
Am Samstagabend (20 Uhr) empfängt Basketball-Bundesligist Würzburg Baskets die Tigers Tübingen zum Rückspiel in der tectake Arena. Und auch wenn das Hinspiel Anfang Januar den Fans der Baskets in guter Erinnerung geblieben ist, weil die Würzburger einen deutlichen Rückstand im Schlussviertel noch aufholten und in einen 107:101-Auswärtssieg drehten, mahnt Co-Trainer Dejan Mihevc zur Vorsicht vor dem Abstiegskandidaten: "Im Angriff spielen die Tübinger ein ungewöhnliches und schnelles System, in dem alle Spieler viel in Bewegung sind."
Einer, der ein Lied singen kann von diesem ungewöhnlichen Offensivsystem, ist Zac Seljaas. Dem US-Amerikaner in Diensten der Würzburger gelang mit den Schwaben im vergangenen Jahr der Aufstieg in die Bundesliga. "Sie stellen viele Blöcke abseits des Balls. Wenn man die Situationen richtig liest, wird man dadurch sehr frei", erklärt Seljaas. Und unterschlägt dabei, dass er als bester Spieler der Zweiten Bundesliga ProA einer war, der dieses System gut lesen konnte, weil er sich auf dem Feld eben sehr schlau bewegt. 16,9 Punkte erzielte er für die Tigers im vergangenen Jahr pro Partie. Natürlich habe es Spaß gemacht, wenn sich der Ball so viel bewege und gepasst werde, sagt Seljaas. Aber er ist anpassungsfähig.
Viele Spieler können bei den Baskets punkten
Deshalb ist er im System von Sasa Filipovski, das auf eine ganz andere Art von Basketball setzt, nicht minder erfolgreich. Mit 13,8 Zählern pro Spiel ist ihm der Sprung in die Bundesliga mehr als gelungen. "Sasa setzt darauf, dass wir die Schwachstellen des Gegners attackieren", erklärt Seljaas am Telefon, während im Hintergrund seine Söhne Royce und Björn eine ziemliche Party veranstalten.
Da sei es auch kein Problem, wenn einer wie er mal gar nicht abschließe. Die Verteidiger der Hamburg Towers standen Seljaas derart auf den Füßen, dass er kein einziges Mal aus dem Spiel auf den Korb warf; nur drei Freiwurftreffer bei vier Versuchen gelangen ihm. "Wir haben mindestens acht Spieler, von denen jeder unser bester Punktesammler in einer Partie sein könnte, je nachdem, was der Gegner eben zulässt", sagt er.
Recht hat er: Mit Otis Livingston II, Maximilian Ugrai, Isaiah Washington, Darius Perry, Javon Bess und Seljaas selbst hatten die Würzburger schon sechs verschiedene Top-Scorer. In der Aufzählung des aus Utah stammenden Mormonen fehlen noch Collin Welp und Owen Klassen, die ebenfalls schon mehrfach zweistellige Punktezahlen erzielten.
Seljaas verfolgt das College-Turnier und tippte den Turnierbaum
Apropos Mormone. Seljaas besuchte in den USA die Brigham-Young-University (BYU), eine Hochschule, auf die fast nur streng christlich lebende Mormonen gehen. Sie sorgte sportlich schon das ein oder andere Mal für Schlagzeilen. Beim sogenannten NCAA-Tournament, wo sich jährlich in der "March Madness" die besten Unis der USA duellieren, schied BYU dieses Jahr unerwartet schon in der ersten Runde aus.
Immer wieder sorgt der Modus des Turniers mit Setzliste für Überraschungen. Seljaas verfolgt das Turnier, so gut es seine Familie und die Zeitverschiebung eben zulassen und hat auch ein "Bracket" ausgefüllt. Dabei tippen die Amerikaner jährlich den gesamten Turnierbaum. Der Unternehmer Warren Buffett hat ein Preisgeld von einer Billion, also 1000 Millionen Dollar, ausgesetzt, wenn es jemandem gelingt, den Ausgang aller Spiele richtig zu tippen. 49 richtige Tipps gelten als inoffizieller Rekord, dieses Jahr scheiterte der letzte verbliebene Tipper schon in der ersten Runde des Turniers. 1:9.223.372.036.854.775.808 ist die mathematische Wahrscheinlichkeit dafür. Kein Wunder, dass noch niemand alle 67 Spiele richtig vorhergesagt hat.
Bleibt Zac Seljaas in Würzburg?
Deutlich höher sei da die Wahrscheinlichkeit, dass er und seine Familie auch im kommenden Jahr in Würzburg leben, sagt Seljaas, denn ein Angebot vom Verein habe er vorliegen. Der 26-Jährige hat sich in dieser Saison schnell zum Publikumsliebling entwickelt. Die Liebe der Fans ging so weit, dass sie sich beim Derby gegen Bamberg von einem Friseur sogar seine Vokuhila-Frisur nachschneiden ließen.
Seljaas lag mit seinen Tipps für das College-Turnier übrigens schon am ersten Abend falsch und nennt sein eigenes "Bracket" dieses Jahr "historisch schlecht", was auch an einigen dicken Überraschungen lag. Die größte "Cinderella-Story", wie solche Überraschungsteams dann genannt werden, ist dieses Jahr die North Carolina State University.
Ob die Geschichte mit jener der Würzburg Baskets, die weiterhin Vierter in der BBL sind, vergleichbar ist? "Nein, wir stehen aus meiner Sicht nicht überraschend so weit oben, weil wir eine sehr gute Mannschaft sind", meint Seljaas, ehe er wieder seinem Zweitjob als Vater nachgeht. Im Hintergrund sind Royce und Björn ruhig geworden, was bei den beiden Jungs meist kein gutes Zeichen sei.