"Raketenangriffe auf Wohnhäuser: Tote nach Beschuss der Stadt Saporischschja". "Angst vor Atomunfall in Saporischschja". "Putin annektiert AKW Saporischschja". Drei Nachrichten aus den vergangenen drei Wochen, die zeigen, wie sehr Saporischschja mit dem größten Kernkraftwerk Europas die Schlagzeilen über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mitbestimmt.
Was die Sorge mit den Handballern von HC Motor Zaporizhzhia - so die Schreibweise, die die Handball-Bundesliga (HBL) verwendet - macht, lässt sich allenfalls erahnen. Der Klub, zuletzt neunmal in Folge Meister, darf in dieser Saison als Gast in der zweiten Liga mitspielen. Ein Novum im deutschen Spitzensport. Und ein werbewirksamer Akt der Solidarität, der der HBL national wie international Zuspruch einbringt.
Doch was kostet er eigentlich? Und wer bezahlt ihn?
Spieler spenden Teile ihrer Gehälter für das ukrainische Militär
Über die Gesamtsumme vermöge er keine Aussage zu treffen, schreibt Geschäftsführer Frank Bohmann auf Anfrage dieser Redaktion in einer Mail. Der größte Faktor sei die Finanzierung des Teams. Für diese kommt der ukrainische Hauptsponsor und Namensgeber auf, Motor Sitsch, ein Hersteller von Flugzeugtriebwerken. Manche Spieler spenden Teile ihrer Gehälter für das ukrainische Militär, wie Torwart Gennadij Komok unlängst der "Süddeutschen Zeitung" erzählte. "Wir kämpfen eben an der Sport-Front", sagte er.
Die Handballer - fast alle ukrainische Nationalspieler -, die nach Kriegsbeginn am 24. Februar aus ihrer Heimat geflohen oder wenig später mit offizieller Genehmigung ausgereist sind, leben und arbeiten nun in Düsseldorf, einige mit ihren Familien. Die Stadt Düsseldorf - bei der HBL ist dafür von einem sechsstelligen Betrag die Rede - hat Wohnungen für sie gemietet und stellt zwei Hallen für Training und Heimspiele. Im Castello empfängt HC Motor Zaporizhzhia am Sonntag die Wölfe Würzburg.
Wer welche Kosten trägt
Deren Geschäftsführer Roland Sauer hatte bei der HBL-Gesellschafterversammlung der Klubs der ersten und zweiten Liga für eine Aufnahme des European-League-Teilnehmers gestimmt und begrüßt sie nach wie vor. "Ich bin absolut dafür, dass wir den Ukrainern sportlich helfen", sagt er. Doch sehe er inzwischen auch Zusatzkosten in einer Höhe auf die deutschen Vereine zukommen, die zumindest die Wölfe kaum stemmen könnten.
Die HBL trägt, wie Bohmann bestätigt, "über eine mit allen Gesellschaftern einstimmig vereinbarte Pauschale die Kosten für die Auswärtsfahrt" nach Düsseldorf und für die Übernachtung jeder Mannschaft bei einer Entfernung zur Spielstätte von mehr als 400 Kilometern. Sauer sagt, die Pauschale decke "weit weniger" ab als das, was für Benzin derzeit anfalle. Zusätzlich müsse man für die Verpflegung der Spieler aufkommen.
Roland Sauer befürchtet: "Wir bleiben auf 10.000 Euro hocken"
Für das Heimspiel gegen Zaporizhzhia am 22. März 2023 rechnet der Wölfe-Chef mit einem noch viel größeren Draufleg-Geschäft. "Dafür zahlen keine Sponsoren", meint er. Mit großem Zuschauerinteresse rechnet der 67-Jährige ebenfalls nicht, obwohl beim Charity-Day 2017, als der damalige Champions-League-Starter Zaporizhzhia ein Benefizspiel gegen die Wölfe bestritt, 1200 Besucherinnen und Besucher kamen. Und obwohl bei den bisherigen Auswärtsspielen der Ukrainer in Lübeck, Essen, Balingen und Nordhorn-Lingen zwischen 1100 und 2075 Menschen in den Hallen waren.
