zurück
Der Leseranwalt: Nach Gewalttaten muss der Schutz von Opfern schon mit der Sprache in der Überschrift beginnen
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 10.12.2013 18:07 Uhr

Über Sprache und ihre Wirkung muss man sich immer wieder Gedanken machen, auch über vordergründig klare Titel wie „Behinderten ausgeraubt“ und „Raubüberfall auf Behinderten gesühnt“. Die standen in dieser Zeitung. Die beschriebene Tat kann schon nach dem Lesen der Überschriften Empörung auslösen.

Engagierte Leser, die den Fall gut kennen und sich für den überfallenen Menschen einsetzen, haben mir die Problematik dieser Titel auseinandergesetzt: Sie seien für den Mann fürchterlich gewesen. Sie hätten ihn noch einmal auf seine Behinderung festgelegt. Das habe ihn schwer getroffen.

Ich greife diese Kritik auf, weil mir versichert wurde, dass es nun auch im Interesse des Opfers liegt, offen mit den Gefühlen umzugehen, welche die Überschriften bei ihm ausgelöst haben. Dieser Beitrag soll ihn also kein weiteres Mal treffen, aber aufzeigen, dass es auch hier um Opferschutz geht. Er soll sensibilisieren und Redaktionen daran erinnern, wenn unter Zeitdruck schnell eine Überschrift entstehen muss.

Im vorliegenden Fall geht es um einen ins Arbeitsleben integrierten Menschen, der dort seinen Mann steht. Eine Behinderung sei bei ihm nicht gleich auszumachen, sagen Freunde, selbst wenn die Anklage sie als erkennbar dargestellt hat.

Grundsätzlich, so die Kritiker, erzeuge die Sprache eine Diskriminierung. Tatsächlich halte auch ich es für brutal, einen Menschen kurz als Behinderten zu bezeichnen und ihn so darauf zu reduzieren; das gilt unabhängig davon, ob die Behinderung augenfällig ist oder nicht.

Gegen die Kritik kann man argumentieren, dass die Rechtsprechung in der Strafbemessung einen Unterschied macht, wenn die Straftat an einem Menschen begangen wird, bei dem eine Behinderung erkennbar ist. Das zu beachten, ist freilich Sache der Richter. Dazu muss es in keiner Überschrift stehen – gerade weil die oft nur Platz für Kurzbegriffe oder Schlagworte bietet. Lange Formulierungen, etwa „Mann mit einer Behinderung“, sind da selten unterzubringen. Im Artikel kann man sensibler damit umgehen.

Ich halte aber fest: Mit den beiden Überschriften sollte der Mann nicht diskriminiert werden. Gute Absicht war es, die Schwere der Straftat sofort zu verdeutlichen. Empörung darüber erhöht erfahrungsgemäß die Zahl der Leser. Aber nicht alles, was gut gemeint und in der Sache nicht falsch ist, muss auch richtig sein.

Der Kodex des Presserates hält dazu unter anderem fest, dass bei der Berichterstattung über Gewalttaten das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer sorgsam abzuwägen ist.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Anton Sahlender
Behinderte
Gewaltdelikte und Gewalttaten
Leseranwalt
Raubüberfälle
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Apfelkorn
    Es gibt sie, die mit großer Schere ausgerüstet, sich ans Beet der Sprache wagen. Die einen schnippeln alle Anglizismen heraus, die anderen machen sich über solch harmlosen Wörter wie "negrid" und "behindert" her. Sie wollen alles kurz und klein schneiden und befinden sich letztlich doch in der Falle ihrer irrationalen Selbstlähmung und ihrer political correctness, welche sie wie eine Monstranz vor sich hertragen. Wenn harmlose termini technici politisch verstanden und umgedeutet werden, dann sind wir bereits jenseits von Eden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • sehr poetisch geschrieben, was das Ganze nicht unbedingt richtig macht.

    Hier lesen sehr viele "Normalbürger" (wie ich es bin) mit, da können Sie sich ruhig der deutschen Sprache bedienen, sollten Sie verstanden werden wollen.

