Zurecht fragt Frau H.K., weshalb in dem mit „dpa“ (Deutsche Presseagentur) gezeichneten Beitrag in der Zeitung vom Samstag, den 14.4.(Überschrift: „Warum Deutschland in Syrien nicht eingreift“)„irgendjemand“ Fragen beantwortet, ohne dass ersichtlich sei, von wem Erklärungen und Begründungen in den gegebenen Antworten stammen. Sie schreibt: „Ich merke, dass ich über dieses 'Format‘ der Information mit fehlenden Angaben stolpere.“
Hier Online-Fassung der Artikels: "Warum Deutschland im Syrien-Konflikt an der Seitenlinie steht"
Von wem kommen die Aussagen?
Es ist unübersehbar: Der Frau fehlt mehr Quellenklarheit und Transparenz. Nun nimmt sie an, dass die im Artikel „in den Köpfen der Leser kreisenden Fragen“ von den dpa-Journalisten selbst gestellt wurden. Unklar bleibe bei den Antworten, ob sie aus Äußerungen des Regierungssprechers, von Angela Merkel oder von Politikwissenschaftlern entnommen sind. Oder ob sie aus Überlegungen der Journalisten und aus irgendwann offiziell gefallenen Äußerungen zusammengesetzt sind. Dagegen spricht aus Sicht von H.K., dass sich Frau Merkel „nur selten so dezidiert“ äußere ...
Von professionellen Journalisten recherchiert
Meine Erklärung: Leser dürfen davon ausgehen, wovon die Redaktion dieser Zeitung als dpa-Kunde ebenfalls ausgeht. Die Beiträge der Agentur sind von professionellen Autoren unter Beachtung journalistischer Grundsätze und Regeln recherchiert. Und die Agentur ist überall in der Welt vertreten, eben gerade auch dort, wo es Regionalzeitungen nicht mehr sein können. Deshalb sind die meisten Medien im Lande auf Agenturen wie die dpa angewiesen. Grundsätzlich gilt die dpa - wie einige andere Agenturen auch - als zuverlässige Quelle.
Im Syrien-Artikel (im Bild) wird Professionalität der Agentur-Journalisten durchaus auch sichtbar. Er beleuchtet Deutschlands Haltung zu einem militärischen Vergeltungsschlag (siehe Überschrift). Das geschieht übersichtlich, weil in Fragen gegliedert. Die Fragen waren für die dpa-Redakteure zu diesem Zeitpunkt aktuell auf der Hand gelegen oder sind zuvor häufig öffentlich diskutiert worden.
Die Namen der Autoren sind bekannt
Der vorliegende Artikel aus der national wie international vertretenen Agentur (dpa) wird von Redakteuren und Korrespondenten verantwortet. Die sind jeweils Experten und mit dem Thema vertraut. Drei waren es im Syrien-Beitrag: Michael Fischer (Redakteur für Außenpolitik/dpa-Zentrale), Jörg Blank (Redakteur für Kanzleramt/dpa-Zentrale) und Jan Kuhlmann (Nahostkorrespondent/Istanbul). Sie schildern gemeinsam die deutsche Haltung, die sie aus Gesprächen, Vorträgen, Interviews, Veröffentlichungen, eigenen Recherchen und dem Archiv zuverlässig folgern können.
Die Namen der drei Autoren hat dpa an ihre Kunden zum Artikel mitgeliefert. Im Online-Beitrag werden sie genannt (siehe Link oben), in der Zeitung nicht.
Versäumnisse
Nun meine Kritik: Die Redaktion dieser Zeitung hätte in dem gedruckten Beitrag ihren Lesern die Autoren ebenfalls nennen müssen. Das hat sie leider nicht getan. Meine Nachfrage hat nun ergeben: Es soll künftig mehr darauf geachtet werden, dass Autorennamen nicht verschwinden. Denn auch wenn der dpa selbst die Agenturkennzeichnung am Beitrag ausreicht, sollte man dem Urheberpersönlichkeitsrecht Rechnung tragen. Urheber (hier die Autoren) haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, genannt zu werden. Eine ganze Agentur als Urheber, das lässt sich kaum nachvollziehen.
Die Autoren selbst, die hätten gut daran getan, in ihrem Artikel in der einen oder anderen Erklärung beispielhaft eine Quelle anzugeben, etwa mit einem passenden Zitat des Regierungsprechers oder der Kanzlerin. Das hätte die Glaubwürdigkeit des Beitrages stärken können.
Ohne Vertrauen geht es nicht
Selbst wenn mehr Quellen und weitergehende Transparenz gut sind, bringen sie auch Probleme mit sich. Über zu viele könnte die Syrien-Analyse einen Umfang annehmen, der Leser erfahrungsgemäß abschreckt und für den in der gedruckten Zeitung oft der Platz fehlt. Auch wäre dem Beitrag darüber vielleicht viel von seiner Verständlichkeit verloren gegangen.
Grundsätzlich meine ich freilich, dass selbst kritische Leser einer serösen Agentur und dieser Zeitung vertrauen können. Ohne geht es nicht – trotz mancher Fehler, die korrigiert werden müssen.
Weitere Leseranwalt-Kolumnen zu diesem Thema:
"Ein Buch mit sieben Siegeln aufgeblättert: Die DPA" (2016)
"Einem Fremdenverkehrsverband auf den Leim gegangen" (2016)
"Die Abkürzung für eine Nachrichtenagentur genügt nicht immer für notwendige Quellenklarheit" (2013)
"Guter Vorsatz für 2017: Mehr Quellenklarheit" (Dez. 2016)
"Transparenz, Baustein für Glaubwürdigkeit" (2017)
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de
Die eigene Sorgfaltspflicht kann – in Zeiten zurückgehender Auflagen und wirtschaftlichen Drucks – nicht durch das Nennen der dpa-Verantwortlichen ersetzt werden, wenn im Zuge einer zukünftigen öffentlich-rechtlichen Finanzierung auch von print-Medien deren Selbstverständnis auf dem Prüfstand steht: es besteht die Gefahr, Kritik durch Wohlverhalten im Sinne „politischer Korrektheit“ zu ersetzen, um die Zuschüsse nicht zu gefährden.
Mit der Übernahme fremder Beiträge bewegen sich die Verlage bereits auf dünnem Eis!
Ansätze einer Vereinheitlichung der Meinungsvielfalt in Form vorauseilenden Gehorsams von Redaktionen sind – für mich – bereits erkennbar!
Anton Sahlender, Leseranwalt
Ich kenne als Insider die Abläufe der „Entscheiderpresse“ und Agenturen, verfüge über Hintergrundinformationen, die den Vergleich zwischen SOLL – das, was Sie als Leseranwalt beschreiben - und IST - wie Meldungen platziert werden - ermöglichen.
So sind Entwicklungen und Entstehung der sie begleitenden „Narrationen“ frühzeitig erkennbar.
Nehmen Sie z.B. die der Süddeutschen vorliegende „Kommunikation“ der EU Kommissarin für Justiz und Verbraucherschutz, die sich mit Problemen von Qualitätsmedien bis hin zu Online-Desinformation auseinander setzt.
Die Interpretation dieser Fakten hat nichts mit Schwarzmalerei oder Verschwörungstheorie zu tun, sondern mit Ausblicken auf erkennbare Entwicklungen, die langfristig eine Gefahr für „freie“ Presse darstellen könnten.
Im Rahmen von 1000 Zeichen ist das nur anzudeuten.
Anton Sahlender, Leseranwalt