Auch wenn für die Besucher die Festspielsaison 2019 in Röttingen noch in weiter Ferne zu liegen scheint: Das künstlerische Team der Frankenfestspiele steckt bereits seit Monaten in der Vorbereitung der kommenden Spielzeit. Viele Gesichter sind neu: Neben dem Intendanten Lars Wernecke ist auch der musikalische Leiter Rudolf Hild das erste Mal in Röttingen aktiv, ebenso wie der Regisseur Björn Reinke. Im Gespräch erzählen die drei, welche persönliche Note sie den Frankenfestspielen mitgeben möchten – und was den Sommer in Röttingen für sie so reizvoll macht.
Frage: Haben Sie vor Ihrem Engagement bei den Frankenfestspielen schon mal von Röttingen gehört?
LARS WERNECKE: Ich kannte Röttingen nicht. Als klar war, dass der bisherige Intendant Knut Weber nicht mehr zur Verfügung stehen kann, ist die Stadt auf die Suche gegangen und hat im Umkreis an Theatern angefragt, ob sich jemand bewerben möchte. Das habe ich getan - ich war bis Ende dieser Saison in Meiningen Oberspielleiter –, dann hat man sich getroffen und mich ausgewählt.
Was hat Sie an den Frankenfestspielen gereizt?
WERNECKE: Es ist beeindruckend, dass eine doch relativ kleine Stadt so große Sommerfestspiele auf die Beine stellen kann. Welche Stücke hier gespielt wurden, und welche Kräfte schon hier waren – da ist die Intendanz eine reizvolle Aufgabe.
Herr Hild, Herr Reinke, kannten Sie Röttingen?
RUDOLF HILD: Ehe Lars mich gefragt hat, ob ich die Saison für Röttingen frei wäre, hatte ich noch nie von Röttingen gehört. Ich habe mir in der vergangenen Spielzeit „Spamalot“ angeschaut und war bass erstaunt, hier in der kleinen Stadt so etwas zu erleben.
BJÖRN REINKE: Röttingen selbst kannte ich nicht, ich war aber früher oft mit meinen Großeltern in Franken unterwegs. Und dann kam dieser wunderschöne Zufall: Vor einem Jahr sagte ich zu einem Kollegen: ‚Was ich wahnsinnig gern mal inszenieren würde, ist „Der Vetter aus Dingsda“. Kurz danach kriegte ich einen Anruf von Lars Wernecke, der sagte: „Sag‘ mal, hast Du Lust in Röttingen den „Vetter aus Dingsda“ zu machen?
WERNECKE: Da gab es kein langes Überlegen (lacht)…
Sie alle arbeiten zum ersten Mal bei den Frankenfestspielen – wer ist noch neu im künstlerischen Team?
WERNECKE: Der Regisseur Dietmar Horcicka, der die Komödie „Glorious!“ inszenieren wird. Als Choreografin konnten wir Julia Grunwald gewinnen, als Bühnenbildner Dirk Immich und als Kostümbildnerin Angela C. Schuett. Zusammen mit uns dreien ist das der Kern des künstlerischen Teams.
Was werden Sie anders machen als bisher?
WERNECKE: Neu ist das Konzept, dass ein Bühnenbildner alle drei Bühnenbilder macht, die auch miteinander verwoben sind, so dass die Auf- und Abbauten von einem Tag auf den nächsten gut möglich sind. Drei Premieren innerhalb von fünf Wochen, das ist ein großer Aufwand. Ebenso entwirft unsere Kostümbildnerin die Kostüme für alle drei Stücke dieser Saison und betreut diese.
Ist dieses Konzept dem Prinzip „Großes Theater für wenig Geld“ geschuldet?
WERNECKE: Natürlich ist das Budget begrenzt. Der Ursprungsgedanke war aber eher praktischer Art: Wie schafft man es, mit bestimmten Modulen ein Grundgerüst für alle Stücke zu machen, das den ganzen Sommer über steht – und trotzdem drei vom Charakter her komplett unterschiedliche Bühnenbilder zu haben, für Stücke, die in ganz unterschiedlichen Zeiten spielen?
Und wie geht das?
WERNECKE: Es gibt zum Beispiel mehrere eckige Litfaßsäulen, auf die bei jedem Stück etwas anderes draufgespannt wird. Die Säulen lassen sich während des Abends für die Akte drehen – so hat man mehrere Bühnenbilder. Dann werden einfach die Bespannungen abgenommen, und am nächsten Abend kommen neue drauf.
Macht ein geringes Budget noch kreativer?
