Was haben die Handball-Nationalspieler Uwe Gensheimer, Patrick Wiencek, Silvio Heinevetter, Steffen Weinhold und Julius Kühn gemeinsam? Alle fünf kommen aus der Talentschmiede der zweiten Liga und werden in der neuen Saison die Übertragung deren Spiele auf sportdeutschland.tv bewerben. „Wir haben Aufsager produziert, die wir auf unseren reichweitenstarken Social-Media-Kanälen im Sinne der zweiten Bundesliga und des Streamingangebotes nutzen werden“, verrät Oliver Lücke, Mediendirektor der Handball-Bundesliga (HBL) auf Anfrage dieser Redaktion.
In der Saison 2018/19 hatte sportdeutschland.tv, der Online-Sender des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), erstmals alle 380 Partien aus dem Unterhaus live und kostenlos gestreamt, sie waren danach zudem "on demand", also als Konserve abrufbar. Möglich gemacht hat das der bis 2023 abgeschlossene TV-Vertrag der HBL mit dem Pay-TV-Anbieter Sky und ARD/ZDF, in dessen Rahmen Sky bis einschließlich 2020 die TV-Rechte für die zweite Liga an sportdeutschland.tv abgetreten hat. Auch in der am 24. August beginnenden neuen Saison werden alle 306 Spiele live übertragen. Eine Bilanz und ein Ausblick.
Welche TV-Quoten hatten die Zweiliga-Spiele 2018/19?
Im Schnitt verfolgten laut sportdeutschland.tv 3000 bis 3500 Zuschauer die Partien, in der Spitze gab es mehr als 5400 Live-Aufrufe – beim Zugpferd der Liga, dem Handball Sportverein Hamburg. Damit sind die Verantwortlichen zufrieden: "Nicht so schlecht, darf aber gern mehr sein", sagte Geschäftsführer Frank Bohmann der "Handballwoche". Zum Vergleich: Die Fernseh-Livespiele der ersten Liga sahen vergangene Saison im Pay-TV-Sender Sky durchschnittlich knapp 27800 Menschen, Quotenhit mit 183000 Zuschauern war das Spitzenspiel zwischen dem THW Kiel und den Rhein-Neckar Löwen. Die Spieler der Fußball-Bayernliga, die live, gratis und kommentarlos durch automatisierte 360-Grad-Kameras auf sporttotal.tv gestreamt werden, haben laut Fabian Frühwirth, Pressesprecher des Bayerischen Fußball-Verbands, zwischen 800 und 2500 Zugriffe.
Hat die TV-Übertragung Zuschauer in den Hallen gekostet?
Das war die Befürchtung der Klubs. Tatsächlich verzeichnete die zweite Liga insgesamt einen Zuwachs von rund 27000 Zuschauern in den Hallen. Ein Großteil davon geht auf den HSV zurück, der im Schnitt 3526 Besucher anlockte (insgesamt 67009). Auch sportlich erfolgreiche Vereine wie die Aufsteiger HBW Balingen-Weilstetten und HSG Nordhorn-Lingen verbuchten ein Plus. Insgesamt 3000 Zuschauer weniger als in der Vorsaison (Durchschnitt: 161) kamen dagegen in die s.Oliver Arena zu den Spielen der DJK Rimpar Wölfe. "Ich führe das vor allem darauf zurück, dass wir sportlich nicht so erfolgreich waren wie davor", sagt Geschäftsführer Roland Sauer. "Einen kleinen Anteil" am Rückgang habe aber vielleicht auch die TV-Übertragung. HBL-Mediendirektor Lücke ist "davon überzeugt, dass das Liveerlebnis in den Hallen eine andere Intensität hat als das auf dem Bildschirm. Beide Angebote befruchten sich eher."
Was war gut, was ist noch ausbaufähig?
