Transparenz im Journalismus ist wichtig, das sagt auch der Deutsche Presserat. Zwei Entscheidungen entnehme ich deshalb seiner jüngsten Pressemitteilung. Sie sind auch für Lokalzeitungen von Bedeutung. Sie stehen für Klarheit über die Herkunft von Nachrichten. Den Presseratsentscheidungen füge ich jeweils eine Erklärung an.
Fehler weiter verbreitet
Ein Leser beschwerte sich wegen mehrerer Berichte über eine Berliner Demonstration gegen die geplante Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem. Grund: Bundesweit hatten Medien behauptet, aus der Demonstration heraus sei von einer signifikanten Menge minutenlang „Tod den Juden“ skandiert worden. Später stellte sich heraus, dass es nur vereinzelt solche Zwischenrufe gab. Zahlreiche Medien hatten sich auf einen regionalen Zeitungsbericht mit diesem Fehler verlassen.
Eigene Recherchen nicht vernachlässigen
Der Presserat weist hier auf eine Verletzung der Sorgfaltspflicht hin. Die ungeprüfte Veröffentlichung von Aussagen aus anderen Medien verstößt gegen den Pressekodex. Er appelliert an Redaktionen, eigene Recherchen trotz Zeitnot nicht zu vernachlässigen.
Übernahme durchschaubar machen
Dem wichtigen Appell des Presserates füge ich erklärend hinzu, dass es vielfach für Lokalzeitungen nicht möglich ist, Meldungen aus entfernten Regionen zu überprüfen, wenn sie die aus anderen Medien übernehmen. Wird aber übernommen, sei es weil eine Nachricht aktuell Bedeutung besitzt, dann muss das durchschaubar gemacht werden. Das muss durch den Hinweis darauf geschehen, von wem die Nachricht kommt und durch die Erklärung, dass sie von der eigenen Redaktion nicht auf Korrektheit überprüft werden konnte. So entgeht man einer Sanktion des Presserates und im schlimmsten Fall rechtlichen Konsequenzen.
Die Rüge
Eine Rüge (die schwerste Sanktion des Presserates) traf Kölner Stadtanzeiger und Kölnische Rundschau. Sie haben gegen die Kodex-Richtlinien 1.3 und 6.1. verstoßen. Beide Zeitungen haben Pressemitteilungen einer Agentur in ihren Veröffentlichungen für Leser nicht nachvollziehbar gekennzeichnet. Das ist aber wichtig gewesen, denn die Agentur ist Pressestelle einer Kommune, verantwortet deren Pressemitteilungen und beantwortet für sie Medien-Anfragen. Das Problem: Sie berichtet auch noch für Redaktionen der Zeitung über lokale Themen.
Gefährdung der Glaubwürdigkeit
Die Agentur-Beiträge wurden in Veröffentlichungen der Zeitungen (gedruckt und online) aber in gleicher Weise mit Namen bzw. Kürzel der Agentur gekennzeichnet. So blieb Lesern unklar, ob es sich bei den Artikeln um kommunale Pressemitteilungen, um Antworten auf redaktionelle Anfragen oder um Texte im Auftrag der Redaktion handelte. Diese Praxis gefährdet nach Ansicht des Presserats die Glaubwürdigkeit der Medien. Und mit dieser Ansicht steht der Presserat wahrhaftig nicht alleine.
Geschrumpfter Markt
Zu dem Kölner Fall halte ich fest, dass es solche nicht gerade glücklichen Doppelkonstruktionen von abhängigem und unabhängigem Journalismus nicht selten gibt. Sie sind auch ein Ergebnis des geschrumpften Marktes journalistischer Medien. Freie Journalisten oder für Agenturen wollen durch abhängige Aufträge aus Kommunen oder Unternehmen für mehr Wirtschaftlichkeit sorgen.
Andere Leseranwalt-Kolumnen zur Transparenz:
"Transparenz, Baustein für Glaubwürdigkeit" (2017)
"Ein guter Vorsatz, mehr Quellenklarheit" (2016)
"Wenn ein Berichterstatter in das berichtete Ereignis selbst eingebunden war" (2013)
"Einem Interview fehlt der Interviewer" (2015)
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de