Sehr geehrter Herr Reiser,
lassen wir das Amuse-Gueule weg, sparen wir uns die Vorspeisen und langen Vorreden – kommen wir gleich zum Hauptgang. Sie meinten das so, oder? Also so wirklich? Oder war es doch nur der überschwängliche Marketing- und PR-Sprech Ihrer Bamberger Text-Konzept-Agentur?
Die Mitteilung an die Medien lautete: Bernhard Reiser wird sich in den kommenden 12 Monaten von seinem "Restaurant REISERS am Stein" in Würzburg verabschieden. Dann wurden Sie gleich wörtlich zitiert, mit diesen Sätzen: "Viele gute Ideen wurden hier geboren und weiterentwickelt, wir haben so manche gastronomische Revolution losgetreten, wir haben kulinarische Entwicklungsarbeit in Franken geleistet, wir hatten großartige Menschen zu Gast und es war eine sehr erfüllende Zeit für mich als Koch und Unternehmer."
Frankens Esserinnen und Esser in die Zivilisation geführt
Wow! Wer das las und gerade in einen Kipf biss, musste aufpassen, dass er sich nicht verschluckte. Manche gastronomische Revolution losgetreten? Kulinarische Entwicklungsarbeit geleistet? Das hatte Zeug zum kleineren Hustenanfall, auch ohne trockenes Brötchen.
Die Meldung dieser Redaktion über Ihren zwölf Monate langen Abschied wurde entsprechend kommentiert. "Na, da danken wir doch dem Herrn Reiser, dass er uns endlich in die Zivilisation geführt hat! Inzwischen essen wir in Franken jetzt endlich mit Messer und Gabel!", schrieb einer. Ein anderer zeigte sich froh, dass Sie das Feuer nach Unterfranken brachten und seitdem das Fleisch nicht mehr roh gegessen werden muss.
Sagen wir mal so: Kulinarische Entwicklungsarbeit in Franken hat vor 70 Jahren jemand geleistet. Nicolino di Camillo, der Mann aus den Abruzzen, der bei der US-Armee gekocht hatte, in Würzburg die "Bier- und Speisewirtschaft Capri" eröffnete und die Pizza nach Deutschland brachte. Und Revolutionen? Große Worte. Verzeihung, aber das klingt doch a weng . . . überwürzt arrogant.
Bratwurst mit Kraut, Kesselfleisch, Schäufele und Kloß mit Soß
Man muss nun nicht die Lobrede auf Blaue Zipfel im Essig-Zwiebel-Sud schwingen. Muss kein Kesselfleisch und kein Schäufele mögen und auch nicht dem Kloß huldigen mit seiner Soß'. Man braucht nicht mit Bratwürsten und Kraut großgezogen worden zu sein - und nicht mal hier in der Region aufgewachsen - um eine kleine Gegen- und Verteidigungsrede für geboten zu halten.
Was Frankens Küche samt deftiger Genüsse betrifft – Sie meinen, die war vor Ihrer Zeit nur schwere Kost? Auch in anderen Landstrichen dieser Republik haben viele Wirtshäuser vor einem Vierteljahrhundert unter Salat noch die Gurkenscheibe neben dem Schnitzel verstanden und eine Dose grüner Bohnen geöffnet, wenn man nach was fleischfrei Frischem fragte.
Michelin-Sterne für unterfränkische Köche und Restaurants - auch schon vor dem Stern am Stein
Die Küche des Bad Kissinger Gourmetrestaurants Laudensack – weil leicht und mediterran - bedachte der Guide Michelin jedenfalls vor mehr als 20 Jahren schon mit einem Stern. Michael Philipp in Sommerhausen hat gerade zum 19. Mal den Michelin-Stern erhalten, die anderen Kochmützen, Hauben, Bestecke, Pfannen, Punkte in Restaurantführern gar nicht mitgezählt. Und ins traditionsreiche Würzburger Fischrestaurant Schiffbäuerin kamen früher schon die Leute für Karpfen und Waller bis aus Frankfurt oder München. Die Wirtsleute Roswitha und Rolf Dürr bewirten übrigens just an diesem Samstag ein allerletztes Mal ihre Gäste mit den sorgsam gegarten Fischen und dem schlotzigen Kartoffelsalat – da endet wirklich eine gastronomische Ära.
Man müsse wissen, "das kulinarische Interesse der Gäste in Franken war damals allerdings nicht so gut entwickelt wie heute", werden Sie in Ihrer Pressemeldung zum Abschied vom Restaurant am Würzburger Stein weiter zitiert. Eine "Herausforderung" sei das vor 20 Jahren gewesen, die sie "sehr erfolgreich gemeistert" hätten.
Herr Reiser, vielleicht ist das mit der Entwicklungshilfe gar nicht überheblich gemeint? Sondern Ihrer schieren Umtriebigkeit und Geschäftstüchtigkeit geschuldet? Oder ist es jene "Ironie der Vorurteile", die Sie sich selbst mit Allgäuer "Schmunzeln" in Ihrem "Der Schicki-Micki-Koch"-Buch zuschreiben? Und alle, die die fränkische Küche früher schon mochten und immer noch die "Geknickte mit" vom Knüpfing am Würzburger Marktplatz für den höchsten aller Genüsse halten, haben Ihr Selbstlob nur in den falschen Hals bekommen und den Witz "aifach" nicht kapiert?