Nach Ansicht der HBL hatten die TV-Produktionen, die die Klubs in Eigenregie inklusive Spielständen und Kommentierung stemmen müssen, eine "unterschiedliche Qualität, aber ein sehr ansehnliches Niveau", so Bohmann in der "Handballwoche". Ein Teil liefere bereits jetzt fernsehreife Übertragungen mit zwei bis drei Kameras, Zeitlupe und sehr guter Regie ab, ein anderer Teil produziere dagegen nur Bilder mit einer Führungskamera, die sehr weit unterm Hallendach stehe, teils mit Sichtbehinderung auf das Spielfeld durch Zuschauer. Die Tatsache, dass manche Kommentatoren die Spiele mit Vereinsbrillen bewerten, sei kein Problem: "Das ist authentisch." Dennoch betont Mediendirektor Lücke: „Unsere Aufgabe muss es sein, diese Standards kontinuierlich zu verbessern und insgesamt auf ein höheres Niveau zu heben." Dafür will die HBL regionale Schulungen anbieten, von denen neben Technikern auch Kommentatoren profitieren sollen. Eine deutliche Verbesserung sollen auch modernisierte und einheitliche TV-Grafiken bringen.
Wie soll die Reichweite 2019/20 gesteigert werden?
Die prominenten Profis als „Paten“ sind nur ein Rädchen in der Marketingmaschine. Einiges verspricht sich die HBL von der Möglichkeit, dass künftig jeder Klub die Möglichkeit hat, die ersten zehn Minuten jedes Spiels live auf seiner Facebook-Seite zu zeigen, um den Stream dann auf sportdeutschland.tv fortzusetzten. „Wir hoffen, dass die Zuschauer den Transfer mitgehen“, so Lücke. Grundsätzlich sei es erforderlich, dass alle Beteiligten die zentrale Plattform möglichst intensiv bewerben.
Was wünschen sich die Klubs von der HBL?
Vor allem mehr finanzielle Unterstützung. Aus dem TV-Vertrag soll die zweite Liga mit insgesamt 250000 Euro bezuschusst werden. Über die Verwendung der Mittel befasst sich laut Lücke seit Juli eine Arbeitsgruppe. Bohmann hat in Aussicht gestellt, dass sie der Medienproduktion zugutekommen könnten. Aus der TV-Vermarktung erhält jeder Zweitligist in der neuen Saison 34000 Euro (2018/19: 30000 Euro).
Wie können die Klubs TV-Erlöse erwirtschaften?
Theoretisch, in dem sie die Werbezeit, die der TV-Vertrag ihnen einräumt – fünf Minuten pro Stunde Übertragung – vermarkten. Praktisch aber tat sich offenbar die Mehrzahl der Vereine im Premierenjahr noch schwer, diese Zeit kreativ und rentabel zu nutzen. So hatten etwa die Rimparer Wölfe nur einen Sponsor als Werbepartner, und den auch erst ab der Rückrunde. Die Kosten von rund 2000 Euro, die pro Saison für die Miete des Equipments anfallen, waren damit laut Geschäftsführer Sauer immerhin gedeckt. Dennoch sagt er: „Die Werbung bringt kleinen regionalen Partnern nichts. Was nützt es dem Rimparer Bäcker, wenn seine Spots von Zuschauern in Hamburg gesehen werden?“ Aus diesem Grund hat Sauer auf der Tagung der Geschäftsführer der Zweitligisten erneut angeregt, für einen Teil der Werbezeiten einen Pool aus allen Klubs zu bilden, um gemeinsam ein Gesamtkonzept zu entwickeln und bundesweite Partner zu finden. Diesmal sei sein Vorschlag von allen Kollegen an- und aufgenommen worden. In einem kleinen Team, dem Sauer angehört, soll dieses Konzept nun erarbeitet werden. „Zum Tragen kommen wird das wohl erst im nächsten Jahr, aber die Vermarktung ist sicher einfacher, wenn wir uns zusammentun“, ist der Rimparer überzeugt.