Demonstrativ, im Blitzlichtgewitter der Presseleute, hat er das Messingkreuz Ende April in den Eingang der Staatskanzlei gehängt. Es war der Tag, an dem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seine Anordnung erließ, wonach „im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen ist.“
An diesem Freitag tritt die Kreuzpflicht für staatliche Behörden in Kraft. Vielerorts wurden in den vergangenen Tagen noch flugs Kreuze hingenagelt.
Söder inszeniert sich als Verteidiger des christlichen Abendlandes
Wer um Söders Inszenierungskünste weiß, konnte nicht zweifeln: Hier geriert sich einer, frisch im Amt, plakativ als Verteidiger des christlichen Abendlandes – indem er das religiöse Symbol instrumentalisiert und verstaatlicht. Als gebe es in diesem Land kein Neutralitätsgebot, sondern eine Staatsreligion – womit der Erlass so gut wie sicher vor dem Verfassungsgericht landen dürfte.
Söder schert sich um derlei rechtstheoretische Bedenken nicht. Er genießt die Provokation in Manier des wadlbeißenden Ex-CSU-Generalsekretärs und verwechselt die Rollen. Als Ministerpräsident sollte er Menschen zusammenführen. Er sollte integrieren, nicht ausgrenzen und spalten.
Doch genau dies geschieht mit einem Kreuzzug, der nichts anderes ist als ein politischer Schachzug – auf dass das Kreuz am 14. Oktober auf dem Wahlzettel bei der CSU lande und nicht bei den Rechtspopulisten. Statt diesen inhaltlich die Stirn zu bieten, beteiligt sich Söder an der Scharfmacherei.
Angst vor Aufruhr? Wissenschaft und Kunst nicht unter dem Kreuz
Dass er dafür ein urchristliches Symbol säkularisiert und in seiner Bedeutung banalisiert – das lässt auch Kirchenleute zürnen, voran Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Überzeugte Christen verwahren sich gegen die politische Vereinnahmung – und sprechen es laut aus. Dieser Tage erst mit einem Offenen Brief und einer Online-Petition an die CSU. Die Botschaft: Christliche und soziale Politik muss sich an Taten messen lassen, nicht an aufgehängten Kreuzen.
Wenn, wie ein aktueller Fall in Niederbayern, eine hochschwangere Geflüchtete zwei Tage vor dem Mutterschutz abgeschoben werden sollte – dann werden christliche Werte mit Füßen getreten.
Sorge vor einer Eskalation an Hochschulen und Theatern
Mit der Entrüstung aus Kirchenkreisen hatte Söder wohl nicht gerechnet. Schon eher mit dem Widerstand freiheitsliebender und -verpflichteter Einrichtungen wie Hochschulen, Theater und Museen. Verwaltungsrechtlich gelten auch sie als staatliche Behörden. Aber studieren unterm Kreuz? Die Freiheit der Kunst unterm Kreuz?
Wochenlang ist man in München herumgeeiert und ließ Betroffene im Unklaren. Vermutlich ahnte und fürchtete Söder die Eskalation, zu der eine Kreuzpflicht an Unis und Theatern geführt hätte. Studierendenvertretungen hatten vorsorglich protestiert, auch die Leiterin des Neuen Museums in Nürnberg.
Stille Post statt offizielle Information durch Ministerien
Einen akademischen Flächenbrand aber können Söder und die CSU vor der Landtagswahl nicht gebrauchen. Also wurde die Kreuzpflicht für Hochschulen, Theater und Museen kurzerhand in eine Kreuzempfehlung abgemildert– angeblich abgestimmt zwischen Staatskanzlei, Innen- und Wissenschaftsministerium. Der Ball liegt damit bei jeder einzelnen Einrichtung.
Dabei soll die Regelung nicht kontrolliert oder überwacht werden. Was ebenso wenig für Seriosität und Ernsthaftigkeit in der Sache spricht wie die Nichtkommunikation: Statt Hochschulen, Theater und Museen über ihre „Entpflichtung“ zu unterrichten, überließ man dies dem „Flurfunk“ oder eben der stillen Post. Chefs von Hochschulen und Museen erfuhren teils erst durch Recherchen der Redaktion vom Empfehlungscharakter.
Versuch eines lautlosen Teil-Rückzugs
Was hinter diesem Wegducken steckt? Vermutlich Söders Sorge, sich mit einer Rolle rückwärts zu blamieren. Und wer Einrichtungen der Wissenschaft und Kunst vom Kreuz befreit, gesteht ein: Es handelt sich um mehr als ein reines Folkloreobjekt.
O.k., die Marschroute, das Thema bis zur Wahl am Köcheln zu halten mag vielleicht auch noch mitspielen.....
Und das ist meine Meinung!