Bald wird Aschaffenburg, eine Stadt mit gerade einmal 70 000 Einwohnern, über acht Museen verfügen. Als erster Teil des neuen Museumsquartiers soll im kommenden Jahr das Christian-Schad-Museum eröffnen. Während der Bauarbeiten hat man auf dem Gelände ein Kaba-Päckchen aus den 1970er Jahren ausgegraben, produziert von den längst untergegangenen Aschaffenburger Milchwerken – ein nostalgischer und lustiger Fund, der es damals bis in die Tageszeitung geschafft hat.
Ausgrabungen und Funde aus der römischen Zeit hingegen beherbergt das Stiftsmuseum im ehemaligen Stiftskapitel. Zusammen mit der spätromanischen Stiftskirche St. Peter und Alexander bilden die mittelalterlichen Gebäude des Museums eine sehenswerte historische Einheit, gelegen auf dem Stiftsberg im Zentrum der Altstadt. Das labyrinthisch verwinkelte Museum zeigt neben Archäologischem auch Kunst des Mittelalters und der Renaissance sowie sakrale Kunst aus der Barockzeit.
Die Volkskundlerin Anne Kraft, seit einem Jahr in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die Museen Aschaffenburg tätig, betreut diesen Sommer und Herbst auch die Kunsttauschaktion „Kunst geht fremd“. Seit 2011 tauschen unterfränkische Museen jährlich je ein Kunstobjekt untereinander aus, um es für ein paar Monate in neuem Kontext zu präsentieren. Unter dem Motto „Kunst geht fremd … und macht schön“ beteiligen sich dieses Jahr zwölf Museen an der Aktion.
Eine hölzerne Maske inmitten der Pracht
Inmitten des prachtvollen Stiftsschatzes, dem sozusagen Allerheiligsten des Aschaffenburger Stiftsmuseums, ist im Rahmen des Projekts nun bis zum 6. November eine Fastnachtsmaske aus dem Rhön-Museum Fladungen zu sehen. Die Maske aus dem Rhöndorf Oberelsbach, von einem Berufsschnitzer oder geübten Laien um 1840/50 aus Lindenholz geschnitzt, fügt sich erstaunlich bruchlos in die Anhäufung kostbarer Materialen ein. Leicht erhöht und zurückgesetzt, flankiert sie eine vergoldete, mit Emaille, Perlen, Edel- und Glassteinen reich verzierte Büste des heiligen Alexander – und ist doch kaum als Fremdkörper wahrzunehmen.
Der Bezug zwischen Papstbüste und Fastnachtsmaske war für Anne Kraft sofort spürbar: Zu allen Zeiten hat sich der Mensch ein Bildnis vom Göttlichen, vom Heiligen gemacht, ihm also auf diese Weise eine Maske aufgesetzt. Außerdem spiegelt sich der Volksbrauch, das Gesicht zu Fasching hinter einer Maske zu verstecken, hier im religiösen Brauch, eine Reliquie in einem kostbaren Gefäß zu verbergen: Die Silberkrone des heiligen Alexander lässt sich zurückklappen, um ein Fragment des Papstschädels zu offenbaren, die bedeutendste Reliquie des Aschaffenburger Kirchenschatzes.
- Bericht von der Eröffnungsveranstaltung der Aktion
- Folge 1: Ein Nonnenspiegel aus Miltenberg
- Folge 2: Georg Ehmig, Bildnis der Gattin des Künstlers
- Folge 3: Eine 2500 Jahre alte keltische Fibel
- Folge 4: Blutige Bildergeschichte aus dem alten Ägypten
Erst vor sieben Jahren hat man den Schatz aus den Schränken der Stiftskirche befreit, ins Museum umquartiert und unter dem Titel „Pracht und Glaube des Mittelalters“ ausgestellt. Da Kirche und Museum Hand in Hand arbeiten, kehren die vergoldeten Büsten der Kirchenheiligen St. Peter und St. Alexander zu bestimmten Festen auf den Altar der Stiftskirche zurück.
Die Fastnacht war in der Rhön schon vor 1800 fester Brauch, Holzmasken kamen aber erst um 1840 auf. Bischofsheim und Oberelsbach gelten in der Rhön als Hauptherde der systemkritischen Bewegung im Jahr 1848.
