Zwei Tage vor der Premiere von "Gott" hatte die Katholische Akademie Domschule zu einem Abend der Begriffsklärungen geladen. Was ist gemeint mit "assistierter Suizid"? Was sind die juristischen, medizinischen, philosophischen und theologischen Aspekte? Vier Experten diskutierten zwei intensive Stunden lang. Hier sind ihre Kernaussagen.
Das sagt der Jurist
"Jede Gesellschaft hat ein großes Interesse daran, dass man sich nicht zu schnell seines Lebens entledigt", sagt Prof. Eric Hilgendorf. Suizid und die Hilfe dazu, also etwa das zur Verfügung Stellen eines tödlichen Medikaments, seien in Deutschland dennoch nicht strafbar. "Die Beihilfe zu einer Tat ist nur strafbar, wenn die Tat strafbar ist", so der Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik an der Universität Würzburg.
Nicht straffrei hingegen ist die Tötung auf Verlangen, also die aktive Handlung. Hilgendorf sieht derzeit weder Anzeichen einer Kommerzialisierung der Sterbehilfe, noch dafür, dass Druck auf ältere Menschen ausgeübt werde, etwa auf potenzielle Erblasser. Es gebe zwar in Deutschland kein Sterbehilfegesetz. "Aber die jetzigen Regelungen sind gar nicht so schlecht. Wenn jemand die jeweilige Situation adäquat beurteilen kann, dann sind es die Ärzte. Deshalb sehe ich derzeit keinen Bedarf für ein neues Gesetz."
Das sagt der Arzt
Die Medizin sei von ihrem Wesen her ausgerichtet, Leben zu erhalten und Leiden zu lindern, sagt Dr. Rainer Schäfer. Der Chefarzt der Abteilung für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Palliativmedizin am Klinikum Würzburg Mitte sieht das "Therapieziel Tod" als Paradigmenwechsel, der der Ärzteschaft große Probleme bereite. "Es gibt das Recht, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aber niemand kann gezwungen werden, diese Hilfe zu leisten."
Derzeit könne sich etwa ein Drittel der Ärztinnen und Ärzte vorstellen, assistierten Suizid zu leisten. Das sei aber keine Frage des Berufsethos: "Das ist immer eine individuelle Gewissensentscheidung." Schäfer unterscheidet drei Gruppen von Sterbewilligen: Menschen mit psychischen Erkrankungen (diese bedürften des besonderen Schutzes durch die Medizin); Menschen, die des Lebens überdrüssig sind – der sogenannte "Bilanzsuizid" (hier sei es schwer, die Motivation zu beurteilen) und unheilbar Erkrankte, die wegen unerträglicher Schmerzen sterben wollen.
Das sagt der Philosoph
Prof. Jörn Müller stört an der Debatte, dass Begriffe unscharf verwendet und logisch löchrige Argumentationen vorgebracht würden. "Beim Recht auf Selbsttötung muss man unterscheiden: Ist es ein Abwehrrecht oder ein Anspruchsrecht", so der Professor für Philosophie an der Universität Würzburg. Das Abwehrrecht bedeute, dass niemand am Suizid gehindert werden dürfe. Ein Anspruchsrecht hingegen würde die Pflicht bedeuten, einen Suizid zu unterstützen.
Starke Wertungen zeigten sich schon in der Sprache. Wer von "Selbstmord" spreche, impliziere eine Sünde, ein Verbrechen. Wer den Begriff "Freitod" verwende, stelle sich auf die Seite der Stoiker, die alle Wendungen des Schicksals mit Gelassenheit annehmen. Wie alle Referenten plädiert Müller für umfassende Beratung und Prüfung des Sterbewunschs durch Dritte, warnt aber davor, die Kriterien zu hoch anzusetzen: "Die sind irgendwann nicht mehr überprüfbar." Zudem habe die Selbstbestimmung des Einzelnen dort ihre Grenzen, wo sie in das Selbstbestimmungsrecht anderer eingreife, etwa der Ärzte.
Das sagt der Theologe
Prof. Jochen Sautermeister sieht das Leben als "fundamentales Gut". Nur in ihm seien "Lebensvollzüge" wie Freiheit, Beziehungsgestaltung oder Glaube möglich. Leben sei kein "absolutes Gut" – das würde etwa die Hilfe für andere ausschließen, die Handlungen von Märtyrern oder die Erlösung von unerträglichen Leiden, sagt der Inhaber der Lehrstuhls für Moraltheologie und Direktor des Moraltheologischen Seminars an der Universität Bonn.
Niemand aber dürfe sich unter Druck gesetzt fühlen, einen Sterbewunsch zu erfüllen. Der Kirche gehe es um "Hilfe beim Sterben, nicht um Hilfe zum Sterben". Die päpstliche Glaubenskongregation habe 2020 das Leben als "Gabe Gottes" definiert. Tatsächlich sei der Begriff "Gabe" deutungsoffen. Der Theologe plädiert für ein Suizidpräventionsgesetz: Es gehe darum, alles dafür zu tun, "dass das Leben als Gabe erfahrbar wird".
Hinweis: In einer früheren Version ist Prof. Hilgendorf mit der Formulierung "Beihilfe zum Suizid" zitiert. Tatsächlich sagte er "Hilfe zum Suizid". Wir haben die Passage entsprechend geändert.
Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern (0800) 111 0 111 und (0800) 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter www.telefonseelsorge.de. Die Fachstelle Suizidberatung - Unterstützung in kritischen Lebenssituationen am Kardinal-Döpfner-Platz 1 in Würzburg ist Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung geöffnet, Tel. (0931) 571717. Rund um die Uhr ist das Krisennetzwerk Unterfranken unter (0800) 6553000 zu erreichen.