Der Schauspieler und Regisseur Kai Christian Moritz (45) inszeniert für das Würzburger Theater Chambinzky das vieldiskutierte Stück "Gott" von Ferdinand von Schirach, das bis November in Kooperation mit Domschule, Universität, Klinikum Mitte und Stadt an vier verschiedenen Aufführungsorten in Würzburg zu sehen sein wird. Es geht um das Thema assistierter Suizid. Oder, verkürzt und plakativ gefragt: Wem gehört das Leben?
Kai Christian Moritz: Der Kern ist das zurückgeworfen Sein auf die persönliche Gewissensentscheidung, die wir alle in manchen Fragen des Lebens treffen müssen. Lange Zeit hat die Kirche alle Fragen zum Beginn und zum Ende des Lebens beantwortet. Aber über die Jahrhunderte haben wir uns glücklicherweise andere Orientierungssysteme erarbeitet. Unser Rechtssystem zum Beispiel ist frei von den religiösen Werten zu betrachten. Die Medizin, die uns viele Antworten auf die Fragen des Lebens gibt. Der Herr Gärtner, so heißt die Figur, steht zwar mit seinem Anliegen im Mittelpunkt, er steht aber für uns alle, die wir nach verlässlichen Antworten suchen.
Moritz: Die Arbeit hat mich darin bestätigt, dass ich meine Meinung immer wieder kritisch hinterfragen muss. Meine Antwort hat sich letztlich bestätigt, ich würde sie aber nicht mehr so leichtfertig geben. Meine Sicht ist: Ich finde, er soll die Möglichkeit haben. Ich sehe aber auch die Schwierigkeiten und die Gefahr, die das mit sich bringt. Etwa den "Dammbruch", von dem im Stück immer wieder die Rede ist. Dass etwa für alte Menschen ein Zwang entsteht: Du, Oma, das Altenheim kostet doch so viel. . . Das darf natürlich nie passieren.
Moritz: Nein. Ich glaube, dass der Wunsch nach Autonomie sehr groß ist. Wo, wenn nicht bei unserem eigenen Leben, sollten wir autonom sein wollen? Das Stück fällt ja in eine politisch interessante Zeit: Immer mehr Menschen haben das Gefühl, ihnen wird die Macht über sich selbst entzogen. Der Anwalt von Gärtner bringt es auf den Punkt: Wem, wenn nicht uns selbst, gehört unser Leben?
Moritz: Wenn jemand reiflich entscheidet, diesen Schritt zu gehen, finde ich es problematisch, dass ein Teil der Gesellschaft das verdammt beziehungsweise als "nicht ganz dicht" abtut. Nicht jeder Suizidwunsch ist ein Hilfeschrei – kann es aber sein. Aber das muss natürlich geprüft werden, die Hürden müssen gegeben sein.
Moritz: Uns war es in der Produktion wichtig, nicht denunziativ zu arbeiten. Also die Figuren nicht doof aussehen zu lassen. An Karikaturen wäre ich nicht interessiert. Die Darstellenden sitzen ja hauptsächlich da und müssen ihre Figuren über ihre Haltung zum Text entwickeln – was sie sagen und wie sie es sagen. Je klarer sie das denken, desto mehr spricht das Stück für sich. Man muss dann keinem einen Tick verpassen, ein Lispeln oder sowas. Es geht vor allem darum, diese enorme Inhaltsfülle für den Zuschauer überhaupt zugänglich und erfahrbar zu machen.
Moritz: Es sind ja zwei Fragen – darf ein Mensch die Möglichkeit zum Suizid bekommen, und darf ein Arzt ihm guten Gewissens dieses Medikament verabreichen? Aber was Theater bestenfalls kann, ist Diskussionen anstoßen. Deshalb haben wir bewusst die Kooperation mit der Domschule. Nach den Vorstellungen haben wir immer Experten, die zu Gesprächen mit dem Publikum bereitstehen.
Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern (0800) 111 0 111 und (0800) 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter www.telefonseelsorge.de. Die Fachstelle Suizidberatung - Unterstützung in kritischen Lebenssituationen am Kardinal-Döpfner-Platz 1 in Würzburg ist Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung geöffnet, Tel. (0931) 571717. Rund um die Uhr ist das Krisennetzwerk Unterfranken unter (0800) 6553000 zu erreichen.