Es waren nur noch ein paar Sekunden zu spielen in der ersten Halbzeit, als ein beinahe schon markerschütternder Schrei durch die s.Oliver Arena hallte. Wenige Augenblicke später faltete der Schreihals dann seine Hände wie zum Gebet und redete eindringlich auf Nick Weiler-Babb ein, und die ganze Gestik und Mimik von Andrea Trinchieri, dem italienischen Trainer des FC Bayern München, erinnerte mehr an ein Flehen als an eine Standpauke. Und der 25-jährige Amerikaner, bis zu diesem Zeitpunkt der mit Abstand zielsicherste und noch beste Münchner, stand da, zuckte kurz mit den Schultern und wirkte wie ein Schulbub, dem die Leviten gelesen werden. Ein fast skurriles Bild, weil der Spieler mit seinen 1,96 Meter mindestens eineinhalb Köpfe größer ist als sein Coach.
Die hochfavorisierten Bayern lagen in jenem Moment bei s.Oliver Würzburg mit 25:33 hinten, und die Szene spiegelte ganz gut die aktuelle Atmosphäre und Gemütslage in der Halle wider: links euphorisierte, sich ständig gegenseitig anfeuernde und leidenschaftlich kämpfende Baskets - reichlich uninspiriert, lethargisch und lustlos wirkende Bayern rechts.
Menschen, die ziemlich nahe an der Auswechselbank der Münchner saßen, haben die Verzweiflung Trinchieris natürlich noch ein wenig eindrucksvoller mitbekommen - sie soll in einem durchaus nicht alltäglichen Rüffel für Paul Zipser gegipfelt sein: "Shame on you!" - "Schäm Dich!" Der 26-jährige gestandene deutsche Nationalspieler und ehemalige NBA-Profi (104 Spiele für die Chicago Bulls) hatte wirklich einen ziemlich gebrauchten Tag erwischt, wie die Mehrheit seiner Kollegen. Und als Zipser dann später, zu Beginn des letzten Viertels, tatsächlich mal einen Dreier versenkte (sieben Mal versuchte er es insgesamt), schüttelte Trinchieri den Kopf und soll ausgerufen haben: "Impossibile!" - "Unmöglich!" Ironie tut auch im Sport manchmal ganz gut.
Die mit Branchenstars überhäufte Mannschaft der Gäste erhörte am Ende das Flehen ihres Trainers, der wegen seines Temperaments und auch fortan zügellosen Gesprächsbedarfs kurz vor seinem zweiten technischen Foul und damit kurz vor dem Rausschmiss aus der Halle stand, dann doch noch und mühte sich dank eines etwas engagierteren Auftritts im Schlussviertel letztlich zu einem 74:70 (27:33)-Erfolg. "Es war ein schwieriges Spiel für uns, weil Würzburg 35 Minuten lang gut gespielt hat und wir nicht voll da waren", sagte Trinchieri, der es an der Linie perfektioniert hat, Rumpelstilzchen wie einen Waisenknaben wirken zu lassen. Der 52-jährige Mailänder beglückwünschte "Würzburg für den guten Kampf" und war "glücklich, dass wir dieses Spiel als Mannschaft gewonnen haben". Bei den durch die Euroleague in Dauerschleife spielenden Münchnern, die eine realistische Chance haben, als erste deutsche Mannschaft ins Viertelfinale der Königsklasse einzuziehen, kann so eine Bundesligapartie wie am Mittwochabend gegen - zumindest nominell - brunnentief unterlegene Würzburger schon mal zur lästigen Nebensache werden.
Die Baskets freilich können nicht nur stolz sein auf ihre Vorstellung, wie Kapitän Felix Hoffmann meinte - sie können auch Hoffnung daraus ziehen für die kommenden Aufgaben. "Der Kampf war da, hübsch war's nicht." Trainer Denis Wucherer brachte es ziemlich genau auf den Punkt, auch als er noch meinte: "Um gegen so eine Mannschaft dann auch eine echte Chance zu haben, muss die Assists-Turnover-Quote besser sein. Auch die Wurfquote muss besser sein." 15 Vorlagen verteilten seine Mannen - wobei Tyson Ward mit fünf und Cameron Hunt, mit 19 Punkten Topscorer der Partie, mit vier Assists den Löwenanteil trugen. Die Würzburger warfen aber eben auch 19 Mal die Kugel weg. Und eine Trefferquote von lediglich 36 Prozent aus dem Feld (bei 64 Versuchen fanden nur 23 Würfe ihr Ziel, wobei die Quote bei Zweiern und Dreiern identisch war) reicht auch eher seltener aus für einen Sieg.
Nach den drei zu erwartenden Niederlagen in Serie gegen die Schwergewichte Berlin (85:99) und Oldenburg (84:124), bei denen unabhängig vom Ergebnis jeweils ein gröberer Klassenunterschied ersichtlich wurde, und nun München, kann vor allem der jüngste Auftritt den Baskets doch etwas Mut machen. Ihre nächsten drei Partien sind durchaus richtungsweisend für den Kampf um den Klassenerhalt: Erst geht es gegen die Kellerkinder Göttingen (mit vier Siegen 15., Samstag, 6.2.) und den Letzten Gießen (zwei Siege, Dienstag, 9.2., jeweils 20.30 Uhr), ehe es nach Weißenfels zum MBC geht (Elfter mit fünf Siegen wie die Baskets, Freitag, 12.2., 19 Uhr).
"Wenn wir gegen Göttingen ähnlich verteidigen und mit ähnlicher Intensität spielen wie gegen die Bayern, sollten wir da hoffentlich auf Augenhöhe agieren können", meinte Wucherer, der aber auch warnt: "Göttingen hat eine Menge gute Werfer, da müssen wir uns in der Verteidigung schon noch ein bisschen besser bewegen." Und für vorne wünscht er sich "einen besseren Rhythmus".