Der britische Street-Art-Künstler Banksy hat mal wieder die Kunstwelt geschockt: Sein berühmtes Kunstwerk „Girl with Balloon“ schredderte sich selbst, nachdem es kurz zuvor im Auktionshaus Sotheby?s für umgerechnet 1,18 Millionen Euro versteigert worden war. Ist es nun tatsächlich mehr wert, wie viele meinen? Oder wollte Banksy die Kommerzialisierung der Kunst anprangern? Immerhin, die Aktion war von langer Hand geplant.
Gerade erst war zum letzten Mal an diesem Abend der Hammer für eine Rekordsumme gefallen. Mehr als eine Million Pfund wollte ein Bieter für das Mädchen, das einen roten, herzförmigen Ballon davonfliegen lässt, bezahlen. Die Gäste klatschten noch, als plötzlich eine Live-Performance begann: Das Werk zerstörte sich selbst.
Ein in seinen dicken, gold-barocken Rahmen eingebauter Schredder machte aus dem bekannten Bild „Girl with Balloon“, eine Reproduktion des bekanntesten Motivs des britischen Street-Art-Künstlers Banksy, Schnipsel. Die Besucher im traditionsreichen Auktionshaus Sotheby?s in London rissen entsetzt die Augen auf, hielten den Atem an und sich die Hände vor den Mund. Manche lachten belustigt auf über „den bisher wohl kühnsten Streich der Kunstgeschichte“, wie der „Guardian“ die Aktion nannte. „Es scheint, als wären wir gerade gebanksyt worden“, meinte Alex Branczik, Direktor für zeitgenössische Kunst.
Und tatsächlich kommentierte der Künstler, dessen Identität trotz Spekulationen bis heute nicht zweifelsfrei geklärt ist, auf Instagram spöttisch: „Going, going, gone…“, zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten… – oder eben auch buchstäblich verschwunden. Später veröffentlichte Banksy ein Video, in dem er zeigt, wie er bereits vor einigen Jahren den Zerstörungsmechanismus in den Rahmen einbaute – „für den Fall, dass es jemals versteigert wird“, hieß es im Untertitel des Clips.
Wer die umgerechnet rund 1,18 Millionen Euro per Telefon geboten hatte, ist bislang ebenso wenig bekannt wie dessen Reaktion auf die ungewöhnliche Aktion. Ob der Bieter nach der teilweisen Destruktion überhaupt noch bezahlen will oder muss, dürfte sich in den nächsten Tagen zeigen. Man befinde sich in Gesprächen, verkündete Sotheby?s. Beobachter vermuten, dass es beim Auktionshaus Mitwisser gegeben haben muss, zu aufwendig gestaltet sich in der Regel die Überprüfung der Arbeiten, als dass niemandem der Schredder aufgefallen sein kann. „Der Drang zur Zerstörung ist auch ein kreativer Drang“, ließ der Schablonenmaler derweil Medien wissen.
Experten gehen bereits davon aus, dass das Werk aufgrund der weltweiten Medienaufmerksamkeit nun sogar noch begehrter auf dem Markt wird. „Es ist in seinem zerschredderten Zustand Teil der Kunstgeschichte und wir schätzen, dass Banksy damit mindestens 50 Prozent an Wert hinzugefügt hat“, sagte Joey Syer von der Plattform MyArtBroker.com, die Banksy-Stücke vertreibt.
Das Werk, das mittlerweile zur Hälfte in fein geschnittenen Streifen aus dem unteren Teil des Rahmens herunterhängt, könnte damit jetzt mehr als zwei Millionen Pfund wert sein. Ob der für seine Schablonen-Graffiti international bekannte Künstler wirklich dieses Ziel vor Augen hatte? Banksy kritisiert mit seinen Arbeiten immer wieder die Kommerzialisierung und deren Auswüchse in der Kunstwelt. So lehnt er etwa Ausstellungen seiner Werke ab und zeigt sich erzürnt über die Tatsache, dass seine – im Grunde illegal – an Wänden angebrachte Street Art häufig mitsamt dem Putz entfernt und – legal – verkauft wird. Kommen die hohen Preise trotz oder wegen seiner Anonymität zustande?
Als die britische Boulevardzeitung „Mail on Sunday“ den Künstler als den mutmaßlich 1973 geborenen und aus der Mittelschicht stammenden Robin Gunningham aus Bristol outete, gab es weder eine Bestätigung noch ein Dementi. Banksy hat sich hinter seinem Pseudonym bestens eingerichtet. Regelmäßig tauchen an Hauswänden, Betonmauern oder Straßenecken seine Graffiti auf, zunächst in Bristol und London, später auch außerhalb des Königreichs. Oft tragen sie politische und sozialkritische Botschaften. So kritisierte er mehrmals die Missstände in der europäischen Migrationspolitik. Im Jahr 2016 sprayte er ein weinendes Mädchen an eine Wand gegenüber der französischen Botschaft in London. Zuvor war schon 2015 in der Nähe des sogenannten „Dschungels“ in Calais, das mittlerweile geräumt wurde, ein Motiv aufgetaucht, das den verstorbenen Apple-Gründer und Sohn eines syrischen Einwanderers Steve Jobs mit einem Bündel über der Schulter und einem Computer in der Hand zeigt.
In Bethlehem richtete er ein Hotel mit dem „hässlichsten Ausblick der Welt“ direkt an der meterhohen Betonmauer ein, die das palästinensische Westjordanland von Israel trennt. In Dover kommentierte er 2017 mit einem monumentalen Kunstwerk den Brexit und 2015 parodierte er mit Dismaland, einem trostlosen „Begnügungspark“ im englischen Badeort Weston-super-Mare, Freizeitparks. Die gesellschaftskritischen Installationen und düsteren Stücke wie etwa an der Wasseroberfläche treibende Flüchtlinge oder ein rückwärts fahrendes Riesenrad sollten provozieren und zum Nachdenken anregen – wie auch seine jüngste Aktion.