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Röttingen
Bühnenkampf-Choreograf Thomas Ziesch über seinen Beruf: "Draufgänger braucht man nicht beim Kämpfen"
Bei den Frankenfestspielen Röttingen hat Thomas Ziesch die Fechtszenen für das Musical "Zorro" choreografiert und mit den Schauspielern einstudiert. Was seinen Beruf ausmacht.
Das erste Mal bei den Frankenfestspielen in Röttingen im Einsatz: Der Schauspieler und Bühnenkampf-Choreograf Thomas Ziesch hat die Fechtchoreografien für das Musical 'Zorro' entworfen und trainiert.
Foto: Karena Kanamueller | Das erste Mal bei den Frankenfestspielen in Röttingen im Einsatz: Der Schauspieler und Bühnenkampf-Choreograf Thomas Ziesch hat die Fechtchoreografien für das Musical "Zorro" entworfen und trainiert.
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:25 Uhr

Thomas Ziesch ist Schauspieler und Bühnenkampf-Choreograf. Als Letzterer sorgt er bei den Frankenfestspielen Röttingen für turbulente Fechtszenen im Musical "Zorro". Im Gespräch mit dieser Redaktion erzählt der 51-Jährige, warum sein Einsatz in Röttingen nur unter besonderen Umständen möglich war, wie sich die Mitglieder des Extra-Ensembles beim Fechten machen und was für ihn der Ritterschlag als Bühnenkampf-Choreograf war.

Frage: Herr Ziesch, wie lange arbeiten Sie schon als Bühnenkampf-Choreograf?

Thomas Ziesch: Während meines Schauspiel-Studiums habe ich mit der Bühnenkampf-Choreografie angefangen – so richtig mit meinen ersten großen Choreografien durchgestartet bin ich 1998.

Was gehört alles zum Bühnenkampf dazu?

Ziesch: An den Hochschulen, an denen ich Bühnenkampf unterrichte, mache ich neben Fechten auch Akrobatik, leichte Stunts – über Tische fallen, Treppenstürze, Schlägereien, Stockkämpfe, und natürlich Falltraining.

Kommt Ihnen Ihr Schauspiel-Beruf bei den Choreografien zugute?

Ziesch: Ja – weil ich situativ in die Kampfszenen reingehe und nicht wie ein Sportfechtlehrer, der auf Treffer geht. Ich denke mit den Figuren mit.

Gibt es in Ihrem Beruf als Bühnenkampf-Choreograf viel Konkurrenz?

Ziesch: Ich glaube, es ist eine relativ kleine Familie. Um davon leben zu können, muss man schon sehr viel unterwegs sein und an den richtigen Häusern arbeiten.

Wie kam die Verbindung zu den Frankenfestspielen in Röttingen zustande?

Ziesch: Durch den Intendanten Lars Wernecke. 2017 wurde ich ihm von meinem ehemaligen Fechtmeister empfohlen, als er am Staatstheater Meiningen den "Cyrano de Bergerac" inszeniert hat. Ich hatte die Choreografien für das Stück gemacht – und jetzt hat Lars mich für "Zorro" angefragt. Während der Frankenfestspiele hätte ich keine Zeit gehabt, aber wir haben einen Deal gefunden, dass ich schon vorprobieren konnte.

Wie war das möglich?

Ziesch: Ich habe mit den beiden Hauptdarstellern, Patric Dull (Zorro) und Björn Boresch (Ramos) schon vor den eigentlichen Proben in Hamburg trainiert und vorgearbeitet. In Röttingen hatte ich zehn Tage, an denen ich meine Choreografien mit den Kollegen stellen und trainieren konnte. Seitdem schicke ich immer wieder mal ein Video und frage, was sie gerade machen oder ich gebe Tipps.

Wie hat das mit den Laien des Extra-Ensembles funktioniert, die auch fechten?

