Immer mehr Schülerinnen und Schüler in Bayern wählen Ethik- statt Religionsunterricht. Auch, weil selbst im katholisch geprägten Freistaat immer weniger Kinder und Jugendliche Mitglied der katholischen oder evangelischen Kirche sind. Im Schuljahr 2019/2020 gehörten noch 69 Prozent einer der beiden christlichen Kirchen an. Fast ein Drittel also war konfessionslos oder in einer anderen Religionsgemeinschaft.
Doch die Lehrerinnen und Lehrer, die im Ethikunterricht auf weltanschaulich neutrale Weise Werte vermitteln sollen, sind meistens gar nicht ausgebildet dafür. Über 90 Prozent würden fachfremd unterrichten, sagt der Würzburger Philosophieprofessor Jörn Müller.
Denn im Gegensatz zu anderen Bundesländern sah die bayerische Lehramtsprüfungsordnung Ethik bislang als vollwertiges Lehramtsstudienfach an den Universitäten gar nicht vor. Und das, obwohl Bayern 1972 als erstes Bundesland überhaupt einen Ethikunterricht eingeführt hatte. Wollten aber angehende Pädagogen dieses Fach unterrichten, mussten sie es bisher neben ihren üblichen Hauptfächern als Erweiterungsfach dazu nehmen. Die Anforderungen seien dadurch deutlich geringer ausgefallen, so Müller.
Seit 2016 an dem neuen Studiengang gearbeitet
Dies ändert sich vom Wintersemester 2021/2022 an. Dann können zumindest für das Lehramt an Gymnasien Philosophie und Ethik als grundständiges Fach in Kombination mit einem weiteren Fach (Lehramt Deutsch, Englisch, Latein oder Mathematik) für das erste Staatsexamen gewählt werden. Der Ethikunterricht solle Schülerinnen und Schülern ein werteinsichtiges Urteilen und Handeln unabhängig von religiösen Überzeugungen vermitteln, sagt Müller: "Unser Studiengang Philosophie/Ethik qualifiziert die künftigen Lehrkräfte dazu, diese ethisch-moralische Kompetenz auf der Basis eines vollwertigen Philosophiestudiums zu vermitteln."
2016 eröffnete der damalige Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) die Perspektive für ein Umgestaltung der Lehramtsprüfungsordnung. Zwei Jahre lang war Müller in der Beratungskommission für dieses neue Studienfach tätig. Nach weiteren drei Jahren sollen im Herbst nun endlich die ersten Studierenden beginnen können.
Doch zunächst nur an den Universitäten Würzburg und Eichstätt, die dann Ethik als grundständiges Studienfach für das Lehramt Gymnasium anbieten. Die anderen Universitäten in Bayern, an denen bislang Ethik als Erweiterungsfach studiert werden kann - Bamberg, Passau, Erlangen, München und Regensburg - halten sich noch zurück. Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge vor allem, weil für das neue Vollstudium kein zusätzliches Budget vorgesehen sei.
Für neuen Studiengang keine zusätzlichen Mittel
"Auch Würzburg muss den neuen Studiengang ohne zusätzliche Mittel stemmen", sagt Professor Jörn Müller. Aber er habe sich jahrelang für einen besseren Ethikunterricht stark gemacht und wolle jetzt seinen Beitrag dazu leisten. Er rechne mit 25 bis 30 Anmeldungen, die Studierenden könnten mit dem vorhandenen Personal gut betreut werden. Was fehle, sei eine Fachdidaktik-Professur. Für das Lehramt am Gymnasium könne man sich zunächst mit einem Didaktiker aus dem Schuldienst behelfen. Kämen Studienangebote für Realschule und Grund- oder Mittelschule dazu, "dann hätten wir ein Ressourcenproblem". Vor allem müsse dringend in ganz Bayern die Fachdidaktik für Ethik ausgebaut werden.
Schon jetzt seien über 300 der rund 900 Philosophiestudierenden in Würzburg Lehramtskandidaten, die Ethik als Erweiterungsfach hinzu genommen haben, sagt Müller. Mit dem neuen Studienangebot für Philosophie/Ethik habe die Universität nun bald "ein Alleinstellungsmerkmal in Nordbayern".