Thomas Ziesch ist Schauspieler und Bühnenkampf-Choreograf. Als Letzterer sorgt er bei den Frankenfestspielen Röttingen für turbulente Fechtszenen im Musical "Zorro". Im Gespräch mit dieser Redaktion erzählt der 51-Jährige, warum sein Einsatz in Röttingen nur unter besonderen Umständen möglich war, wie sich die Mitglieder des Extra-Ensembles beim Fechten machen und was für ihn der Ritterschlag als Bühnenkampf-Choreograf war.
Thomas Ziesch: Während meines Schauspiel-Studiums habe ich mit der Bühnenkampf-Choreografie angefangen – so richtig mit meinen ersten großen Choreografien durchgestartet bin ich 1998.
Ziesch: An den Hochschulen, an denen ich Bühnenkampf unterrichte, mache ich neben Fechten auch Akrobatik, leichte Stunts – über Tische fallen, Treppenstürze, Schlägereien, Stockkämpfe, und natürlich Falltraining.
Ziesch: Ja – weil ich situativ in die Kampfszenen reingehe und nicht wie ein Sportfechtlehrer, der auf Treffer geht. Ich denke mit den Figuren mit.
Ziesch: Ich glaube, es ist eine relativ kleine Familie. Um davon leben zu können, muss man schon sehr viel unterwegs sein und an den richtigen Häusern arbeiten.
Ziesch: Durch den Intendanten Lars Wernecke. 2017 wurde ich ihm von meinem ehemaligen Fechtmeister empfohlen, als er am Staatstheater Meiningen den "Cyrano de Bergerac" inszeniert hat. Ich hatte die Choreografien für das Stück gemacht – und jetzt hat Lars mich für "Zorro" angefragt. Während der Frankenfestspiele hätte ich keine Zeit gehabt, aber wir haben einen Deal gefunden, dass ich schon vorprobieren konnte.
Ziesch: Ich habe mit den beiden Hauptdarstellern, Patric Dull (Zorro) und Björn Boresch (Ramos) schon vor den eigentlichen Proben in Hamburg trainiert und vorgearbeitet. In Röttingen hatte ich zehn Tage, an denen ich meine Choreografien mit den Kollegen stellen und trainieren konnte. Seitdem schicke ich immer wieder mal ein Video und frage, was sie gerade machen oder ich gebe Tipps.
Ziesch: Die Mitglieder des Extra-Ensembles waren großartig. Sie sind ganz groß ins Stück eingebunden, sonst kann Zorro nicht glänzen (lacht). Sie kämpfen teilweise zu viert oder fünft gegen ihn; Zorro darf keine Pausen haben, sondern muss ständig beschäftigt werden.
Ziesch: Viele Kampfstatisten und Kleindarsteller haben das Bühnenfechten bei mir von der Pike auf gelernt. Fecht-Grundkenntnisse sind im Bühnenkampf und in meinen Choreografien nicht nötig. Grundvoraussetzung ist Konzentration, weil beim Bühnenfechten auch ganz viel Kopfkino dabei ist. Bei Choreografien, in denen Massenkämpfe anstehen und nicht alle Profis sind, gehe ich ganz langsam und vorsichtig mit den Leuten um, dass sie sich nicht blamieren und es gut aussieht.
Ziesch: Ich habe einen Choreografie-Fundus von zirka 280 verschiedenen Kämpfen auf Video, die ich selber aufgenommen habe, mit Sparringspartnern. Aus diesen Choreografien nehme ich Elemente als Grundgerüst in die Produktionen mit und baue sie für die Schauspieler zusammen.
Ziesch: Jeder Körper ist anders. Patric Dull zum Beispiel spielt den Zorro mit einer Leichtigkeit, fast tänzerisch. Wenn ein Kollege körperlich anders beschaffen ist, geht man wieder anders an die Choreografie ran. Ich habe immer ein klares Konzept in den Choreografien, kann aber sehr wandelbar damit umgehen. Wenn man beim Bühnenkampf keinen Plan hat, kann es auch gefährlich werden.
Ziesch: Es gibt Regeln: Jeder Hieb, jeder Schlag ist abgesprochen und wird tausendmal trainiert, bevor er in die Geschwindigkeit kommt. Und: Es gibt auch Bühnentricks und Fakes. Dass man nie auf den Körper stößt, sondern immer daneben – durch die Geschwindigkeit kriegt der Zuschauer das selten mit. Der Körper spielt außerdem eine ganz große Rolle: Bühnenfechten ist zu 70 Prozent Körper, zu 30 Prozent kommen Klinge und Degen zum Einsatz.
Ziesch: Der Körper muss beim Kampf immer mitspielen. Man kann Stöße und Hiebe austeilen, aber wenn der Körper starr stehen bleibt, sieht es nach nichts aus. Die Schrittfolge und der Körper müssen im Einklang sein. Auch die Perspektive der Zuschauer spielt eine Rolle. Wie steht man zum Beispiel auf der Bühne zum Publikum, wenn man zu einem Faustschlag ansetzt, damit das echt aussieht? Und: Wichtig ist, dass der Partner reagiert – nicht der, der schlägt.
Ziesch: Das sind Sportdegen, die man im Sportfechten benutzt. Die sind nicht scharf, aber aus Metall und Eisen, damit kann man sich schon ordentlich weh tun. Zorro hat einen extra angefertigten Spezialdegen. Er ist stumpf, sieht aber sehr echt aus – und ist sehr schwer.
Ziesch: In über 20 Jahren ist bei mir noch nichts groß schiefgegangen. Blaue Flecke, ja, aber große Verletzungen, Brüche, nein. Das liegt an der Vorbereitung. Ich passe genau auf: Wer ist ein Schläger, und wer ist sensibel? Draufgänger braucht man nicht beim Kämpfen. Das wäre zu gefährlich.
Ziesch: Zum größten Teil richten sie sich nach meinen Anweisungen. Wenn man so ein Schwert oder einen Degen in der Hand hält, hat man schon Ehrfurcht davor.
Ziesch: Fürs Fechten habe ich mich schon als Kind interessiert. Jedes Mal, wenn ich einen Mantel- und Degenfilm aus den 60er-Jahren sehen durfte, habe ich mir danach aus Holz Degen gebaut und gegen Bäume gefochten. An der Schauspielschule war Fechtunterricht mein Lieblingsunterricht.
Ziesch: Ja. Die Störtebeker-Festspiele sind immer ein Traum gewesen. Ich bin seit 2018 hier, immer vier Monate im Sommer. Ich nehme in der Zeit auch keine anderen Termine an – obwohl Mai bis September die Zeit ist, in der die meisten Filme gedreht werden.
Ziesch: Für mich sind die Störtebeker-Festspiele ein riesengroßes Trainingszentrum. Wenn ich im September nach Hause komme, bin ich sowas von durchtrainiert, weil ich täglich Reit- und Kampftraining habe. Die Bühne bei den Störtebeker-Festspielen ist so groß wie ein Fußballfeld und hat ganz tiefen Sand. Wenn man zweieinhalb Stunden in diesem Sand kämpft und spielt – teilweise bei 40 Grad, in Lederklamotten – , weiß man am Abend, was man getan hat. Wir haben 9000 Zuschauer täglich, 150 Kleindarsteller, 30 Pferde und vier Schiffe, die fahren, sich beschießen und kämpfen. Es ist schon ein Traum.