungen, so die "Rhön"-Sprecherin. Man dürfe nicht nur den Vorstand in den Blick nehmen, sondern müsse den Frauenanteil auf allen Führungsebenen berücksichtigen. Bei "Rhön" hat man sich zum Ziel gesetzt, den Frauenanteil auf der ersten Führungsebene unter dem Vorstand auf 21 Prozent zu erhöhen. Zum Vergleich: Im Aufsichtsrat liegt die gesetzliche Quote bei 30 Prozent und somit neun Prozent darüber.
Beide Unternehmen betonen, Frauen stärker fördern zu wollen. Doch ein konkreter Beschluss, den Vorstand nach Ablauf der aktuellen Verträge mit einer oder mehreren Frauen nachzubesetzen, stehe derzeit nicht zur Debatte.
Frauen betreiben kaum Selbstmarketing
Für Astrid Szebel-Habig ist das ein "Armutszeugnis". Die Aschaffenburger Professorin für Personal- und Unternehmensführung kritisiert die "männliche Monokultur" in vielen Unternehmen. In den USA sei jede zweite Position im mittleren Management mit einer Frau besetzt. Davon könne man in Deutschland nur träumen – auch weil die Personalberatung, also externe Headhunter, noch immer zu 90 Prozent Männer seien.
"Dabei ist die Bildungselite in Deutschland weiblich", betont Szebel-Habig. "Frauen studieren schneller, brechen ihr Studium seltener ab und haben die besseren Noten." Trotzdem sind die Schlüsselpositionen meist von Männern besetzt. Auf Dauer könne dies den Unternehmen schaden.
Immer häufiger werde in einzelnen Projekten gearbeitet. Dabei würden Studien zeigen, dass Teams umso erfolgreicher sind, je mehr Frauen miteinbezogen werden. "Die Gruppenintelligenz steigt an", erklärt Szbel-Habig.
Doch gerade Frauen würde kaum Selbstmarketing betreiben. Sie setzt deshalb auf eine gesetzliche Vorstandsquote nach dem Modell der Kaskadierung. Dann müssten im Management genauso viele Frauen arbeiten wie in der ausführenden Ebene.