Lichtes Grün, leuchtendes Magenta: Die Ähnlichkeit der Farben auf dem Cover der jüngsten CD von Carolin No und auf dem neuen Buch über die Künstlerin Elvira Lantenhammer ist sicher ein Zufall. Schließlich handelt es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Erzeugnisse. Dennoch, zwei Eigenschaften haben sie gemeinsam: Sie sind im Jahr der Corona-Pandemie erschienen, und sie haben einen Bezug zur Region. Das Singer-Songwriter-Duo Carolin No mit Carolin und Andreas Obieglo lebt bei Würzburg. Elvira Lantenhammer lebt und arbeitet auf Schloss Homburg am Main (Lkr. Main-Spessart).
Abgesagte Tourneen, verschobene Filmstarts, geschlossene Theater, Clubs und Konzerthäuser – trotz all dem hat Corona nicht alles Kulturelle, nicht alles Kulturschaffen stoppen können. Neben ungezählten Livestreams und sonstigen Internet-Aktionen sind in den vergangenen Wochen in der Region auch dauerhaftere Zeugnisse erschienen. So haben der Pianist Alexander Schimpf und die Sopranistin Diana Damrau neue Einspielungen vorgelegt, der Verlag ars vivendi einen Band mit neun Kurzkrimis unter dem Titel "Tatort Unterfranken". Grund genug, einen näheren Blick auf jüngere Kultur-Produkte mit unterfränkischen Anknüpfungspunkten zu werfen.
Das Bayerische Kammerorchester Bad Brückenau übrigens hatte die charmante Idee, eine aktuelle CD mit Haydn-Sinfonien an die Mitglieder seines Freundeskreises zu schicken. Anschreiben: "Wenn derzeit das Kammerorchester für Sie nicht spielen darf, dann drehen wir einfach den Spieß um. Heute kommt die Musik zu Ihnen!"
Carolin No: Wohnzimmerkonzerte zum CD-Start
Zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt traf die Corona-Krise Carolin und Andreas Obieglo, die als Duo und mit Band als Carolin No unterwegs sind. Beziehungsweise eben nicht unterwegs sind, denn die "penibelst genau" zur Veröffentlichung des neuen Albums "No No" terminierte Tour war Mitte März erstmal "beim Teufel", so Obieglo. Genutzt haben die beiden Musiker die Zwangspause nach anfänglichem Zögern zunächst mit Wohnzimmer-Live-Konzerten im Netz, warmherzig moderiert und immer mit der Ansage, dass das Töchterlein jederzeit aufwachen könne, weshalb man das Konzert dann kurz unterbrechen müsse. Inzwischen stehen ab August wieder Live-Termine in ihrem Kalender.
Bis dahin ist das neue Album "No No" eine schöne Überbrückung. Denn der melodische Pop von Carolin No ist im besten Sinne schön. Andreas Obieglo mit seinem Hang zu wohlig satten Harmonien, Carolins klare, direkte und doch warme Stimme, dazu Texte, die sich sensibel, mit Sprachwitz und mitunter auch Biss mit dem Leben und den Menschen beschäftigen. Favorit: "Habt uns gern", eine gewitzte Kampfansage an all die Meckerer, Schwarzseher und Miesmacher da draußen mit dem wunderbaren Refrain: "Ich sag's euch ins Gesicht: Habt uns gern. Oder auch nicht."
Alexander Schimpf: Mozart hell und frisch
Der Pianist Alexander Schimpf, Jahrgang 1981, hat in Würzburg bei Bernd Glemser studiert und hier 2017 die Reihe „Klaviermusik in Gethsemane – Internationale Pianisten im Konzert“ ins Leben gerufen. Seit 2016 ist er Professor für Klavier an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Das Cover seiner neuen Einspielung mit den drei bekannten Mozart-Klavierkonzerten K. 413-415 (CAvi) ist zwar ausgesprochen dunkel geraten, doch die Musik klingt licht und hell – frisches Grün und leuchtendes Magenta hätten hier durchaus auch gepasst.
Das liegt am durchgehend transparenten, griffigen und erkennbar historisch informierten Spiel der Bayerischen Kammerphilharmonie unter Konzertmeister Gabriel Adorján. Und am Solisten selbst: Alexander Schimpf bleibt immer konkret, auf dem Punkt, verzichtet auf dekoratives Perlen, phrasiert stattdessen rhetorisch eindringlich und präzise. Dass er ausschließlich eigene Kadenzen spielt, auch das hebt diese Einspielung unter vielen anderen hervor.
Diana Damrau: In Hochform bei Richard Strauss
Diana Damrau, Jahrgang 1971, begann ihre Karriere 1995 in Würzburg, längst ist die Sopranistin ein Weltstar. Eine furchteinflößendere Königin der Nacht in der "Zauberflöte" wird man schwerlich finden. Mit dem großen Dirigenten Mariss Jansons und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hat Damrau Anfang 2019 noch die "Vier letzten Lieber" von Richard Strauss aufgenommen. Jansons starb am 1. Dezember 2019.