Die Würzburger aber kämpfen aktuell ohnehin mit wenig Publikum: Zu den drei bisherigen Partien in der tectake Arena kamen im Schnitt nur knapp 700 Menschen. Sauer geht davon aus, dass gegen die außer Konkurrenz antretenden Ukrainer noch weniger zuschauen.
Abgesehen von den Ausgaben für Schiedsrichter und Dopingkontrollen, die von der HBL übernommen werden, müssen die Klubs gegen Zaporizhzhia trotzdem einen ganz normalen Spieltag bezahlen. "Nur Kosten, keine Mehreinnahmen", meint Sauer. Er fürchtet: "Wir bleiben auf 10.000 Euro hocken." Und wünscht sich - wie er sagt, nicht alleine - mehr finanzielle Unterstützung durch die HBL und eine gerechtere Verteilung der Kosten.
HBL reagiert verwundert über Sauers Vorstoß
In der dortigen Geschäftsführung in Köln reagiert man verwundert auf Sauers Vorstoß. "Die Finanzierung wurde von den Klubs der zweiten Liga bei der Entscheidung, HC Motor Zaporizhzhia in die Saison 2022/23 aufzunehmen, so vereinbart. Auf dieser Grundlage wurde eine Entscheidung zur Aufnahme getroffen", erklärt Bohmann. "Wenn jetzt ein Klub der zweiten Liga eine Nachbesserung möchte, müssten wir einen neuen Gesellschafterbeschluss fassen. Das würde insbesondere bei den Klubs der ersten Liga sicherlich Fragen aufwerfen."
Im Übrigen böte das zusätzliche Heimspiel gegen die Ukrainer auch Chancen, etwa an "Sponsoringaktivierungen"oder "Mietnachlässen durch Hallenbetreiber, die sich mit diesem Frieden stiftenden und nachhaltigen Projekt identifizieren", betont Bohmann. "Ich bin überzeugt, dass jeder Klub aus seinem Heimspiel gegen Zaporizhzhia einen wirtschaftlichen Zugewinn und einen emotionalen bei seinen Anhängern erzielen kann. Es bedarf hierfür allerdings auch eines gewissen Engagements." Ein Seitenhieb gegen Sauer?
Julian Thomann: "Zeigen, dass man im Sport vereint ist"
Die HBL räumt in einem Telefonat mit dieser Redaktion ein, dass "einige Punkte" zum Zeitpunkt der Abstimmung über die Aufnahme der Ukrainer noch nicht absehbar gewesen seien. Oliver Lücke, Geschäftsleitung Kommunikation und Medien, kündigt daher an: "Wir werden das Thema im Präsidium noch mal besprechen."
Wölfe-Trainer Julian Thomann findet jedenfalls "ganz toll", dass die Handballer aus Zaporizhzhia in der Liga dabei sind. "Ich hoffe, sie haben Spaß gegen uns und das Spiel lenkt sie etwas von ihren Sorgen ab. Vielleicht ist es das Beste, was man in dieser Situation tun kann: Zeigen, dass man im Sport vereint ist."
Wenn jeder Bundesbürger über das allgemeine Steueraufkommen seinen Beitrag leistet, dann kann man auch von kommerziellen Verein, die wohl auch noch Vorteile aus öffentlicher Förderung ziehen erwarten, dass sie einen kleinen Beitrag beisteuern.
Die normalen Einkommenssteuerzahler und die Rentner können nicht noch mehr in die Pflicht genommen werden. Es ist auch die Solidarität derer gefragt, die sich sonst immer nur mit großen Worten hervortun.
Große Organisationen, die oft selbst über beträchtliche Finanzmittel verfügen und beinahe schon gewohnheitsmäßig Subventionen und Fördermittel aus Steuergeldern erhalten werden dagegen nicht nur geschont sondern immer noch großzügig unterstützt, nur weil sie über Gruppendruck, lautes Jammern und Beziehungen zu Politikern Zugzwang aufbauen.
Hier muss ein Umdenken erfolgen und nötigenfalls auch mal für wichtigere Belange Geld umgeschichtet und gekürzt werden.