Banksy ist ein Mysterium, ein Phantom. Der Brite aus Bristol ist der weltweit wohl bekannteste Graffiti-Künstler, dessen Werke aktuell am teuersten verkauft werden. Sein Gemälde "Devolved Parliament" erzielte bei einer Sotheby’s-Auktion im Oktober 2019 die Rekordsumme von elf Millionen Euro. Von ihm stammt das Bild "Girl with Balloon", das er 2018 in einer spektakulären Aktion noch während der Auktion schredderte. 7,5 Millionen Menschen folgen ihm auf Instagramm –aber kaum einer kennt seine wahre Identität.
Jamie Paul Scanlon ist ebenfalls Brite, ebenfalls Graffiti-Künstler, nur nicht so bekannt. Stefanie Höfling, Erzieherin aus dem Lohrer Stadtteil Sackenbach, lernte Scanlon über seine Arbeiten via Internet kennen und besuchte ihn in Weston-super-Mare. Seit eineinhalb Jahren sind die beiden verheiratet. Sie leben und arbeiten zusammen im Steinfelder Ortsteil Hausen (Landkreis Main-Spessart). Jetzt hat JPS, wie Jamie Paul Scanlon seine Arbeiten signiert, das mutmaßliche Konterfei des mysteriösen Banksy in einem seiner Werke integriert – und sorgt damit für Schlagzeilen.
Der 42-Jährige Sprayer aus Main-Spessart ist ein Fan von Banksy. Er nennt ihn gar seinen Lebensretter. Denn seit seinem Besuch einer Banksy-Ausstellung im Jahr 2009 lässt JPS die Finger von Drogen und nimmt stattdessen die Sprühdose in die Hand. "Banksy made me", betont er, "Banksy hat mich gemacht."
So berichtet die Deutsche Presseagentur
Doch hat nun ausgerechnet der Sprayer aus dem Spessart sein Idol enttarnt? "Berliner Galerie zeigt angebliches Banksy-Gesicht", ist ein Bericht der Deutschen Presseagentur überschrieben, der dieser Tage veröffentlicht wurde. "Sieht so Banksy aus?"
Das JPS-Gemälde "The Emperor's New Clothes" (Des Kaisers neue Kleider) zeigt einen Mann mit Brille und dunklem Haar, der nackt auf einem Bürgersteig mit einem Spraydose und einer Künstlermappe läuft. Im Hintergrund ist das Aktionshaus Sotheby's zu sehen. Mit dem Hinweis, dass JPS mit seiner hyperrealistischen Darstellung Banksys das Geheimnis um dessen Aussehen offenbaren wolle, wirbt die Galerie "Kultur Späti" für ihre Ausstellung "Facing Banksy". Die rund 100 Bilder verschiedener Künstler beschäftigen sich laut dpa "mit der Frage nach der Autorenschaft der Street-Art-Bewegung".
"Eine Bestätigung für die Identität des Künstlers gab die Galerie auf Anfrage nicht," heißt es in dem Bericht weiter, "die Darstellung von JPS sei aber glaubhaft", habe eine Sprecherin des Galeristen gesagt.
Was Stefanie und Jamie Paul Scanlon dazu zu sagen haben
Scanlon habe 2015 bei Banksys Projekt "Dismaland" mitgearbeitet – einer Parodie auf den Freizeitpark Disneyland. Richtig, bestätigt JPS auf Anfrage der Redaktion. Er sei einer der rund 50 Sprüher bei dieser Aktion in Weston-super-Mare gewesen. Banksy persönlich getroffen habe er jedoch nie. "Wenn, dann anonym."
Dass Banksy so aussieht, wie er ihn darstellte, das werde in der Streetart-Szene schon lange nicht mehr bezweifelt, verdeutlicht JPS. Denn schon 2008 habe die englische Presse ein Foto von ihm veröffentlicht. Es gleiche auch jenem, das Banksys ehemaliger Agent in seinem Buch über Banksy abgedruckt habe – wenngleich teilweise unkenntlich gemacht. Längst wurde in einer langen Indizienkette belegt, dass es sich bei dem weltbekannten Graffiti-Künstler sehr wahrscheinlich um Robin Gunningham handelt, einen ehemaligen Schüler der Bristol Cathedral School.
Ist die Kunde von der "vermeintlichen Banksy-Darstellung" also ein alter Hut? "Besseres Marketing", urteilt Jamie Paul Scanlon. "Jedem, der in der Streetart unterwegs ist, ist Banksy bekannt", verdeutlicht er.
Deshalb auch der nackte Körper mit Banksys Konterfei obendrauf: Der Kaiser ist längst durchschaut. Den Kopf empfand JPS dem Foto nach, das mutmaßlich 2006 gemacht wurde. "Die Idee dafür habe ich schon länger mit mir herumgetragen", erzählt er. Der Galerist habe sie "ganz super" gefunden und das Bild gewollt. Vor etwa drei Wochen habe er sich dann ans Werk gemacht und ausnahmsweise ("Sonst sind wir ja nur an Wänden.") eine Leinwand im Format 1,00 x 1,40 Meter besprüht. Das Bild sei bereits an einen Sammler verkauft.
JPS und Stefanie hinterließen auch im Raum Lohr schon Spuren: Von ihnen stammt zum Beispiel "Schneewittchen und die sieben Zwerge" am Lohrer Kaibachplatz und auch in der Steinfelder Kläranlage durften sie sich künstlerisch austoben. JPS nutzt für seine Graffiti, wie sein Vorbild, Schablonen-Technik.
Wie nahe er Banksy schon gekommen ist, verdeutlicht ein Beispiel: Als vor gut einem Jahr ein Krankenhaus in Bristol abgerissen wurde, an dessen Mauer JPS ein Mädchen mit Tiger-Hund an der Leine gesprüht hatte, wurde dieses Graffito aus der Wand ausgeschnitten und gerettet. "Und das, obwohl bekannt war, dass es von mir stammt und nicht von Banksy", jubelte JPS damals.