WERNECKE: Die Kreativität muss man ja immer rauskitzeln. Meine ersten Gedanken sind jenseits des Geldes: Ich muss als Regisseur erstmal spinnen können, was für eine Vision ich von einem Stück habe. Dann rede ich mit dem Bühnenbildner, und der sagt: „Goldene Türen sind nicht drin“. Er muss mich auf den Boden holen. Ich kann nicht anfangen und sagen, „ich hab‘ nur 7,50 Euro, also mach‘ ich nur eine Papierwand“. Das ist für mich nicht der richtige Weg für einen Regisseur.
Welches Publikum wollen Sie mit der Auswahl der Stücke ansprechen?
WERNECKE: Der Dreiklang aus Musical, Operette und Schauspiel hat sich sehr gut etabliert; ich glaube, dass bei unseren drei Stücken für jeden etwas dabei ist.
Warum haben Sie genau diese Stücke gewählt?
WERNECKE: Als erstes stand „Hello Dolly“ fest – ein klassisches Musical als Gegenpol zum modernen „Spamalot“ der vergangenen Saison. Außerdem waren die Frankenfestspiele anfangs die „Nestroy-Festspiele“, bei denen ausschließlich Stücke des österreichischen Autors Johann Nestroy aufgeführt wurden. „Hello Dolly“ basiert ursprünglich auf Nestroys Posse „Einen Jux will er sich machen", diesen Zusammenhang fand ich charmant. „Der Vetter aus Dingsda“ kommt ohne Chor und Ballett aus, das ist für eine Operette sehr selten. Und die Komödie „Glorious!“ über Florence Foster Jenkins, die Sängerin, die eigentlich nicht singen konnte, wird in Röttingen erstmals als Freilicht-Aufführung zu sehen sein.
Welche persönliche Note wollen Sie den Frankenfestspielen mitgeben?
HILD: Pfiffig soll es sein, wir wollen nichts Verstaubtes anbieten. Wenn ich die Noten für die Fassungen der Stücke schreibe, übernehme ich nicht alles eins zu eins. Natürlich bleiben die Melodien unberührt, aber das Drumherum, wie es arrangiert wird, soll schon sehr fetzig rüberkommen.
WERNECKE: „Hello Dolly“ als Freilichttheater zu machen, und dann noch in einer Bandfassung, ist schon etwas Besonderes – normalerweise kennt man das mit großem Broadway-Orchester…
HILD: Wir könnten diese Orchesterfassung mit der Band nicht machen, da würde man jämmerlich Schiffbruch erleiden. Deswegen muss man sich von Anfang an zu einer eigenen Fassung bekennen – und dann auch richtig.
REINKE: Ich sehe meine Hauptaufgabe darin, zusammen mit der Besetzung die liebevollen, skurrilen und unterschiedlichen Charaktere herauszuarbeiten, die es im „Vetter von Dingsda“ gibt. Die Aufführung soll Charme haben, und die Zuschauer sollen Figuren auf der Bühne sehen, mit denen sie mitgehen und sich identifizieren.
Welche Erwartungen haben Sie an den Festspiel-Sommer?
HILD: Ich habe vor allem die Erwartung, dass wir schönes Wetter haben werden!
WERNECKE: Haben wir bestellt, ne? (lacht) Ich hoffe, dass die Zuschauer neugierig sind, wie das neue Team arbeitet, und was wir da zeigen, und dass möglichst viele sagen: „Da geh‘ ich mal wieder hin.“ Außerdem wünsche ich mir, dass die Leute danach gut gelaunt nach Hause fahren und die Melodien nicht aus dem Kopf kriegen, weil alle drei Stücke mit Ohrwürmern nur so gespickt sind.
Finden Sie es reizvoll, einen Sommer lang relativ abgeschieden zu leben und zu arbeiten?
WERNECKE: Ich finde es toll, dass dieser Ort so einen Camp-Charakter hat – und es auch nicht unendlich viele Restaurants und Kneipen gibt. Da wird man abends immer zusammen sein. Deshalb hat man beim Casting auch ein Team gesucht, das zusammenpasst und so einen Sommer zusammen verbringen und dabei Spaß haben kann. Die Spielzeit bedeutet sehr viel Arbeit für alle, ohne diesen Zusammenhalt kriegt man das gar nicht hin.
REINKE: So einen Werkstatt-Charakter finde ich für eine Probenarbeit ganz schön. Es gibt nicht viel Ablenkung hier, man ist sehr fokussiert auf die Arbeit, und das hat meiner Erfahrung nach immer zu schönen Ergebnissen geführt.