LESERANWALT
Ein Eingeständnis wäre gut gewesen
Gelegentlich stehen in Leserzuschriften Fragen zur redaktionellen Arbeit oder man liest Kritik daran. Doch eine direkte Antwort oder Erklärung der Redaktion bleibt aus. Das gilt besonders für die gedruckte Zeitung, zuweilen aber auch für das digitale Angebot. Diese fehlende Interaktion stört mich. Sie auch …?
Ich antworte heute nachträglich: Ja, sie hat unsauber gearbeitet. Und es wäre gut gewesen, dieses Eingeständnis gleich an den Leserbrief anzufügen.
Zitate in Anführungszeichen müssen wort- und sinngetreu mit Quelle wiedergegeben werden. Sie dürfen nicht (wie in diesem Fall) pauschaliert werden. Das geht auch dann nicht, wenn man meint, dass wegen mehrerer Punkte ein Programm als Ganzes das Grundgesetz verletze. Wenn man den Artikel liest, findet sich als mögliche Quelle dafür nur der Justizminister, dem man das so nicht in den Mund legen darf. Denn es handelt sich schon um eine Wertung.
Ich selbst lege Wert auf die Feststellung, dass das eine journalistisch handwerkliche Bewertung gewesen ist, keine politische. Das gilt ebenso für die nun noch folgende Erklärung.
Darauf antworte ich wie so oft: Leserbriefe sind Meinungsbeiträge ihrer Absender. Diesen Status behalten sie sogar meist dann, wenn sie sprachlich daherkommen, als würden sie Wirklichkeit schildern. Und wer für Orbán schreibt, überschreitet beileibe noch keine Grenze. Ich empfehle, es als Beweis redaktioneller Neutraliät, Unabhängigkeit und Überparteilichkeit zu sehen, wenn hier auch solche Meinungen erscheinen, die auf starke Ablehnung stoßen.
Weitere Leseranwalt-Kolumnen zu Leserbriefen (hier anklicken):
"Leser- oder Nutzerkommentare sind keine redaktionelle Unterstützung einer Meinung oder Person" (2016)
"Volkes Meinung wird nicht unbedingt in veröffentlichten Leserbriefen deutlich" (2012)
"Warum es in der Redaktion selten nur eine Meinung geben kann" (2015)
"Auch wenn Leser mal Klartext schreiben, müssen Tatsachen nachweislich wahr und richtig sein" (2012)
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Omubudsleute:
www.vdmo.de
Unsauber gearbeitet
Als Beispiel nenne ich den Leserbrief von Herrn H.S. ( Zitat nach Wunsch? ) zu einem Artikel vom 11.9. mit der Überschrift: „AfD-Programm verletzt Grundgesetz“. Der Brief war am Samstag, 17.9.17, in der Zeitung veröffentlicht (siehe abgebildete Kopie). Darin äußert H.S. den Verdacht, dass die Redaktion bei der Überschrift unsauber gearbeitet hat.Ich antworte heute nachträglich: Ja, sie hat unsauber gearbeitet. Und es wäre gut gewesen, dieses Eingeständnis gleich an den Leserbrief anzufügen.
Maas hat das so nicht gesagt
Und darum geht es: Im Artikel auf der Titelseite vom 11.9. (siehe beigefügte Kopie) liest man, dass Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) der AfD vorgeworfen habe, „in mehreren Punkten ihres Wahlprogramms gegen das Grundgesetz zu verstoßen“. Diese Maas‘-Aussage deckt aber nicht die als Zitat in Gänsefüßchen gestellte Schlagzeile „AfD-Programm verletzt Grundgesetz“. Denn so hat das Maas nicht gesagt. Und eine andere Quelle als der Justizminister wird weder in der Überschrift noch im Artikel erkennbar.
Wort- und sinngetreu wiedergeben
Zitate in Anführungszeichen müssen wort- und sinngetreu mit Quelle wiedergegeben werden. Sie dürfen nicht (wie in diesem Fall) pauschaliert werden. Das geht auch dann nicht, wenn man meint, dass wegen mehrerer Punkte ein Programm als Ganzes das Grundgesetz verletze. Wenn man den Artikel liest, findet sich als mögliche Quelle dafür nur der Justizminister, dem man das so nicht in den Mund legen darf. Denn es handelt sich schon um eine Wertung.
Handwerkliche Bewertung
Dass sich die Redaktion hier das „Zitat nach Wunsch zusammengebosselt“ hat, wie es Herr H.S. vermutet, denke ich nicht. Als Indiz, dass man das nicht unterstellen muss, mag die Tatsache stehen, dass Maas im Text korrekt zitiert ist.Ich selbst lege Wert auf die Feststellung, dass das eine journalistisch handwerkliche Bewertung gewesen ist, keine politische. Das gilt ebenso für die nun noch folgende Erklärung.
Beweis von Unabhängigkeit
Am 13.9. erschien ein Leserbrief unter dem Titel: Ein kluger Mann, der Herr Orbán (hier auch online). Damit, so kritisert Leser P.G.K., sei eine Grenze überschritten. Er fragt: „Wie kann Ihr Blatt einen Menschen, der zur Sicherung seiner Macht die staatlichen Rechtsschutzgarantien Ungarns mehr und mehr aufheben und die persönlichen Freiheitsrechte seiner Bevölkerung immer mehr einschränken will und soeben erst mit der Klage seines Landes gegen die Pflicht zur europäisch-solidarischen Aufnahme von Flüchtlingen krachend gescheitert ist, derart hofieren?“Darauf antworte ich wie so oft: Leserbriefe sind Meinungsbeiträge ihrer Absender. Diesen Status behalten sie sogar meist dann, wenn sie sprachlich daherkommen, als würden sie Wirklichkeit schildern. Und wer für Orbán schreibt, überschreitet beileibe noch keine Grenze. Ich empfehle, es als Beweis redaktioneller Neutraliät, Unabhängigkeit und Überparteilichkeit zu sehen, wenn hier auch solche Meinungen erscheinen, die auf starke Ablehnung stoßen.
Weitere Leseranwalt-Kolumnen zu Leserbriefen (hier anklicken):
"Leser- oder Nutzerkommentare sind keine redaktionelle Unterstützung einer Meinung oder Person" (2016)
"Volkes Meinung wird nicht unbedingt in veröffentlichten Leserbriefen deutlich" (2012)
"Warum es in der Redaktion selten nur eine Meinung geben kann" (2015)
"Auch wenn Leser mal Klartext schreiben, müssen Tatsachen nachweislich wahr und richtig sein" (2012)
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Omubudsleute:
www.vdmo.de
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