Ziesch: Die Mitglieder des Extra-Ensembles waren großartig. Sie sind ganz groß ins Stück eingebunden, sonst kann Zorro nicht glänzen (lacht). Sie kämpfen teilweise zu viert oder fünft gegen ihn; Zorro darf keine Pausen haben, sondern muss ständig beschäftigt werden.

Wie bringen Sie Laien das Bühnenfechten bei?

Ziesch: Viele Kampfstatisten und Kleindarsteller haben das Bühnenfechten bei mir von der Pike auf gelernt. Fecht-Grundkenntnisse sind im Bühnenkampf und in meinen Choreografien nicht nötig. Grundvoraussetzung ist Konzentration, weil beim Bühnenfechten auch ganz viel Kopfkino dabei ist. Bei Choreografien, in denen Massenkämpfe anstehen und nicht alle Profis sind, gehe ich ganz langsam und vorsichtig mit den Leuten um, dass sie sich nicht blamieren und es gut aussieht.

Gibt es Fecht-Standards, die Sie für Ihre Choreografien immer wieder verwenden?

Ziesch: Ich habe einen Choreografie-Fundus von zirka 280 verschiedenen Kämpfen auf Video, die ich selber aufgenommen habe, mit Sparringspartnern. Aus diesen Choreografien nehme ich Elemente als Grundgerüst in die Produktionen mit und baue sie für die Schauspieler zusammen.

Jeder Schauspieler bekommt also eine eigene Choreografie?

Ziesch: Jeder Körper ist anders. Patric Dull zum Beispiel spielt den Zorro mit einer Leichtigkeit, fast tänzerisch. Wenn ein Kollege körperlich anders beschaffen ist, geht man wieder anders an die Choreografie ran. Ich habe immer ein klares Konzept in den Choreografien, kann aber sehr wandelbar damit umgehen. Wenn man beim Bühnenkampf keinen Plan hat, kann es auch gefährlich werden.

Thomas Ziesch bei der Arbeit: Er ist auch als Gastdozent für Fecht- und Bühnenkampf an drei Hochschulen im Einsatz.
Foto: Andreas Holler | Thomas Ziesch bei der Arbeit: Er ist auch als Gastdozent für Fecht- und Bühnenkampf an drei Hochschulen im Einsatz.
Stichwort Gefahr: Wie lernt man als Choreograf, die Risiken für die kämpfenden Kollegen abzuschätzen?

Ziesch: Es gibt Regeln: Jeder Hieb, jeder Schlag ist abgesprochen und wird tausendmal trainiert, bevor er in die Geschwindigkeit kommt. Und: Es gibt auch Bühnentricks und Fakes. Dass man nie auf den Körper stößt, sondern immer daneben – durch die Geschwindigkeit kriegt der Zuschauer das selten mit. Der Körper spielt außerdem eine ganz große Rolle: Bühnenfechten ist zu 70 Prozent Körper, zu 30 Prozent kommen Klinge und Degen zum Einsatz.

Können Sie das näher erklären?

Ziesch: Der Körper muss beim Kampf immer mitspielen. Man kann Stöße und Hiebe austeilen, aber wenn der Körper starr stehen bleibt, sieht es nach nichts aus. Die Schrittfolge und der Körper müssen im Einklang sein. Auch die Perspektive der Zuschauer spielt eine Rolle. Wie steht man zum Beispiel auf der Bühne zum Publikum, wenn man zu einem Faustschlag ansetzt, damit das echt aussieht? Und: Wichtig ist, dass der Partner reagiert – nicht der, der schlägt.

Kämpft man auf der Bühne mit echten Degen?

Ziesch: Das sind Sportdegen, die man im Sportfechten benutzt. Die sind nicht scharf, aber aus Metall und Eisen, damit kann man sich schon ordentlich weh tun. Zorro hat einen extra angefertigten Spezialdegen. Er ist stumpf, sieht aber sehr echt aus – und ist sehr schwer.

