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LESERANWALT
Über den Opferschutz wacht der Presserat
Archivfoto. Blumen und Kerzen, die mahnend an ein tödliches Unglück  erinnern. Es ist ein journalistischer Grundsatz, dass die Opfer nicht identifizierbar gemacht werden.
Foto: Patty Varasano | Archivfoto. Blumen und Kerzen, die mahnend an ein tödliches Unglück erinnern. Es ist ein journalistischer Grundsatz, dass die Opfer nicht identifizierbar gemacht werden.
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:04 Uhr

Opferschutz nach Straftaten oder Unglücksfällen ist ein wichtiger ethischer Grundsatz für den Journalismus. Geschützt sind dabei auch Angehörige. Über den Grundsatz wacht speziell der Deutsche Presserat. Bewusst erinnere ich daran. Denn die Rechtsprechung erfasst mit dem Persönlichkeitsrecht nicht alle Fälle. Dazu drei Beispiele, für die zuletzt der Deutsche Presserat der Bildzeitung öffentliche Rügen erteilte. Ich habe sie einer Mitteilung des Presserates entnommen.

 

Identifizierbares Kind

Erstes Beispiel: Online war unter der Überschrift „Wurde die Aufsichtspflicht verletzt?“ darüber berichtet, dass ein fünfjähriger Junge in seiner Kindertagesstätte von einem anderen Jungen in den Penis gebissen worden war. Vorname und abgekürzter Nachname des verletzten Kindes sowie ein Foto, das es in seinem Bett im Krankenhaus zeigt, waren veröffentlicht. Damit, so der Presserat, wurde der Persönlichkeitsschutz des Jungen grob verletzt.

 

Mordopfer gezeigt

Zweiter Fall: Unter dem Titel „Das dunkle Geheimnis des Kopfschuss-Killers“ ging es um Ermittlungen gegen einen 30-jährigen Mann wegen Mordes an einer Cafébesitzerin. Der Beitrag, der gedruckt und digital verbreitet wurde, enthielt ein Foto des Opfers. Wieder sah der Presserat dadurch dessen Persönlichkeitsschutz verletzt.

 

Identifizierbares Unglücksopfer

Dritter Fall: Identifizierbar dargestellt wurde in Print und Online unter dem Titel „Doppel-Lawine tötet Mathe-Lehrer“ ein Skifahrer, der bei einem Lawinenunglück ums Leben kam. Durch ein Foto und weitere Angaben zur Person sah der Presserat erneut Persönlichkeitsschutz verletzt.

An allen drei Fällen erkannte man kein öffentliches Interesse, keines, das höher zu bewerten war als der Schutz der Persönlichkeit.

 

Ende des Persönlichkeitsrechts

Die ethische Bewertung durch den Presserat ist wichtig. Denn im rechtlichen Sinne endet das aktive Persönlichkeitsrecht eines Menschen mit seinem Tod. Verletzungen sind postmortal von Angehörigen nur sehr schwer über die Rechtsprechung zu erfassen.

 

Unerhebliches Wissen

Das sagt der Kodex des Presserates in Richtlinie 8: „Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen.“ Das Wissen darum ist für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs in der Regel unerheblich. „Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.“

„... nach Straftaten und Unglücksfällen dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.“

„Bei Familienangehörigen und sonstigen durch die Veröffentlichung mittelbar Betroffenen, die mit dem eigentlichen Gegenstand der Berichterstattung nichts zu tun haben, sind Namensnennung und Fotoveröffentlichung in der Regel unzulässig.“

Eine meiner nächsten Kolumnen widme ich dem wichtigen Begriff des Öffentlichen Interesses.

Ähnliche Leseranwalt-Kolumnen:

"Nach Gewalttaten muss der Schutz von Opfern schon in der Sprache der Überschrift beginnen" (2013)

"Eine schwierige Abwägung" (2017)

"Über mögliche Gefahren bei der Vermittlung des Unbegreiflichen" (2009)

"Das Recht am eigenen Bild gilt auch für Beteiligte an Unglücksfällen" (2014)

"Wenn Informationsinteresse der Öffentlichkeit mit dem Leid von Hinterbliebenen in Konflikt kommt" (2014)

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de

 
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