Neues Restaurant am Würzburger Marktplatz: Sind Austern "aifach"?
In den Gasthäusern der Region gibt’s inzwischen zum Fleischküchle mit Kartoffelpüree auch mal Saiblingsravioli mit feiner Schwarzwurzelsahne. Und wenn mit Revolutionstätigkeit gemeint ist, dass Sie in Ihrem neuen kulinarischen Treff mitten in der Stadt – "Wir kochen jeden Tag, was der Markt hergibt" – Nordseekrabbensalat und Austern à fünf Euro servieren? Geschmackssache.
Was Süßes zum Abschluss? Ihre " Drei im Weck " beim Steinpfad-Spaziergang, die fanden manche richtig gut.
Mit freundlichen Grüßen,
Alice Natter, Redakteurin
Das stellt doch keiner in Abrede und geht doch auch an dem Anliegen des Samstagsbriefs von Frau Natter und dem der Kommentare vorbei.
Ich persönlich z.B. wünsche Herrn Reiser weiterhin viel Erfolg (wie auch anderen Gastronomen/-innen) gerade in dieser schwierigen Zeit. Seine Kochkunst und Innovationen hat doch auch hier keiner/keine bestritten - und auch Frau Natter nicht.
Aber darum ging es doch auch nicht. Es ging unter anderem um folgende Äußerung von Herrn Reiser " haben kulinarische Entwicklungsarbeit in Franken geleistet".
Vorsichtig gesagt, dass kann man auch anders sehen, ohne "neidisch" oder "geschmacklos" oder sonst wie böswillig zu sein.
Nichts für ungut!
wenn der Gepries'ne selbst mit Lob sich ehrt."
nach meiner Einschätzung ein ganz hervorragender Brief.
In einem Punkt bin ich jedoch anderer Meinung:
Sie führen als Belege für die schon vor Herrn Reiser vorhandene entwickelte fränkische Gastronomie nur Beispiele an, die ebenfalls ausgefallene Gerichte anbieten.
Eine gute, gehobene Gastronomie kann sich aber gerade auch dadurch auszeichnen, gerade regionale Gerichte wie Bratwürste, "Kloß mit Soß", Sauerbraten, etc. qualitativ hochwertig zuzubereiten!
Und da gibt es noch ganz viele andere Lokale, die dazu in der Lage sind.
Und ein echter Spitzenkoch sollte es auch hinbekommen mit einem Sauerbraten oder Krenfleisch einen Michelin Stern zu erkochen. Dass das nicht einfach ist, das ist mir klar.
Das ist schon komplizierter als eine eklige Auster zu öffnen.
Ein Super-Start ins Wochenende: den Nachruf auf Reiser am Stein konnte man beim Frühstück am Samstag nicht einfach überfliegen, den musste man schön langsam genießend lesen. Da war jede Zeile die Abo-Gebühr für den Mai wert. Einzige Einschränkung. Die Main Post hat den selbsternannten Gastro- Missionar, der Gästen mit ausgedörrten Geschmacksknospen im Mund die kulinarische Frohbotschaft, bessere Zeiten und Gerichte verkündete, umfangreichst hochgejubelt, wann auch immer der das wollte .
Viele haben noch nicht kapiert, dass Sterneküche etwas zum Genießen ist und nicht zum satt essen.
Sie bleiben ja Gottseidank der Region Franken erhalten.
Zum Samstagsbrief gibt es nur eine Anmerkung:
Neid muss man sich verdienen, Mitleid bekommt man umsonst!
Satt auf hohem Niveau ist super satt.
Jede Region in Deutschland, auch das Allgäu aus dem Herr Reiser kommt hat seine mehr oder weniger typische, eher einfachere Küche! Und ich finde es unter aller Kanone diese zu verunglimpfen. So etwas hat auch mit Geschichte zu tun! Auch wenn man bestimmt Gerichte nicht mag oder diese als einfach empfindet gilt es diese zu respektieren! Jeder Koch der mit Herzblut bei der Sache ist hat ein Lob verdient, erst recht wenn er wirklich fränkisch kochen kann! Vielleicht ist Herr Reiser neidisch weil er das nie konnte?
1) Der Hype, speziell hier in der Main-Post, wird ja wohl von den Schreibenden selbst entfacht oder verfasst Herr Reiser die Artikel?
Ihm wird jeder Artikel für sein Geschäft dienen. Kostenlose Werbung! Er bedankt sich sicher wöchentlich bei Ihrer Zeitung.
2) Der Neid und Hohn, der aus einigen Artikeln spricht, ist wieder mal typisch...
Kann man einfach nicht mal jemanden seinen Erfolg, oder was auch immer gönnen?
Muss da immer Häme ins Spiel gebracht werden?