Das zarte, nur fünf Zentimeter große Bronzevögelchen mit den weit aufgerissenen Augen und dem gebogenen Rücken scheint sich in seiner Umgebung beinahe aufzulösen. Etwas verloren liegt die winzige keltische Fibel in ihrem Plexiglas-Würfel, der auf einem massiven weißen Sockel thront.
Ein uraltes Schmuckstück
Einst sollte die Schmuckspange aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. den Umhang ihrer Trägerin zusammenhalten und selbige wohl auch schmücken. Nun ist sie im Rahmen der Aktion „Kunst geht fremd … und macht schön“ bis 6. November im Kitzinger Fastnachtsmuseum zu sehen – eine skurrile neue Heimat für das uralte Schmuck- und Gebrauchsstück aus der archäologischen Sammlung des Museums Schloss Oberschwappach.
Kopfzerbrechen über den richtigen Platz
Doch auf genau solche Irritationen zielt die alljährliche Kunstaktion ab, in der unterfränkische Museen seit 2011 Objekte unterschiedlichster Provenienz austauschen. Da findet sich eine ägyptische Schminkpalette im ehemaligen Hallenbad wieder, oder ein Gemälde des 20. Jahrhunderts zwischen antiken Reliefs. Die kleine keltische Spange hat der Zufall mitten in den Karneval katapultiert.
Das Museum Schloss Oberschwappach ist bei der diesjährigen Ausgabe von „Kunst geht fremd“ erst in allerletzter Minute als zwölfter Teilnehmer aufgesprungen. Denn das Fastnachtmuseum Kitzingen, dieses Jahr ebenfalls neu dabei, stand bis vor kurzem noch ohne Tauschpartner da.
- Bericht von der Eröffnungsveranstaltung der Aktion
- Folge 1: Ein Nonnenspiegel aus Miltenberg
- Folge 2: Georg Ehmig, Bildnis der Gattin des Künstlers
Nach der gelungenen Verkupplung durch Andrea Brandl, Chefin der Kunsthalle Schweinfurt, sah sich die 30-jährige Leiterin des Kitzinger Museums, Daniela Sandner, mit keiner leichten Aufgabe konfrontiert: Die Volkskundlerin aus Ingolstadt zerbrach sich den Kopf darüber, wie sie die zwar zauberhafte, ob ihrer Größe jedoch schwer präsentierbare Leihgabe aus Oberschwappach am besten zur Geltung bringen könnte.
Zunächst sollte sich der Winzling in der „Schatzkammer“ unter glitzernde Orden, Narrenzepter und Präsidentenketten mischen. Dann aber begann Sandner zu zweifeln: Ob die einst goldglänzende, doch längst matt gewordene Gewandspange hier nicht optisch erschlagen würde? Gegen den ursprünglichen, in der Aktionsbroschüre vorgestellten Plan ist die Fibel nun gleich im ersten Ausstellungsraum im Erdgeschoss zu finden, wo kein Besucher an ihr vorbeikommt.
Die Fibel passt am besten ins Umfeld des Barock
Beginnend im Spätmittelalter, in dem sich die Narrenfigur gerade entwickelte, stellt das Fastnachtmuseum die Geschichte des Karnevals in chronologischer Reihenfolge vor. „Die Fibel ist nun das mit Abstand älteste Objekt in unserem Haus. Obwohl unser eigentlich ältestes, ein Narrenschiff, Navicula genannt, mit moralischen Geschichten und Holzschnitten von Albrecht Dürer auch schon auf das Jahr 1511 zurückgeht“, erläutert die junge Museumsleiterin.
An der zweiten Station „Rokoko und Barock“ steht nun der Sockel mit der keltischen Fibel, bewusst in den Museumsraum hineingerückt, vor einer barocken Theaterbühne. Im Inneren des stilisierten Barocktheaters prangt die Reproduktion eines alten Stichs, auf dem ein fürstlicher Kostümball im Gang ist. Mit dem barocken Thema „Repräsentation und Prunk“ hat Daniela Sandner doch noch einen leisen Bezug zwischen Leihgabe und bestehender Ausstellung hergestellt (was der „Kunst geht fremd“-Gedanke allerdings nicht zwingend verlangt).
