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HANDBALL: ZWEITE BUNDESLIGA, MÄNNER
„Rimpar ist eine Wundertüte“
Exklusiv-Interview mit Frank Bohmann: Warum der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga der DJK Rimpar Wölfe zu einer Namensänderung rät, wo die Entwicklung der Zweiten Liga hinführen soll und was er von der neuen Saison erwartet.
Frank Bohmann ist seit 15 Jahren Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL).
Foto: Sandra Then | Frank Bohmann ist seit 15 Jahren Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL).
Natalie Greß
 und  Jörg Rieger
 |  aktualisiert: 22.08.2022 16:40 Uhr

In der kommenden Saison wird das Spielniveau in der zweiten Liga so gut sein wie nie.“ Das prophezeit Frank Bohmann, der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL) vor dem Saisonstart an diesem Freitag. Warum hinter der Aussage mehr als der übliche Branchenreflex steckt, wieso die Liga geschrumpft wird und weshalb die DJK Rimpar Wölfe aus seiner Sicht neue Wegen gehen muss, um konkurrenzfähig zu bleiben, verrät der 54-Jährige im Exklusiv-Gespräch mit dieser Redaktion bei einem Treffen in Köln.

Frage: Herr Bohmann, die zweite Liga steht vor ihrer siebten Saison in der Eingleisigkeit. Wie fällt Ihr Fazit nach sechs Jahren aus?

Frank Bohmann: Die Liga ist inzwischen sehr viel professioneller als noch mit 36 Klubs. Das Spielniveau war in der Zweigleisigkeit nicht gut genug, um Toptalente zu entwickeln. Und das Budgetniveau war noch sehr viel unterschiedlicher als heute. Bei der Verkleinerung damals haben sich nicht nur die sportlich Besten qualifiziert, sondern tendenziell auch die, die wirtschaftlich besser gearbeitet haben. Das hat uns im Lizensierungsprozess einiges erleichtert. 

Allerdings ist die Einstiegshürde höher geworden . . .

Bohmann: Das ist richtig. Um in der zweiten Liga zu bestehen, muss ein Klub inzwischen formell und unternehmerisch deutlich mehr können als früher. Aus Sicht der HBL hat sich der Schritt hin zur Eingleisigkeit jedenfalls gelohnt. Wir stehen dadurch wirtschaftlich viel stabiler und sportlich viel leistungsstärker da. 

Von den Gründungsteams der eingleisigen zweiten Liga im Jahr 2011 sind nur noch sechs Klubs übrig, die ununterbrochen dabei waren. Ist die Klasse eine Fahrstuhlliga?

Bohmann: Wir wollten durch die Eingleisigkeit das Produkt zweite Liga so attraktiv gestalten, dass die Klubs sagen: „Das soll unser Zuhause sein und nicht nur Durchgangsstation in die erste Liga.“ Ich denke, da sind wir auf dem richtigen Weg. Rimpar ist dafür ein gutes Beispiel, auch wenn der Verein eine atemberaubende Entwicklung genommen hat und letztes Jahr fast aufgestiegen wäre.

  • Lesen Sie hier: Das neue Gesicht der Wölfe

Hat Sie der Erfolg der Wölfe überrascht?

Bohmann: Ja, aber ganz offensichtlich wird dort aus den eigenen Möglichkeiten überdurchschnittlich viel herausgeholt; es sind bestimmt sieben Plätze, die Rimpar gemessen am Etat zuletzt gutgemacht hat. Das kann natürlich auch mal schiefgehen, wobei ich betonen will, dass der bisherige Erfolg keine glückliche Fügung war. Dafür hält er schon zu lange an. Trotzdem müssen sich die Verantwortlichen fragen, wo sie in fünf Jahren stehen wollen. Ich glaube schon, dass sie auf Dauer strategisch neue Wege gehen müssen – bei allem Respekt vor der Arbeit der Familie Sauer in den letzten Jahren.

An welche Wege denken Sie?

Bohmann: Der Hebel muss sein, so pauschal das auch klingt, mehr Geld zu verdienen.

Was in Würzburg bei der sportlichen Konkurrenz in den anderen Sportarten nicht ganz einfach ist.

Bohmann: Ja, aber Mainfranken ist immerhin eine prosperierende Gegend. Die Sponsorenakquise ist dort sicher kein Kinderspiel, aber es gibt Regionen, in denen es noch viel, viel schwerer ist. Und eine Geldvermehrungsmaschine sind Zweitliga-Klubs nirgendwo.

Warum wird die Liga von 20 auf 18 Klubs verkleinert, wodurch am Ende dieser Saison fünf Vereine absteigen?

