Über Sprache und ihre Wirkung muss man sich immer wieder Gedanken machen, auch über vordergründig klare Titel wie „Behinderten ausgeraubt“ und „Raubüberfall auf Behinderten gesühnt“. Die standen in dieser Zeitung. Die beschriebene Tat kann schon nach dem Lesen der Überschriften Empörung auslösen.
Engagierte Leser, die den Fall gut kennen und sich für den überfallenen Menschen einsetzen, haben mir die Problematik dieser Titel auseinandergesetzt: Sie seien für den Mann fürchterlich gewesen. Sie hätten ihn noch einmal auf seine Behinderung festgelegt. Das habe ihn schwer getroffen.
Ich greife diese Kritik auf, weil mir versichert wurde, dass es nun auch im Interesse des Opfers liegt, offen mit den Gefühlen umzugehen, welche die Überschriften bei ihm ausgelöst haben. Dieser Beitrag soll ihn also kein weiteres Mal treffen, aber aufzeigen, dass es auch hier um Opferschutz geht. Er soll sensibilisieren und Redaktionen daran erinnern, wenn unter Zeitdruck schnell eine Überschrift entstehen muss.
Im vorliegenden Fall geht es um einen ins Arbeitsleben integrierten Menschen, der dort seinen Mann steht. Eine Behinderung sei bei ihm nicht gleich auszumachen, sagen Freunde, selbst wenn die Anklage sie als erkennbar dargestellt hat.
Grundsätzlich, so die Kritiker, erzeuge die Sprache eine Diskriminierung. Tatsächlich halte auch ich es für brutal, einen Menschen kurz als Behinderten zu bezeichnen und ihn so darauf zu reduzieren; das gilt unabhängig davon, ob die Behinderung augenfällig ist oder nicht.
Gegen die Kritik kann man argumentieren, dass die Rechtsprechung in der Strafbemessung einen Unterschied macht, wenn die Straftat an einem Menschen begangen wird, bei dem eine Behinderung erkennbar ist. Das zu beachten, ist freilich Sache der Richter. Dazu muss es in keiner Überschrift stehen – gerade weil die oft nur Platz für Kurzbegriffe oder Schlagworte bietet. Lange Formulierungen, etwa „Mann mit einer Behinderung“, sind da selten unterzubringen. Im Artikel kann man sensibler damit umgehen.
Ich halte aber fest: Mit den beiden Überschriften sollte der Mann nicht diskriminiert werden. Gute Absicht war es, die Schwere der Straftat sofort zu verdeutlichen. Empörung darüber erhöht erfahrungsgemäß die Zahl der Leser. Aber nicht alles, was gut gemeint und in der Sache nicht falsch ist, muss auch richtig sein.
Der Kodex des Presserates hält dazu unter anderem fest, dass bei der Berichterstattung über Gewalttaten das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer sorgsam abzuwägen ist.
Hier lesen sehr viele "Normalbürger" (wie ich es bin) mit, da können Sie sich ruhig der deutschen Sprache bedienen, sollten Sie verstanden werden wollen.
Ist nicht böse gemeint!
Die Behinderung eines Menschen löst in mir ein Mitgefühl aus, welches dem Betreffenden meine Solidarität versichert. Eine Erwähnung des Handicaps ist für mich noch keine Diskriminierung, sondern eher ein verstärkendes Moment, welches zum Verständnis beiträgt, dass sich da ein übler Bursche über einen in seiner Wehrhaftigkeit eingeschränkten Menschen hergemacht hat. Das sollte Strafmaß erhöhend wirken und das heimtückische Verhalten betonen. Natürlich sind der Opferschutz und die Diskretion in solchen Artikeln immer anzustreben, aber das richtige Verständnis beim Leser kann nur dadurch zustande kommen, dass man die Gesamtheit der näheren Umstände erfährt. Hier wird der Journalismus seiner Informationsaufgabe gerecht, wenn er die Behinderung m. E. erwähnt.
Man muss die Kirche schon im Dorf lassen und den gesunden Menschenverstand walten lassen, denn mit Hilfe des Mitgefühls lässt sich die Welt verbessern.
Anton Sahlender, Leseranwalt
welche von der Problematik nicht betroffen sind.
Jeder Mensch, der sich als nicht perfekt betrachtet, muss dahin gelangen, sein Handicap als eine Herausforderung zu sehen, welche das Selbstwertgefühl stärken sollte.
Leider ist nicht allen Menschen mit einer Behinderung diese Gabe gegeben.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Ihre Zeitung hat eine Aufklärungspflicht.
M.Deeg
Das, was mdeeg hier schreibt, trifft voll und ganz zu und muss von den Verantwortlichen der Mainpost geändert werden, sollte man sich die Glaubwürdigkeit dieser Zeitung zum Ziel gesetzt haben!
2. Was bitte sind "unterstellende Festtagswünsche"? Unterstellend könnte je nach Sichtweise möglicherweise seine Behauptung sein; o.k., das kann man zu Ihren Gunsten so sehen, aber doch nicht seine Wünsche, von denen ich nicht sicher bin, ob Sie Ihnen galten oder der gesamten Leserschaft.
Ich gehe gerne auf Begründungen ein, mag aber auf einfach so hingeworfene Behauptungen und Unterstellungen eigentlich schon nicht mehr reagieren...
War wahrscheinlich ein Fehler, überhaupt zu anworten.
Anton Sahlender, Leseranwalt
In diesem Sinne auch von mir: Frohes Fest und guten Rutsch!
P.S.: Einen (ich hoffe gut) bezahlten Job darf (und will) ich leider nicht mehr übernehmen;-)
Guten Tag, frohes Fest und guten Rutsch!
Anton Sahlender, Leseranwalt