Einst hat die Fibel golden geglänzt, heute ist sie oxidiert
Die dank des Kupferanteils der Bronze grün oxidierte Fibel ist ein typisches Beispiel frühkeltischer Kunst – in Form, Verzierung und die ins Magische spielende Gestaltung. Am Fundort, einer Wehranlage auf dem Kleinen Knetzberg in den Haßbergen, gab es Eisenverhüttung und Bronze verarbeitende Werkstätten, zu deren Produkten auch die Fibel zählte.
Metallproduktion und Herrschaft waren in antiker Zeit voneinander abhängig. Im Bannkreis der alten Fürstensitze und Herrenhöfe der feudalen Hallstatt-Aristokratie bildete sich allmählich eine neue keltische Führungsschicht heraus. Deren Mitglieder hatten ihren Sitz teilweise auf besagter Befestigung in den Hassbergen. Als Hallstattzeit wird die ältere vorrömische Eisenzeit in weiten Teilen Europas von 800 bis 450 v. Chr. bezeichnet.
Tiere für Frauen, Ornamente für Männer
Der bevorstehende Umbruch im politisch-sozialen Gefüge und in der Glaubenswelt kündigte sich auch in der neuen Eigenwilligkeit des offen zur Schau getragenen Schmucks an – als Gegenprogramm zum schematisierten, konservativen Stil der untergehenden Hallstattkultur. Die kleine Brosche mit der revolutionären Gestaltung hat auf den Betrachter also möglicherweise eine beängstigende Wirkung ausgeübt.
Dass die Spange einst einer Dame gehörte, kann man nur mutmaßen, sagt der Oberschwappacher Museumsleiter Egon Stumpf. Fibeln in Tierform würden eher den keltischen Frauen, rein ornamentale eher den Männern zugeschrieben.
Neben der Faschingsausstellung zeigt das Fastnachtmuseum derzeit die Sonderausstellung „Carnevale di Venezia“. Bis 11. November präsentiert Mario Kern hier 20 Karnevalsfotografien, vor allem Nahaufnahmen traditioneller venezianischer Masken, aber auch Kostümaufnahmen vor typisch venezianischer Kulisse. Das „virtuelle Narrentheater“ im obersten Stockwerk erweckt zwölf traditionelle, noch immer aktuelle Fastnachtsfiguren zum Leben. Im abgedunkelten Kabinett liefern sie sich einen achtminütigen Multi-Media-Wettstreit – geeignet für Erwachsene und große Kinder.
Kunst geht fremd
Zwölf Museen beteiligen sich dieses Jahr an den künstlerischen Seitensprüngen, die bis 6. November ausgewählte Objekte kreuz und quer durch Unterfranken reisen lassen. Unter dem Motto „Kunst geht fremd … und macht schön“ verlassen zwölf Kunstwerke ihr angestammtes Museum, um sich ein neues, temporäres Zuhause zu suchen.
In ungewohnter Umgebung sollen sie ihre Betrachter für ein paar Monate irritieren, provozieren und zu intensiverem Sehen anregen: Was ist Schönheit? In unserer Sommerserie stellen wir jedes der zwölf Kunstwerke vor.
Eine Broschüre führt durch die diesjährigen Seitensprünge, angenehm schmal und dünn und somit geeignet für jede Hand- und Jackentasche. Auf den letzten Seiten findet sich eine Liste aller Museen mit Öffnungszeiten, Adressen und Telefonnummern, begleitenden Veranstaltungen und eine Unterfrankenkarte mit allen teilnehmenden Ortschaften. Homepage zur Aktion: www.kunst-geht-fremd.de
Das Deutsche Fastnachtmuseum Kitzingen widmet sich der Geschichte von Fastnacht und Karneval – vom Mittelalter bis heute. Es besitzt eine umfangreiche Masken- und Kostümsammlung mit deutschlandweitem Sammlungsschwerpunkt sowie ein Multi-Media-Narrentheater.
Deutsches Fastnachtmuseum Kitzingen
Luitpoldstraße 4, Tel. (0 93 21) 2 33 55. Öffnungszeiten: Di.–So. 13–17 Uhr, Gruppen jederzeit nach Vereinbarung www.deutsches-fastnachtmuseum.byseum.de