    Ist nicht böse gemeint!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Apfelkorn
    Wut und Empörung empfinde ich für den, der einen Behinderten schikaniert.
    Die Behinderung eines Menschen löst in mir ein Mitgefühl aus, welches dem Betreffenden meine Solidarität versichert. Eine Erwähnung des Handicaps ist für mich noch keine Diskriminierung, sondern eher ein verstärkendes Moment, welches zum Verständnis beiträgt, dass sich da ein übler Bursche über einen in seiner Wehrhaftigkeit eingeschränkten Menschen hergemacht hat. Das sollte Strafmaß erhöhend wirken und das heimtückische Verhalten betonen. Natürlich sind der Opferschutz und die Diskretion in solchen Artikeln immer anzustreben, aber das richtige Verständnis beim Leser kann nur dadurch zustande kommen, dass man die Gesamtheit der näheren Umstände erfährt. Hier wird der Journalismus seiner Informationsaufgabe gerecht, wenn er die Behinderung m. E. erwähnt.
    Man muss die Kirche schon im Dorf lassen und den gesunden Menschenverstand walten lassen, denn mit Hilfe des Mitgefühls lässt sich die Welt verbessern.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • antonsah
    ... ich kann ihre Argumente sehr gut nachvollziehen. Ich betone aber, mir geht es nicht darum, die Behinderung in einem solchen Beitrag überhaupt nicht zu erwähnen. Ich wollte nur zeigen, wie es das Opfer getroffen hat, sich gleich so in der Überschrift wiederzufinden. Deshalb hätte ich es für besser gehalten, es nicht so in die Überschrift zu setzen.
    Anton Sahlender, Leseranwalt
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Apfelkorn
    Ihr brillanter Beitrag zum Rubrum "Leseranwalt" kann nur von denen bemängelt werden,
    welche von der Problematik nicht betroffen sind.
    Jeder Mensch, der sich als nicht perfekt betrachtet, muss dahin gelangen, sein Handicap als eine Herausforderung zu sehen, welche das Selbstwertgefühl stärken sollte.
    Leider ist nicht allen Menschen mit einer Behinderung diese Gabe gegeben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • antonsah
    ... muss ich ihre begründungslose Behauptung verstehen, die Sie mir wie eine Keule im Geschenkpapier präsentieren? Ich warte auf begründete Kritik. Aber auf solche unterstellenden Festtagswünsche kann ich verzichten...
    Anton Sahlender, Leseranwalt
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • mdeeg
    ...an dieser Zeitung und (an den Institutionen in Würzburg) im Nirvana verschwindet und offenbar nun immer großzügiger einfach Kommentare hier nicht gebracht werden, sind Sie der letzte, der sich über "begründungslose Behauptungen" beschweren sollte!

    Ihre Zeitung hat eine Aufklärungspflicht.

    M.Deeg
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • mal voll und ganz zustimmen!

    Das, was mdeeg hier schreibt, trifft voll und ganz zu und muss von den Verantwortlichen der Mainpost geändert werden, sollte man sich die Glaubwürdigkeit dieser Zeitung zum Ziel gesetzt haben!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • 1. Also ich seh des so, dass sie/er das ganze vielleicht gar nicht so bierernst gemeint und nur sein von ihr/ihm gewohntes Grinsköpfchen ( zwinkern ) vergessen hat. Möglicherweise wollte er nach Monaten auch wieder mal nur paar Kommentare in dieser Rubrik anschieben und sehen?!
    2. Was bitte sind "unterstellende Festtagswünsche"? Unterstellend könnte je nach Sichtweise möglicherweise seine Behauptung sein; o.k., das kann man zu Ihren Gunsten so sehen, aber doch nicht seine Wünsche, von denen ich nicht sicher bin, ob Sie Ihnen galten oder der gesamten Leserschaft.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • die (bisher 5) "gefällt" würde ich auch nicht ganz übersehen ..............
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • nach nochmaligem Lesen erlaube ich mir die Frage, ob Sie vielleicht gar der Meinung sind, er (der Erstkommentator) nimmt im Grunde genommen weder die Zeitung, noch ihn wirklich ernst? Eigentlich kaum zu glauben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • antonsah
    ... mit ihrem ausgeleichenden Wesen können Sie bald mal meinen Job übernehmen... zwinkern Es gab eine Unterstellung und danach die Festtagswünsche, deshalb habe ich die gesamte Kommentierung von @glaubt-nicht-alles als "unterstellende Festtagswünsche" zusammengefasst. Das wurde sozusagen zur Keule im Geschenkpapier.
    Ich gehe gerne auf Begründungen ein, mag aber auf einfach so hingeworfene Behauptungen und Unterstellungen eigentlich schon nicht mehr reagieren...
    War wahrscheinlich ein Fehler, überhaupt zu anworten.
    Anton Sahlender, Leseranwalt
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • mal nicht zu reagieren ist manchmal die beste Reaktion.
    In diesem Sinne auch von mir: Frohes Fest und guten Rutsch!
    P.S.: Einen (ich hoffe gut) bezahlten Job darf (und will) ich leider nicht mehr übernehmen;-) zwinkern
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • beinhaltet meiner Erfahrung das Gehalt eines solchen "Prellbock"-Jobs, wie er m.E. der Ihrige darstellt, immer auch einen gewissen Anteil an "Schmerzens"-Geld. Darum denke ich - allerdings ohne Ihnen ratend zu nahe treten zu wollen - Sie sollten solche nie ganz zu verhindernden Einwürfe halt ganz einfach (schweigend zwinkern ) aushalten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Ich konstatiere - nach kurzer Stippvisite in der Heimat und kurz vor der Abreise - dass Herr Sahlender immer noch in erster Linie der Anwalt "seiner" Zeitung bzw. seiner Kollegen ist.
    Guten Tag, frohes Fest und guten Rutsch!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • daran hat sich wirklich nichts geändert. Hauptziel des Leseranwalts ist es leider nach wie vor, die Arbeitsweise seines "Arbeitgebers" zu rechtfertigen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • antonsah
    ... hier ist eindeutig Kritik geübt ... Und ich bleibe dabei, hinter der Überschrift steckt keine diskriminierende Absicht...
    Anton Sahlender, Leseranwalt
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten