Es ist ein Blick in die Glaskugel. Noch, so ehrlich muss man sein, stehen den Würzburger Kickers auf dem Weg zurück in die Dritte Liga viele Hürden im Weg. Der Meister der Regionalliga Bayern muss sich schließlich nach Saisonende auch noch in Aufstiegsspielen gegen den Ersten der Nord-Staffel durchsetzen. Aber die Richtung, die Trainer Marco Wildersinn und sein Team eingeschlagen haben, stimmt. Es gibt gute Gründe an den Aufstieg der Rothosen zu glauben:
1. Die Siegesserie
Beim 3:1 (2:0) gegen den 1. FC Nürnberg II gelang am Samstag der siebte Sieg in Folge. So eine Serie war den Kickers in der sich nunmehr im zehnten Jahr befindlichen Profi-Ära noch nicht gelungen – weder unter Trainer Bernd Hollerbach noch unter Michael Schiele. Der aktuelle Chefcoach Marco Wildersinn ist nun auf dem besten Weg, sich in diese Reihe der Kickers-Aufstiegstrainer einzureihen, weil die vor der Saison mit dem Team besprochene, neue, ergebnisorientierte Spielweise aufgeht. Auch gegen die Club-Youngsters gab es letztlich keinerlei Zweifel daran, dass der Sieg verdient war. 14 Spieltage ohne Niederlage sind ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, dass die Kickers in dieser Saison nur äußerst schwierig zu bezwingen sind. Schließlich wächst mit jedem weiteren Erfolg das Selbstvertrauen.
2. Die Selbstkritik
Auch nach sieben Partien in Serie darf sich bei den Kickers niemand zurücklehnen. Auch wenn ein Großteil der Zuschauerinnen und Zuschauer am Samstag nach einem flott anzuschauenden Spiel zweier überdurchschnittlicher Regionalliga-Teams zufrieden den Dallenberg verließ, wollte Trainer Wildersinn kein allzu lautes Loblied auf sein Team singen. Zu wenig Souveränität hatte seine Elf ihm speziell in der zweiten Halbzeit ausgestrahlt. Dass die Nürnberger in der Schlussphase in Unterzahl einige Ecken in Serie herausarbeiteten, machte ihn trotz 3:1-Führung so wütend, dass er seine Schildmütze vom Kopf riss und auf den Boden schleuderte. "Wir wollen ein Spiel 90 Minuten dominant gestalten", sagte er später. An diesem Optimum werde in der folgenden Trainingswoche weiter gearbeitet.
3. Der Konkurrenzkampf
Ein anderer Grund, warum sich bei den Kickers keiner auf seinen Lorbeeren ausruht, ist der Konkurrenzkampf im Team. Kein Spieler scheint derzeit unersetzlich. Klar, einige scheinen fester gesetzt zu sein als andere. Doch selbst der etablierte, Zweitliga-erfahrene Angreifer Saliou Sané musste am Samstag erst einmal auf der Bank Platz nehmen. Sein Vertreter Tim Sausen hatte sich durch gute Trainingsleistungen einen Einsatz verdient, so Wildersinn. Die Ex-Schweinfurter Tim Kraus und Pascal Moll saßen nach ihrem Startelf-Einsatz beim 2:0 gegen ihren Ex-Klub gegen Nürnberg wieder draußen. Das wirklich erstaunliche angesichts der Wechselspiele: Die Teamchemie ist, wie alle betonen, trotz der Enttäuschung der Nichtberücksichtigten gut. Und die Personalrochaden bringen keinen Bruch ins Kombinationsspiel. Egal, wer an welcher Stelle steht, die Zahnräder greifen derzeit trotzdem ineinander.
4. Die Spielfreude
"Erwachsen" nennt Mittelfeld-Freigeist Ivan Franjic die Würzburger Spielweise. Das soll freilich nicht bedeuten, dass die Kickers nicht mehr die überragende Spielfreude der Vorsaison zeigen. Wer den in dieser Saison deutlich beständiger wirkenden Benjika Caciel beim Dribbeln zuschaut und wer sieht, wie sich Franjic und seine Mitspieler über dessen 18-Meter-Traumtor gegen Nürnberg und damit seinen ersten Saisontreffer freuen, der spürt etwas vom Spaß, den das Fußballspiel bei aller Ernsthaftigkeit noch immer macht.
5. Die Fitness
Es war eines der Themen der vergangenen Rückrunde. Wie fit sind die Kickers? Das wurde nicht nur hinter vorgehaltener Hand das eine oder andere Mal gefragt, auch weil es immer mehr Muskelverletzungen im Team gab. Eigentlich, so betont Wildersinn, mache man ja gar nicht viel anders. Trotzdem ist das Thema keines mehr. Die Rothosen, so scheint es, haben gegen so manchen Gegner, der nicht unter Profi-Bedingungen trainiert, immer etwas zuzusetzen. Ein Unterschied, den man gewiss nicht in jedem einzelnen Spiel sieht. Der sich in einer langen Saison mit einigen Englischen Wochen auf Dauer aber doch bemerkbar macht.
6. Die Kontrahenten
Es mag etwas vermessen klingen, aber nach 14 Spieltagen kann man mit Fug und Recht die Frage stellen, wer in dieser Regionalliga Bayern die Kickers aufhalten kann. Okay, das ist die DJK Vilzing, die zwölf von 14 Spielen gewonnen hat und durchaus ein ernstzunehmender Kontrahent im Kampf um die Meisterschaft zu sein scheint. Aber auch im Ringen um den Platz in den Aufstiegsspielen? Die in der Oberpfalz beheimatete "Mittelbayerische Zeitung" veröffentlichte in der vergangenen Woche dazu folgende Einschätzung: "Dass in überregionalen Medien stets die Frage nach einem möglichen Aufstieg in die Dritte Liga aufgeworfen wird, kann man am Huthgarten nur mit einem Lächeln quittieren. Denn klar ist, die Auflagen für eine Profi-Liga könnte die DJK niemals stemmen. Daher beschäftigt man sich mit solchen Szenarien am Huthgarten auch gar nicht erst." Zum TSV Aubstadt und Türkgücü München haben die Kickers bereits ein Neun-Punkte-Polster und jene Teams, denen zu Beginn ebenso Drittliga-Ambitionen nachgesagt wurden, wie die SpVgg Bayreuth oder der FC Bayern München II stecken im Tabellen-Mittelfeld fest.
7. Die Unterstützung
Selbst der neue Vorstandsvorsitzende André Herber war sich der Sache im Sommer noch nicht ganz sicher. Ob das Publikum den Kickers wohl auch im zweiten Jahr in Liga vier die Stange hält? Die Antwort ist: Ja. Offiziell 2754 Menschen kamen am Samstag gegen den 1. FC Nürnberg II an den Dallenberg. Unter 2000 lag die Zahl der Zuschauenden in dieser Saison nur einmal (gegen Greuther Fürth II) . Beeindruckend ist auch die Unterstützung bei Auswärtspartien, die atmosphärisch oft zu Heimspielen werden.