Diese zeitliche Parallele beschäftigt Astrid Hedrich-Scherpf, Leiterin der Kulturagentur Rhön-Grabfeld, schon seit Langem: „Leider gibt es noch niemanden, der auf diesem Gebiet forscht. Wir vermuten aber, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Aufkommen der Maskierung und den in der Oberrhön laut werdenden Unmutsbezeugungen.“
Wahrscheinlich tagte in einem Oberelsbacher Café ein literarischer Zirkel, der sich für Politik interessierte und nicht nur Lokalblättchen, sondern auch überregionale Zeitungen studierte. Die Vorstellung, dass Teile Unterfrankens (unter anderem das Gebiet der Hochrhön) dem Königreich Bayern zufallen sollten, stieß hier nicht unbedingt auf Gegenliebe. Man fühlte sich eher zum Frankfurter Raum hingezogen und entwickelte deshalb separatistisches Gedankengut.
Die Rhöner Masken sind bewusst schön
Im Gegensatz zu den bizarren, dämonischen Holzmasken der nördlichen Alpen und des schwäbisch-alemannischen Raums wirken die Rhöner Fastnachtsmasken durchaus schön – eine Diskrepanz zum politischen Zeitgeschehen, die sich auch Astrid Hedrich-Scherpf (noch) nicht ganz erklären kann.
Mit ihren mandelförmigen Augenschlitzen, den fein gezogenen Brauen, dem streng symmetrischen schwarzen Bart und dem Rouge auf den Wangen orientieren sich die Rhöner Masken überwiegend an barocken Vorbildern, zeigen oft noble Züge und einen edelblassen Teint.
Die nächste Maskengeneration bekam die Backenkoteletten der Biedermeierzeit
Die Masken der nächsten Generation, also der 1850er und 1860er Jahre, trugen schon die typischen Backenkoteletten der Biedermeierzeit. Ein solches Exemplar wird ab dem Jahr 2018 im Rhönmuseum Fladungen zu sehen sein. Das Museum beherbergt die wohl bedeutendste Sammlung volkskundlicher und frühgeschichtlicher Exponate der Rhön.
Das Museum ist derzeit wegen Umbau und Neugestaltung geschlossen, ein Hineinschnuppern aber möglich, und zwar von Anfang Oktober bis November in der Sonderausstellung „Hafemann International“, in der Künstler auf die Rhön Bezug nehmen.
Kunst geht fremd ... und macht schön
Zwölf Museen beteiligen sich dieses Jahr an den künstlerischen Seitensprüngen, die bis 6. November ausgewählte Objekte kreuz und quer durch Unterfranken reisen lassen. Unter dem Motto „Kunst geht fremd … und macht schön“ verlassen zwölf Kunstwerke ihr angestammtes Museum, um sich ein neues, temporäres Zuhause zu suchen.
In ungewohnter Umgebung sollen sie ihre Betrachter für ein paar Monate irritieren, provozieren und zu intensiverem Sehen anregen: Was ist Schönheit? In unserer Sommerserie stellen wir jedes der zwölf Kunstwerke vor.
Eine Broschüre führt durch die diesjährigen Seitensprünge, angenehm schmal und dünn und somit geeignet für jede Hand- und Jackentasche. Auf den letzten Seiten findet sich eine Liste aller Museen mit Öffnungszeiten, Adressen und Telefonnummern, begleitenden Veranstaltungen und eine Unterfrankenkarte mit allen teilnehmenden Ortschaften. Homepage zur Aktion: www.kunst-geht-fremd.de
Das Stiftsmuseum am Stiftsplatz ist eines von bald acht Museen der Stadt Aschaffenburg. Neben vor- und frühgeschichtlichen Funden zeigt es Kunst des Mittelalters und der Renaissance sowie sakrale Kunst des Barock. Seit 2009 beherbergt es den großen Kirchenschatz der Stiftskirche Aschaffenburg. Tel. (0 60 21) 44 47 95 0
Öffnungszeiten: Di.-So. 11-17 Uhr, montags geschlossen.
Internet: www.museen-aschaffenburg.de