Kann man Selbstvertrauen trainieren? Nach der Meinung von Julian Thomann schon. Wie das geht? "Indem man durch Wiederholungen im Training Vertrauen ins System, die Mitspieler und die eigenen Fähigkeiten bekommt", hatte der Trainer der Wölfe Würzburg vor dem Kellerduell gegen den HC Empor Rostock gesagt. Und ergänzt: Bewähren müsse sich das dann natürlich im Spiel. So werde aus Vertrauen Selbstvertrauen.
Das hat sich am Freitagabend allerdings nicht seine Mannschaft, sondern der bis dato punktlose Tabellenvorletzte von der Ostsee geholt. Zum Auftakt des sechsten Spieltages in der 2. Handball-Bundesliga kassierten die Mainfranken beim 27:33 (12:14) ihre bereits fünfte Niederlage – und wieder mit einer satten Anzahl von mehr als 30 Gegentoren. Geschuldet "einer nicht konsequenten Verteidigung beim Sechs-gegen-Sieben und 13 Fehlwürfen im Angriff", analysierte Thomann.
Zur Wahrheit gehört auch: Die Würzburger verloren "nicht nur spielerisch, sondern auch kämpferisch". Torwart Jonas Maier sprach das Unbequeme aus, sein Coach stimmte zu. Die Mannschaft präsentierte sich dem Abstiegskampf nicht angemessen – oder ist zu blockiert dafür.
Die Talfahrt ist angesichts der nächsten Partien höchst gefährlich
Die Talfahrt geht somit weiter – und sie ist nicht nur angesichts der nächsten Partien höchst gefährlich. Nach dem Abpfiff blickte man nur in leere Gesichter bei den Würzburgern, während die Rostocker im Kreis tanzten und ihren ersten Saisonsieg feierten. Es muss eine Reaktion her bei den Wölfen.
"Die erwarte ich im Training. Wir müssen unglaublich viel investieren, um die Trendwende zu schaffen", fordert Thomann. "Und dass wir personell Verstärkung brauchen, das sage ich seit vor der Saison."
Wölfe spielen zum Zeichen der Trauer um Barbara Stamm in Schwarz
Die Gastgeber, erneut ohne Benedikt Brielmeier und Felix Karle, liefen zum Zeichen der Trauer um die am Mittwoch verstorbene Würzburger CSU-Politikerin und ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm in schwarzen Trikots auf. "Sie hat früher ab und an Spiele von uns besucht", erinnerte sich Wölfe-Geschäftsführer Roland Sauer. Unter anderem habe sie beim "Halbfinale" um den Aufstieg im Sommer 2017 gegen den TV Hüttenberg in der damals mit 2900 Zuschauenden ausverkauften Halle mitgefiebert.
An diesem Freitag konnte man von den erfolgreichen Zeiten damals nur träumen. Auf den Rängen der tectake Arena hatten sich lediglich 587 Interessierte versammelt. Und auch sportlich entwickelte sich der anfänglich vielversprechende Auftritt der Wölfe aus Sicht der Fans zum Trauerspiel. "Gegen wen wollen wir denn gewinnen, wenn nicht gegen die?", fragte einer von ihnen hinterher resigniert.
Wölfe legen einen 3:0-Start hin
Sichtlich motiviert hatten die Wölfe einen 3:0-Start (6.) hingelegt. Gäste-Trainer Till Wiechers brachte gegen die zunächst aggressive Abwehr der Gastgeber den siebten Feldspieler. Rostock kam auf 3:4 heran und zog diese Taktik bis zum Ende erfolgreich durch. Durch zwei Empty-Net-Goals verschafften sich die Würzburger zwar nochmal Luft, doch ab Mitte der ersten Hälfte mehrten sich wieder die Fehler in ihrem Angriffsspiel.
Beim 9:9 (19.) glich der HCE erstmals aus. Nach dem 12:11 (23.) gelang den Wölfen bis zur Pause kein Tor mehr. Ihr offensichtlich wieder schwindendes Selbstvertrauen nutzte Rostock, um eine 14:12-Führung mit in die Kabine zu nehmen.
Nur kurz keimt Hoffnung bei den Würzburgern auf
Und sie direkt danach auszubauen. Als Jonas Maier einen Kempa-Versuch der Gäste parierte und Kapitän Patrick Schmidt einen Siebenmeter zum 14:15-Anschluss verwandelte (35.), keimte kurz Hoffnung bei den Hausherren auf. Doch Abwehrschwächen und Angriffspatzer bestrafte Empor clever und erhöhte neun Minuten vor Schluss zum 21:25 (51.). Der Anfang vom Ende für die Wölfe.
Die Länderspielpause dürfte ihnen nun gelegen kommen. Vielleicht nutzen sie diese für eine Nachverpflichtung. Verstärkung werden sie brauchen, wenn es nach der Partie ohne Wertung gegen das ukrainische Team des HC Motor Zaporizhzhia in Düsseldorf (23.10.) in der Englischen Woche wieder um Punkte geht bei zwei Heimspielen gegen Topklubs: Zuerst kommt die HSG Nordhorn-Lingen (28.10.), dann Thomanns Ex-Verein HBW Balingen-Weilstetten (2.11.) mit dem früheren Wölfe-Coach Jens Bürkle. Der führte den Klub in die 2. Liga.