Einen Profiklub zu finden, bei dem es in der jüngsten Vergangenheit noch turbulenter, noch chaotischer zuging als bei den Würzburger Kickers, ist nicht leicht. Seit der Aufstiegssaison 2019/20 ist Danny Schwarz der inzwischen sechste Trainer des Würzburger Fußball-Drittligisten, den Kurzauftritt des Duos Dieter Wirsching und Sebastian Neumann nicht einberechnet. Zahllose Spieler kamen und gingen, vor allem in der zurückliegenden Magath-Saison. Eine ähnlich hohe Fluktuation an Trainern und Spielern hat Türkgücü München vorzuweisen. Das freilich liegt am rasanten Aufstieg, den der Verein seit dem Einstieg von Hasan Kivran als Investor hingelegt hat. Am Samstag (14 Uhr), bei Schwarz' Heimpremiere als Kickers-Coach, treffen die beiden Klubs am Dallenberg aufeinander.
Noch im Sommer 2017 war Türkgücü, der Klub firmierte da noch unter dem Namen SV Türkgücü-Ataspor - erst später wurde der Vereinsname aus Marketinggründen geändert - in der sechstklassigen Landesliga unterwegs. Dank der massiven Investitionen von Kivran, selbst Geschäftsführer einer Autoleasing-Firma, folgte der Aufstieg in die Bayern-, dann in die Regionalliga. Dort stand der Klub im März 2020, als die Pandemie den Spielbetrieb zum Erliegen brachte, auf Rang eins. Im Juni meldete der Bayerische Fußball-Verband Türkgücü München als ordentlichen Aufsteiger in die 3. Liga. Es folgte eine gute Saison 20/21, in der die Mannschaft mit Alexander Schmidt, Andreas Pummer und Serdar Dayat zwar drei verschiedene Trainer hatte, an deren Ende aber immerhin der 13. Tabellenplatz heraussprang.
Und in diesem Jahr? Mit Petr Ruman an der Seitenlinie sollte es einen Neustart geben, um das bis 2023 ausgerufene Ziel zu verwirklichen: Aufstieg in die 2. Bundesliga. Türkgücü (zu deutsch etwa "türkische Kraft") will der zweitstärkste Klub in München werden, hinter den Bayern und vor 1860. Beim Kader wurde nochmals aufgerüstet: 6,7 Millionen Euro bedeuten den viertgrößten Marktwert aller Drittligisten.
Drei Siege und drei Unentschieden aus neun Spielen waren Kivran und Geschäftsführer Max Kothny, der im Frühjahr 2020 den inzwischen als Sportleiter beim FC 05 Schweinfurt tätigen Robert Hettich ersetzte, jedoch zu wenig. Und so ist auch Ruman wieder Geschichte. Peter Hyballa heißt der neue Mann an der Seitenlinie des Tabellenzehnten. Der Ex-Profi und Exzentriker, der gerne über sich selbst in der dritten Person spricht und seine Ankunft in München mit Sätzen wie "Der Cowboy ist in der Stadt" umschreibt, erklärte sein Engagement bei Türkgücü jüngst gegenüber dem Fußballmagazin "11Freunde" so: "Der Klub ist eigenartig und ich bin eigenartig."
Vrenezi ist einer von 19 Neuzugängen
19 neue Spieler holte dieser eigenartige Klub zu Saisonbeginn. Einer von ihnen ist Albion Vrenezi. Der Ex-Würzburger, in der vergangenen Spielzeit nach seinem Leihende bei den Kickers noch für Zweitligist Jahn Regensburg aktiv (vier Tore, vier Vorlagen), läuft inzwischen wieder eine Liga weiter unten auf. Wie kommt's? "Der Schritt eine Liga weiter herunter war ungewöhnlich, aber der Verein will mittelfristig in die 2. Bundesliga aufsteigen. Ich will dabei helfen, ein Teil dieser Geschichte zu werden. Die Gespräche mit den Verantwortlichen und die Ziele, die der Klub verfolgt, haben mich so überzeugt, dass ich auch bereit war, eine Liga herunterzugehen", antwortet er schriftlich auf die Fragen dieser Redaktion. Zudem sei es ihm "sehr, sehr wichtig" gewesen, wieder in seiner Heimatstadt zu sein. "Ich habe mit Türkgücü das gefunden, was mich gereizt hat. Ich bin wieder zu Hause bei meiner Familie und bei einem Verein, der eine super Perspektive hat und den Blick nach oben richtet." Deshalb habe sich Vrenezi gegen eine Vertragsverlängerung in Regensburg entschieden.
Seine Torgefährlichkeit stellt der 28-Jährige nun also wieder in der 3. Liga unter Beweis: Vier Tore und drei Vorlagen gelangen Vrenezi in den bisherigen zwölf Partien. Auch wegen ihm warnt Kickers-Coach Schwarz vor der "pfeilschnellen Offensive" der Münchner. Das Trio Vrenezi, Philip Türpitz und Sercan Sararer besorgte neun der insgesamt 14 Türkgücü-Tore bislang. "Die Jungs haben erste und zweite Liga in den Beinen. Das ist halt einfach Qualität", sagt Schwarz. "Die gilt es aus dem Spiel zu nehmen."
Schwarz fordert "Mut" von seiner Mannschaft
Was will Schwarz bei seiner Premiere als Würzburger Cheftrainer am Dallenberg von seiner Mannschaft sehen? "Mut", sagt der 46-Jährige. "Ich will sehen, dass die Mannschaft das Spiel gewinnen will. Nicht, dass sie es nicht verlieren will. Das ist für mich ein riesiger Unterschied." Was er in der letzten Woche beobachten konnte, ist eine "willige" Mannschaft, die bereit sei, Grenzen zu überschreiten. Ob das gegen die "Wundertüte" Türkgücü gelingt? "Es sind kleine Schritte, die wir machen", sagt Schwarz.