Bohmann: Die bessere Planbarkeit für die Vereine gerade hinsichtlich der Verpflichtung neuer Spieler ist ein Grund. Aber auch für uns als HBL macht es die Planung einfacher, wenn am letzten Spieltag nicht noch zehn Klubs absteigen können und wenn in beiden Ligen gleich viele Vereine vertreten sind. Darüber hinaus wollten wir die Anzahl der Wochenspiele reduzieren, die vielen Zweitligisten – unter anderem ja auch Rimpar mit seinen Berufstätigen – wehtun. Das war ein großes Anliegen der Klubs.

Wie stehen Sie zum Modell der dualen Karriere, das in der Liga ja noch einige Vereine praktizieren (müssen)?

Bohmann: Solange es funktioniert, begrüße ich das. Es wird jedoch für dieses Modell immer schwerer, je mehr Klubs auf Profis setzen. In Hamm, Nordhorn oder Lübeck sind inzwischen sechs oder sieben Profis dabei – und in Lübbecke ist fast jeder Akteur ein Profi. Gegen diese Spieler müssen sich Mannschaften wie Rimpar behaupten, das ist schon ein schweres Unterfangen. Trotzdem finde ich das duale System positiv, weil es auch eine Karriere nach dem Handball gibt. Dieses bodenständige Modell ist ja auch Teil der Gesellschaft und damit glaubwürdig. Das will der Handball sein, auch in Abgrenzung zu anderen Sportarten.

2020 gibt es dann nur noch zwei Absteiger, ein Klub muss in die Relegation. In der Ligaversammlung im Juni ist ein Antrag von Zweitligisten gescheitert, künftig auch Relegationsspiele um den Aufstieg zwischen dem Bundesliga-16. und dem Zweitliga-Dritten auszutragen. Warum lässt man sich diese Chance auf Aufmerksamkeit und zusätzliche Einnahmen entgehen?

Bohmann: In der ersten Liga kriegen wir das zeitlich gar nicht hin. Nach dem 34. Spieltag finden immer noch WM- oder EM-Qualifikationsspiele für zwei Wochen statt. Solange müsste der Ligabetrieb pausieren, um danach noch mal in die Relegation zu gehen. Das ist schlecht. Zudem wüssten wir dann erst Mitte, Ende Juli, wer in der ersten und wer in der zweiten Liga spielt. Aber abgesehen davon halten wir auch drei Absteiger aus der ersten Liga für zu viele.

Häufig, wie zuletzt in der Südstaffel, machen die Drittligisten nicht von ihrem Aufstiegsrecht Gebrauch. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Bohmann: In dem Maße, wie die Kluft zwischen erster und zweiter Liga kleiner wird, wird wohl die zwischen zweiter und dritter größer. Zwar nicht sportlich, weil die Aufsteiger in den letzten zwei, drei Jahren meist eine sehr gute Rolle gespielt haben und höchstens einer direkt wieder abgestiegen ist, aber wirtschaftlich. Aufstiegsberechtigte Vereine hätten jeweils nur etwa ein Drittel des Etats aufbringen können, den der schwächste Zweitligist zur Verfügung hat.

Offiziell gibt es keinen Mindestetat in der Bundesliga – unter welchem Betrag ist eine Teilnahme am Zweitliga-Spielbetrieb für Klubs aber unrealistisch?

Bohmann: Mit weniger als 700 000 Euro wird es ein Husarenritt. Der Durchschnitt in der zweiten Liga liegt bei etwa 1,2 Millionen Euro.

Rimpar gibt einen Etat von 820 000 Euro an. Wie viele Klubs haben einen noch kleineren?

Bohmann: Es gibt ein, zwei Vereine, die unter 800 000 Euro liegen. Rimpar gehört in der Geldrangliste auf jeden Fall zum unteren Drittel. Der Etat dort ist schon immer auf Kante genäht.

Romantische Geschichten wie die der Wölfe, die mit einer halben Mannschaft aus Eigengewächsen von der Landes- bis in die zweite Liga aufgestiegen sind, werden in der Bundesliga nicht mehr geschrieben – obwohl der Handball vom Dorf kommt. Inwieweit sind die HBL-Anforderungen insbesondere an kleine Vereine in der zweiten Liga zu hoch?

Bohmann: Wir wollen das Produkt zweite Liga für sich auf ein Topniveau bringen. Das ist natürlich für kleine Vereine viel schwieriger als für Klubs, die über eine professionelle Infrastruktur verfügen. Aber das kann nicht unser Maßstab sein. Wir können nicht dafür zuständig sein, dass der Handball in Dörfern überlebt. Dennoch gibt es sie ja noch auf unserer Landkarte: siehe Rimpar, siehe Hüttenberg, siehe Ferndorf. Alles Klubs, die die Anforderungen aus eigener Kraft erfüllen – ohne Mäzene im Hintergrund.

Dennoch gibt es immer wieder Bestrebungen, den Handball in größere Städte (zurück) zu bringen, siehe Düsseldorf oder Dresden. Dort mit bisher mäßiger Resonanz beim Publikum.

