
Vom 17. bis 24. März ist die Internationale Woche gegen Rassismus angesagt. Ihr Motto: "Menschenrechte für alle". Darauf hat mich die Würzburger Koordinierungsstelle des Bundesprogramms "Demokratie leben" hingewiesen. Den Hinweis gebe ich hier über Würzburg hinaus an alle weiter. Dürfen derzeit doch Grundsätze der Verfassung vermehrt als bedroht angesehen werden.
Die gilt es aber immer zu verteidigen, gerade im Journalismus und in den Medien. So fällt mit Blick auf Rassismus eine aktuelle öffentliche Rüge des Deutschen Presserates auf.
Ein Mittelstürmer, der eingebürgert werden soll
Als seine härteste Sanktion hat der Presserat diese Rüge Ende 2023 gegen das Online-Portal bild.de ausgesprochen (Aktenz. 0772/23/1-BA). Der Autor einer Fußball-Kolumne hatte sich in dem Medium unter dem Titel "FC Bayern: Julian Nagelsmann muss Mathys Tel einbürgern" dafür ausgesprochen, den Mittelstürmer einzubürgern. Er solle in der deutschen Nationalmannschaft spielen können. Hoffnungsvoll, aber voll daneben argumentierte der Autor dazu: "Das Gute vorweg: Tel ist gar kein reinrassiger Franzose, seine Eltern stammen von der Karibik-Insel Guadeloupe, einem Übersee-Department."
"Reinrassig": Wortwahl eine Diskriminierung des Spielers
"Reinrassiger Franzose", das ist die Einordnung eines Menschen, die zur Beschwerde und Sanktion des Presserates führen musste. Sie diskriminiere den betroffenen Spieler, urteilte dieser. Denn niemand, so will es der Pressekodex in Ziffer 12, dürfe wegen einer Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.
Auch Grenzen der Meinungsfreiheit sieht der Presserat hier als überschritten an. Legt man diesem Vorwurf der Presseräte einen Aufsatz von Mathias Hong aus 2020 bei der Bundeszentrale für politische Bildung zugrunde, dann lässt er sich auch damit begründen, dass Tel in seiner Menschenwürde angegriffen wurde. "Reinrassig" findet seine Verwendung im Wörterbuch alleine im Tierreich.
Verlag argumentiert: Synonym für "gebürtig" oder "waschecht"
Was der Verlag zu der Passage des Online-Artikels, die von ihm gelöscht wurde, erklärt, muss nicht unbedingt in Zweifel gezogen werden. In seiner Stellungnahme räumt der Verlag ein, die Wortwahl "reinrassig" möge hierzulande aus historischen Gründen kritisch zu sehen sein. Bezüge, etwa zu nationalsozialistisch-rassistischem Gedankengut, gebe es aber keine. Das Adjektiv stehe lediglich als Synonym für "gebürtig" oder "waschecht", nicht wie eine Rassen-Lehre ausgrenzend.
Im Gegenteil: Der Autor schwärme von dem Spieler. Er wolle seine Einbürgerung. Außerdem, habe der Artikel einen satirischen Charakter. Tatsächlich hat sich mittlerweile zumindest gezeigt, wie unrealistisch die Idee in der Kolumne war.
Todsünde: Einen Begriff leichtfertig genutzt
Die Erklärung des Verlages mag plausibel klingen. Und absichtlichen Rassismus möchte dem Autor wohl niemand unterstellen. Zumal ihm nicht entgangen sein kann, dass gerade in Fußball-Stadien unterstützt auch von Fan-Projekten immer wieder demonstrativ Position gegen Rassismus und Ausgrenzung bezogen wird.

Allerdings ist für den vorliegenden Fall festzuhalten, dass hier in einem Medium ein Begriff, der Grundrechte berührt, mindestens leichtfertig und dabei falsch genutzt wurde. Das darf man als journalistische Todsünde betrachten. Denn "reinrassig" hat im Zusammenhang mit Menschen eine schlimme Bedeutung. Nur wenn die erklärt wird, kann das Wort eingesetzt werden. Und bei Tel gibt es andere, wirklich zutreffende Wörter für seine Herkunft.
Nachhaltiges Urteil des Presserates
So hat der Presserat gerade mit Blick auf latenten und auch wiederholt offen auftretenden Rassismus nachhaltig und vorbeugend geurteilt. Dabei die Bedeutung von Sprache mit in den Fokus zu rücken, stärkt auch das Bewusstsein für Menschenrechte.
"Sprache beschreibt, definiert und organisiert unsere Welt", heißt es dazu bei der Heinrich Böll Stiftung. Beitragen zum Kampf gegen Rassismus und für Menschenrechte können alle - siehe demokratie-leben.de oder: stiftung-gegen-rassismus.de.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.
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