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Würzburg
Samstagsbrief: Sind Sie ein Krisengewinner, Herr Schiedermair?
Apotheker haben im Coronajahr viele Zusatzaufgaben übernommen und dafür Missgunst geerntet. Unsere Autorin findet das nicht gerecht, sagt lieber Danke - und erklärt warum.
Wolfgang Schiedermair ist der Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands für Würzburg. Besonders stark nachgefragten Produkten wie FFP2-Masken jagt er auch mal auf unkonventionellen Wegen nach. 
Foto: Thomas Obermeier | Wolfgang Schiedermair ist der Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands für Würzburg. Besonders stark nachgefragten Produkten wie FFP2-Masken jagt er auch mal auf unkonventionellen Wegen nach. 
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:48 Uhr

Sehr geehrter Herr Schiedermair,

Sind Sie ein Depp der Nation? Oder ein Krisengewinnler? Ich bin mir gerade nicht sicher, wie ich Sie, den Sprecher der Würzburger Apotheker, titulieren soll. Denn einerseits hat Ihre Branche im ersten Coronajahr in Deutschland einen Rekordumsatz von 56,7 Milliarden Eurogemacht und damit gut zwei Milliarden mehr erwirtschaftet als im Jahr davor. Offenbar ließ sich gerade mit Corona-Produkten Geld verdienen – mit FFP2-Masken oder Schnelltests zum Beispiel.

Sie, Herr Schiedermair, haben es ja selbst gesagt, als ich kürzlich in Ihrer Apotheke vorbeigeschaut habe: Dass gerade am Anfang der Pandemie Hersteller für eine einzige, lumpige FFP2-Maske den irrwitzigen Preis von 15 oder 18 Euro verlangt hätten. Natürlich haben Apotheker diese Preise dem Kunden weitergegeben, vermutlich mit Beschaffungszuschlag obendrauf. Aber kann man Ihnen das verdenken? Sind Sie damit schon ein schäbiger Nutznießer der Pandemie?

Warum ein Apotheker rein beruflich mit einem Sexspielzeughersteller verhandelt hat

Ich höre Sie seufzen. Und erinnere mich an eine Ihrer Beschaffungsgeschichten: Wie Sie zu Krisenbeginn auf der Suche nach FFP2-Masken das Internet durchstöbert haben. Die üblichen Lieferanten von Schutzartikeln hatten Sie schon durchtelefoniert, vergeblich. Wie Sie dann auf eine Firma stießen, mit der Apotheken sonst weniger verhandeln –nämlich auf einen Hersteller von Sexspielzeug. Wie Sie von dieser Firma dann 500 FFP2-Masken, "alle voll okay und zertifiziert!“ , kaufen konnten und sich wahnsinnig freuten über den größten Maskenposten, den Sie für Ihre Kunden je ergattern konnten.

Sie als Inhaber einer Apotheke haben solche Lieferanten-Suchen und Masken-Jagden per Internet häufig am Wochenende oder am Abend durchgeführt. Tagsüber waren Sie für die stark verunsicherten Patienten da. Klingt nach 70-Stunden-Woche. Vielleicht also doch nicht nur Krisenprofiteur?

Ist es die Schuld der Apotheker, wenn sie für Impfnachweise mehr Geld bekamen als Ärzte?

Man muss, wenn angesichts des Rekordumsatzes Ihrer Branche die Vorwürfe des Krisengewinnlertums immer lauter werden, sehen, dass Sie und Ihre Kollegen sich um die Zusatzgeschäfte durch die Pandemie nicht gerissen haben. Sondern dass Sie teilweise diese Zusatzaufträge vom Bundesgesundheitsminister aufgedrückt bekommen haben. Etwa was die Verteilung kostenloser Masken an Ältere, die Durchführung von Schnelltests oder aktuell die Digitalisierung von Impfnachweisen betrifft.

Wenn Ihre Branche für diese Impfnachweise in den ersten Tagen besser entlohnt wurde als etwa die Hausärzte in den Praxen – ist das dann die Schuld der Apotheker? Oder liegt das nicht eher in der Zuständigkeit des Ministeriums?

Warum eine Apothekerin ungeimpft zu Corona-Patienten nach Hause fuhr

Wenn ich über die Rolle der Apotheker in der Pandemie nachdenke, dann denke ich nicht nur an Inhaber, die von Zusatzaufgaben finanziell profitieren konnten. Sondern ich denke auch an die vielen angestellten Mitarbeiter, an die Helferinnen und Helfer, die zumindest nach meiner Wahrnehmung in der Krise gerödelt haben wie nie zuvor. Und die deshalb noch lange nicht mehr verdient haben.

Ich kenne eine Apothekerin, die oft diejenigen beraten hat, die entweder in Corona-Quarantäne waren oder an Corona erkrankt. Menschen also, die furchtbar Angst hatten und dringend Hilfe brauchten. Gerade im Winter-Lockdown, als die Infiziertenzahlen auch in unserer Region sehr hoch und die Temperaturen draußen sehr niedrig waren, ist diese Apothekerin von Haus zu Haus gefahren, mit speziellem Asthmaspray in der Tasche und mit anderen Präparaten, die den Gefährdeten helfen sollten.

Per Mail, über Apps, übers Telefon, je nach Alter der Patienten, hatte sie vorher ausgemacht, wo die Medikamente abgelegt werden sollten: "Dritter Stock, zweite Tür, neben der Fußmatte“. So wie es diese Apothekerin erzählt, hat sie die Patienten übers Handy an der Haustür beraten, manchmal musste sie, selbst ungeimpft, auch in die Wohnung rein. "Weil manche Leute mit der Handhabung des Asthmasprays nicht allein zurechtkamen.“

Nur wenige Branchen haben im Coronajahr dauerperformt

Aus Sicht dieser Apothekerin war das Coronajahr das anstrengendste Berufsjahr ihres Lebens. So viele neue, zusätzliche, belastende Aufgaben – und alle von jetzt auf gleich. Mittlerweile hat sich die Corona-Lage  ja entspannt. Aber es gab Monate im ganz harten Lockdown, da hatte der Bürger den Eindruck, dass nur wenige Geschäfte dauerfunktionierten: die Discounter. Und gleich danach: die Apotheken.

Herr Schiedermair, das wollte ich Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen nur mal sagen.

Mit freundlichen Grüßen,

Gisela Rauch, Redakteurin

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