Bohmann: Trotzdem muss der Handball auch in Metropolen gehen. Er ist national wie international viel leichter zu vermarkten, wenn über Berlin und Hamburg gesprochen wird als über Melsungen und Lübbecke. Zugleich müssen wir aber auch dort präsent bleiben, wo wir herkommen, denn dort hat der Handball andere Möglichkeiten, muss sich nicht mit 150 anderen Vereinen um Sponsorengelder streiten. Eine Liga mit einer ausgewogenen Mischung von Klubs aus kleineren und großen Städten ist aus unserer Sicht ideal.

Würden Sie kleinen Vereinen empfehlen, die ohnehin nicht mehr in ihren Dorfturnhallen spielen, sondern in der Arena der nächsten größeren Stadt, diese in ihren Vereinsnamen aufzunehmen – wie etwa der TV Bittenfeld, der sich in TVB Stuttgart umbenannt hat?

Bohmann: Klar wäre in diesen Fällen die Eier legende Wollmilchsau die beste Lösung, sprich: die eigene Identität behalten und den großen Namen mitnehmen. Der TVB hätte als Bittenfeld in der ersten Liga nicht bestehen können, er lebt viel von Sponsoren im Stuttgarter Raum. Nur mit dem Namen Stuttgart hätte der Verein aber vielleicht zu viele einheimische Zuschauer und auch Ehrenamtler vergrault. Das ist ein schwieriger Spagat. Aber ich glaube, der Herausforderung muss sich ein Management stellen, wenn ein Klub ambitionierte Ziele verfolgt und am letzten Spieltag nicht noch einmal von einem Aufstiegsplatz weggekegelt werden will.

So wie Rimpar.

Bohmann: Ohne, dass ich die Situation in der Region um Rimpar genauer analysiert habe, könnte der nächste Schritt bei den Wölfen eine Namensumbenennung sein, dahingehend, Würzburg aufzunehmen – trotz all der genannten Risiken. Als DJK Rimpar werden große Sprünge nicht möglich sein, fürchte ich.

In diesem Jahr kommt mit dem HSV Hamburg der Champions-League-Sieger von 2013 ins Unterhaus. Was erhoffen Sie sich von dem klangvollen Namen?

Bohmann: Hamburg wird mit Sicherheit ein Zugpferd und Zuschauer bringen. Ich glaube noch nicht, dass die Mannschaft um die Spitze mitspielen wird. Dafür ist die Liga in der nächsten Saison zu stark. Es haben sich einige Vereine ins Stammbuch geschrieben, dass sie aufsteigen wollen und ihre Kader entsprechend aufgestellt, das wird ein echtes Muskelspiel. Ich erwarte mir sehr viel von Hamm, einiges von Nordhorn, Lübeck-Schwartau wird angreifen, Lübbecke ohnehin. Die Hüttenberger sind kaum schwächer als in der Bundesliga . . .

. . . und dann gibt es noch Teams wie Coburg und Balingen.

Bohmann: Und der Anspruch von Dresden und Düsseldorf wird auf Dauer auch sein, nach oben zu gehen, wenn auch noch nicht in der kommenden Saison. Wir haben viele Ambitionen in der zweiten Liga, aber wir haben eben auch einen Absteiger mehr. Das wird ein richtig spannendes Rennen.

Wen erwarten Sie hinten in der Tabelle?

Bohmann: Gegen den Abstieg werden vermutlich die Vereine spielen, die sich in der vergangenen Saison erst kurz vor knapp gerettet haben – etwa Aue und Wilhelmshaven. Emsdetten hatte einige Abgänge und muss sich auch noch wirtschaftlich konsolidieren. Die anderen drei Aufsteiger neben Hamburg spielen auch erst mal gegen den Abstieg. Einige Klubs kann ich nicht so richtig einschätzen, wie zum Beispiel Dessau. Auch Rimpar ist für mich eine Wundertüte.


Zur Person

Als ehemaliger Hockeyspieler wurde der 1964 in Krefeld geborene Diplomkaufmann Frank Bohmann im Sommer 2003 Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL). „Der Fachmann, der Handball von klein auf gelernt hat, bin ich natürlich immer noch nicht. Dafür kann man mich keinem Lager zuordnen. Diese Neutralität habe ich mir bis heute bewahrt“, sagt er. In den 15 Jahren unter seiner Führung wurde der Etat in der ersten Liga von 40 auf nun 105 Millionen Euro gesteigert. Die zweite Liga sei gleichermaßen gewachsen. Neben der wirtschaftlichen Professionalisierung der HBL sieht Bohmann als seine Haupterrungenschafte für den Handball an, „den ganzen medialen Wandel mitgenommen“ und die „sportliche Entwicklung forciert“ zu haben: „Ohne unser Jugendzertifikat, das wir seit 2007 vorantreiben, hätte es unsere Europameister von 2016 vermutlich nicht gegeben.“
 
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