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UNTERFRANKEN
Der Leseranwalt: Wenn Informationsinteresse der Öffentlichkeit mit dem Leid von Hinterbliebenen in Konflikt kommt
Redaktion
 |  aktualisiert: 26.04.2023 21:24 Uhr

Über Unglücksfälle mit Todesopfern in unserer Region wird immer berichtet. Das ist unvermeidlich, wird von Lesern erwartet und stark genutzt. Wissen sollte man aber, dass solche Berichte oft zur Belastung für Angehörige der Opfer werden, wenn die zur Leserschaft gehören. Ihnen begegnet in Bericht und Bild das Schreckliche noch einmal. Selbst wenn keine Namen genannt sind: Das Unglück bleibt durch Ort und Hergang für sie unverkennbar. So haben die Redaktion immer wieder Beschwerden trauernder Angehöriger oder Freunde von Unfallopfern erreicht. Die Schilderung eines Unfallverlaufs in mehreren Ausgaben hintereinander wurde für sie zur schweren Belastung.

Zwei Grundsätze, die wichtig sind, stoßen bei Unglücksfällen aufeinander: Einerseits sehen sich Journalisten verpflichtet, darüber korrekt und ausführlich zu berichten, andererseits liegt es nicht in ihrer Absicht, Hinterbliebenen zusätzlich Leid zuzufügen.

Im Umgang mit diesem Konflikt können sich Redaktionen von der Ziffer 8 im Kodex des Deutschen Presserates leiten lassen. Dort heißt es unter anderem: „Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung.“ Vor allem aber gilt hier Ziffer 11.3: „Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.“ Siehe auch: www.presserat.de.

Sensationsinteresse steht aber selten hinter der Schilderung von Unfallvorgängen. Messbar ist das an der Sachlichkeit der Berichte, die ohne Zuspitzungen und Übertreibungen auskommen müssen. Journalistisches Fingerspitzengefühl ist bei der Wortwahl und in den Formulierungen gefragt. Wiederholte Veröffentlichungen sind begründet, wenn Zeugen gesucht werden oder wenn es neue Hinweise zur Klärung der Ursachen gibt. Das ist bei schweren Unglücksfällen erfahrungsgemäß häufig der Fall. Dabei müssen Redaktionen abwägen, ob neue Informationen so wichtig sind, dass sie eine erneute Veröffentlichung rechtfertigen. Das starke Informationsinteresse der Öffentlichkeit steht dem Respekt vor dem Leid Hinterbliebener gegenüber. Doch bei allem Respekt, es muss festgehalten werden: Zu schweren Unglücksfällen gehören ausführliche und erklärende Berichte in Medien. Sie sind Vorbeugung. Sie sollen helfen, neues Leid zu vermeiden.

 
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