Der Deutsche Presserat hat dieser Tage Grundsätzliches entschieden: Veröffentlichen Redaktionen journalistische Inhalte von Dritten auf ihren Online-Plattformen, liegt die presseethische Verantwortung für diese Inhalte bei der für die Plattform verantwortlichen Redaktion. Siehe "Presseethische Verantwortung für fremde Inhalte" .
Beschwerden gegen Focus-Online
Das heißt, wenn eine Nachricht von einem anderen Medium übernommen wird, wird damit auch Verantwortung dafür mit übernommen. Das gilt auch wenn die Quelle genannt wird, die die Nachricht ursprünglich verbreitet hat. Anlass für die Entscheidung waren laut Presserat Beschwerden über Beiträge auf Focus-Online aus Drittquellen – auch von der Polizei oder lokalen journalistischen Publikationen. Im Einzelnen will der Presserat im Dezember auf die Beschwerden dazu eingehen.
Die ethische und die rechtliche Situation
Der Presserat wird also im Rahmen seiner Richtlinien, denen sich die deutschen Zeitungen unterworfen haben, nur ethische Entscheidungen zu den Mitteilungen aus Fremdquellen treffen, keine rechtlichen. Deshalb spreche ich die rechtliche Situation an, die nicht nur Online-Nachrichten der Medien betrifft. Klar bleibt: Ist eine übernommene Nachricht richtig und verletzt keine Rechte, kann es weder ethische noch rechtliche Probleme geben.
Die Verbreiterhaftung
In der Rechtsprechung gibt es aber für Medien die sogenannte Verbreiterhaftung. Die tritt ein, wenn z.B. im Bericht über einen Verdächtigen, eine Stellungnahme des Betroffenen fehlt oder durch Unausgeglichenheit eine Vorverurteilung vorliegt. Danach würde selbst die ausdrückliche Distanzierung von Inhalten, die aus fremden Quellen übernommen sind, nichts nutzen. Eine eigene Nachrecherche wäre notwendig.
Privilegierte Quellen
Besonders kniffelig wird es bei Nachrichten der Deutschen Presseagentur (dpa), die in der Rechtsprechung als privilegierte Quelle gilt. Eigentlich bedürfen die deshalb keiner Nachprüfung. Privilegiert sind danach gleichermaßen Polizei und Staatsanwaltschaft mit ihren Pressemitteilungen. Auf deren Wahrheitsgehalt dürfen sich Medien verlassen. Nach einer möglichen Weiterverbreitung von deren vielleicht Rechte verletzenden Äußerungen dürften Medien keine rechtlichen Konsequenzen treffen. Es sei denn, ein Betroffener meldet sich mit Einwänden. Dann heißt es: Selbst recherchieren. Das gilt auch dann für Redaktionen, wenn ein grober Rechtsverstoß in einer Polizeimeldung unschwer zu erkennen ist.
Achtung bei identifizierenden Merkmalen
Für die Weiterverbreitung von Bildnissen und identifizierenden Merkmalen von Betroffenen macht die Rechtsprechung ohnehin jedes Medium selbst verantwortlich, egal ob gedruckt oder digital. Bei deren Rechtswidrigkeit, kann sich kein Medium auf die Privilegierung von dpa oder Polizei berufen.
Zurück zum Presserat: Es könnte sein, dass er im Dezember eine online weiterverbreitete Polizeimeldung durch die Presse als zu unethisch kennzeichnet. Ich werde berichten.
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Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de