Die CD ist Anfang dieses Jahres erschienen (Erato, Warner Classics), sie enthält außerdem ein Konvolut an weiteren Strauss-Liedern mit Helmut Deutsch am Flügel. Und sie dürfte so manchem Lied- und Opernfan die Monate des Moratoriums ein gutes Stück erträglicher gemacht haben. Denn die Damrau ist durchgehend in Hochform, ihr Sinn für die kompliziert mäandernde Melodik und nicht selten vertrackte Harmonik des Richard Strauss und Jansons' magisches Gespür für einen unendlich fließenden Atem des Orchesters sind ganz großes Kino.
Elvira Lantenhammer: Stimmige Farbklänge
Elvira Lantenhammer nennt ihre Bilder seit 1997 "Lageplan" – oder "Color Siteplan", so der Titel des jüngst bei Hirmer erschienen Bandes, der ausschließlich ihrer Arbeit gewidmet ist. Im Grunde seien alle ihre Farbflächenbilder Lagepläne, sagt die 1956 geborene Künstlerin. Immer meinen sie konkrete Orte oder Landschaften, nie aber sind sie gegenständliche Wiedergaben. Es gibt Lagepläne von Würzburg, Venedig, Rom, Bremerhaven, Bulgarien oder Virginia. Orte und Gegenden, an oder in denen sie sich lange genug aufgehalten und bewegt hat, um Eindrücke und Wissen zu sammeln. „Ich nehme alles auf, was mir begegnet oder auf mich eindringt.“
Im Atelier arbeitet sie dann so lange, bis sie einen stimmigen „Farbklang“ findet, der in komprimierter, abstrahierter Form dem Erlebten gerecht wird. Das Spannende an dem neuen Buch ist, dass es kein Katalog einer bestimmten Serie ist. Sondern dass es nicht zuletzt dank der mit großer Sorgfalt wiedergegebenen Farben Vergleiche erlaubt zwischen Arbeiten, die etwa 2010 in New York entstanden, 2014 in Bulgarien, 2015 in Virginia und 2017 während Lantenhammers Japanaufenthalt. Ihre japanischen Farben sind ganz andere, als alle, die die Malerin bislang benutzt hatte: hell, strahlend, maximal leuchtend. Gelb, Grün, zwei Rottöne, Orange, Weiß. Sehr frisch, sehr direkt.
Neun Kurzkrimis unterschiedlichster Machart
Ziemlich direkt geht es auch in "Tatort Unterfranken" zu, aber nicht nur. Das soeben bei ars vivendi erschienene Taschenbuch vereint neun Kurzkrimis von neun Autorinnen und Autoren, die an neun Schauplätzen spielen: Aschaffenburg (Elmar Tannert), Bad Kissingen (Killen McNeill), Haßfurt (Horst Prosch), Kitzingen (Tessa Korber), Miltenberg (Veit Bronnenmeyer), Rothenfels (Tommie Goerz), Schweinfurt (Renate Eckert), Volkach (Bernd Flessner) und Würzburg (Theobald Fuchs).
Auffällig bunt ist die Machart der Episoden, sie reicht vom typischen Duktus des Regionalkrimis mit reichlich Lokalkolorit bis zum hochspannenden Kurzdrama. Auffällig auch die teils aktuellen Bezüge, etwa der gar nicht so gemächlich fränkische Pensionswirt, der sich als leidenschaftlicher Anhänger des derzeit gängigen Verschwörungsunsinns entpuppt. Oder die Fahrt durch Würzburg, vorbei am Mainfranken Theater, "das sie gerade mit Erfolg in einen grauen Hochbunker umbauen".
Renate Eckert macht den Leser mit Alma bekannt, der Altenpflegerin, die es immer allen recht macht. Oder vielleicht doch nicht? Theobald Fuchs lässt eine jugendliche Ich-Erzählerin zur Meuchelmörderin aus Langeweile werden. Tommie Goerz taucht seinen Helden tief in dunkle Familiengeheimnisse. Und Tessa Korber erlaubt ihrem sterbenden Kommissar Eichhorn, doch noch den Fall zu lösen, der einst sein erster war und ihn beinahe zerstört hätte. Blickt man über ein, zwei Schnitzer hinweg, etwa, dass es ein "Eschendorf" an der Mainschleife gibt und offenbar eine zweite Mainbrücke in Randersacker (zusätzlich zur Autobahnbrücke), bietet "Tatort Unterfranken" ein paar Stunden solide bis faszinierende Unterhaltung. ("Tatort Unterfranken", 9 Kurzkrimis, Verlag ars vivendi, 192 Seiten, 13 Euro)