Turbulente Fechtszenen prägen das Musical 'Zorro' bei den Röttinger Frankenfestspielen: rechts Patric Dull als Zorro, mit Björn Boresch als Ramos.
Foto: Gerhard Meißner | Turbulente Fechtszenen prägen das Musical "Zorro" bei den Röttinger Frankenfestspielen: rechts Patric Dull als Zorro, mit Björn Boresch als Ramos.
Ist beim Bühnenkampf bei Ihnen schon mal was schiefgegangen?

Ziesch: In über 20 Jahren ist bei mir noch nichts groß schiefgegangen. Blaue Flecke, ja, aber große Verletzungen, Brüche, nein. Das liegt an der Vorbereitung. Ich passe genau auf: Wer ist ein Schläger, und wer ist sensibel? Draufgänger braucht man nicht beim Kämpfen. Das wäre zu gefährlich.

Muss man die Leute beim Fechten auch mal in ihre Schranken weisen?

Ziesch: Zum größten Teil richten sie sich nach meinen Anweisungen. Wenn man so ein Schwert oder einen Degen in der Hand hält, hat man schon Ehrfurcht davor.

Ist Fechten schon immer ein Interesse von Ihnen?

Ziesch: Fürs Fechten habe ich mich schon als Kind interessiert. Jedes Mal, wenn ich einen Mantel- und Degenfilm aus den 60er-Jahren sehen durfte, habe ich mir danach aus Holz Degen gebaut und gegen Bäume gefochten. An der Schauspielschule war Fechtunterricht mein Lieblingsunterricht.

Thomas Ziesch bei den Störtebeker-Festspielen auf der Insel Rügen.
Foto: A.L. Ziesch | Thomas Ziesch bei den Störtebeker-Festspielen auf der Insel Rügen.
Sie arbeiten auch als Bühnenkampf-Choreograf für die Störtebeker-Festspiele auf Rügen. Ist das der Ritterschlag für Ihren Berufsstand?

Ziesch: Ja. Die Störtebeker-Festspiele sind immer ein Traum gewesen. Ich bin seit 2018 hier, immer vier Monate im Sommer. Ich nehme in der Zeit auch keine anderen Termine an – obwohl Mai bis September die Zeit ist, in der die meisten Filme gedreht werden.

Was ist der besondere Reiz daran?

Ziesch: Für mich sind die Störtebeker-Festspiele ein riesengroßes Trainingszentrum. Wenn ich im September nach Hause komme, bin ich sowas von durchtrainiert, weil ich täglich Reit- und Kampftraining habe. Die Bühne bei den Störtebeker-Festspielen ist so groß wie ein Fußballfeld und hat ganz tiefen Sand. Wenn man zweieinhalb Stunden in diesem Sand kämpft und spielt – teilweise bei 40 Grad, in Lederklamotten – , weiß man am Abend, was man getan hat. Wir haben 9000 Zuschauer täglich, 150 Kleindarsteller, 30 Pferde und vier Schiffe, die fahren, sich beschießen und kämpfen. Es ist schon ein Traum.

Thomas Ziesch: Schauspieler und Bühnenkampf-Choreograf

Thomas Ziesch wurde 1971 in Hoyerswerda geboren und wuchs in der Nähe von Dresden auf. Von 1990 bis 1994 studierte er Diplom-Schauspiel an der Hochschule Leipzig und bildete sich währenddessen als Fecht- und Kampfchoreograf für Bühne und Film weiter. Parallel zum Schauspiel-Beruf, der Ziesch an verschiedenste Bühnen mit etwa 100 Theaterrollen und in mehr als 40 Film- und Fernsehproduktionen geführt hat, arbeitete er an über 25 Opern- und Schauspielhäusern als Kampfchoreograf. Thomas Ziesch ist zudem als Gastdozent für Fecht- und Bühnenkampf an den Hochschulen Köln, Hannover und Rostock tätig. Seit 2018 ist er festes Ensemblemitglied bei den Störtebeker-Festspielen auf Rügen und zusätzlich als Choreograf für die Bühnenkämpfe zu Land und zu Pferd verantwortlich.
Quelle: Frankenfestspiele Röttingen
 
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