Leonie Beck (24) und Leonie Ebert (21) sind zwei von insgesamt drei Olympioniken aus Unterfranken in Tokio. Beide sind jung, beide leben in Würzburg, beide haben die Sportklasse des Deutschhaus-Gymnasiums besucht - dennoch kennen sie sich nur flüchtig. Sie wirken sehr unterschiedlich: Leonie Beck, die Freiwasserschwimmerin vom SV Würzburg 05 unbekümmerter; Leonie Ebert, die Florettfechterin vom Verein Future Fencing Werbach kontrollierter. Und doch eint diese beiden Frauen mehr als der Papierkram, den sie für die Einreise nach Japan organisieren müssen und über den sie sich am Rande dieses Gesprächs am Heuchelhof intensiv austauschen. Mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen erfüllt sich für die ambitionierten Athletinnen ein Lebenstraum, für den sie seit Jahren jeden Tag diszipliniert und fokussiert arbeiten. Über ihre Ziele in Japan halten sie sich bedeckt. Im Interview sprechen sie aber über Ihre Motivation, den Wert von Familie und die Liebe zur Heimat.
Leonie Beck: Ich muss zugeben, ich weiß nicht viel über Leonie, außer, dass sie Fechterin ist. Ich kenne ihre Schwester. Sie war Synchronschwimmerin bei mir im Verein (SV Würzburg 05, Anm. d. Red.).
Leonie Ebert: (an Leonie Beck gewandt) Ich weiß, dass du auch auf dem Deutschhaus warst. Dort wurdest du oft als Beispiel genannt für eine große Athletin, die Schule und Sport erfolgreich verbunden hat. Ich kenne dich natürlich auch, weil meine Schwester bei dir im Verein war.
Beck: Ich bin ein sehr positiver Mensch. Ich bin zielstrebig, humorvoll, mach gerne Witze, lach' gerne, bin loyal und ein absoluter Familienmensch.
Ebert: Ich bin ein emotionaler, loyaler und totaler Familienmensch. Ich mache keine halben Sachen, sondern gebe immer 100 Prozent.
Ebert: "Klein" kommt daher, dass ich immer das Küken im Team war, "Tiger" von meinem Fechtstil. Ich laure auf den richtigen Moment, nutze diesen und explodiere dann beim Schreien - aber eben nur wie ein kleiner Tiger, nicht wie ein großer. So laut ist mein Schrei nicht. (lacht)
Ebert: Typisch Leonie ist, dass ich schon oft ins Auto gestiegen bin und keine Ahnung hatte, wo es hingeht. Nach einem solchen Kurztrip stand ich am Montag wieder auf der Matte, manchmal mit wenig Schlaf, aber immer happy. Das ist typisch für mich und meine Familie, einfach spontan zu sein und Dinge durchzuziehen.
Beck: Mein Bruder würde sagen, es ist typisch Leonie, dass ich immer einen Schluck im Wasserglas lasse. Ich trinke mein Getränk nie leer, das regt ihn ziemlich auf. (lacht) Typisch für mich ist auch, dass ich immer einen Grund zum Lachen finde und versuche, alles positiv zu sehen.
Beck: Würzburg ist für mich Heimat, vor allem mein Verein, der SV Würzburg 05.
Ebert: Würzburg ist mein Zuhause und mein Safe Place.
Ebert: Ich bin stolz, dass ich für Würzburg, für Main-Tauber-Franken starte. Dass ich von meiner Heimat unterstützt werde, das bedeutet mir viel.
Beck: Das seh' ich auch so. Bei Olympischen Spielen tritt man eigentlich als Team Deutschland auf, aber wenn man weiß, dass die Heimatstadt hinter einem steht und sich für einen interessiert, das weckt schon ein Gefühl der Wertschätzung und Freude.
Beck: In Deutschland gibt es sehr wenige Sportarten außer Fußball, die viele Zuschauer begeistern. Das ist einfach so, aber gerade die Olympischen Spiele sind eine tolle Chance unsere Sportarten in der breiten Öffentlichkeit bekannter zu machen. In Italien etwa sind Sportler Nationalhelden. Dort wird wertgeschätzt, was eine Sportlerin oder ein Sportler leistet, was ich ziemlich toll finde. Das zeigt sich auch an den Prämien für die Olympischen Spiele. In Deutschland bekommt man 20.000 Euro für eine Goldmedaille, in anderen Ländern bis zu eine Million Euro und eine lebenslange Rente. Ich möchte mich nicht aufs Geld beschränken, denn dafür mache ich den Sport nicht, aber da sieht man die Unterschiede.
Ebert: Auch in Russland verfolgen sehr viele Leute sehr viele verschiedene Sportarten, das ist in der deutschen Mentalität nicht so verankert. Es gibt viele Länder, in denen man als Spitzensportler ausgesorgt hat. In Deutschland bezahle ich eher drauf. Hier habe ich beispielsweise im Fechten nicht die Strukturen, die ich benötige, um mich mit Nationen wie Russland, Frankreich, Italien oder den USA messen zu können. Wenn ich mit denen mithalten will, muss ich mir die besten Trainer selbst suchen und bezahlen.
Ebert: Fechten ist mental sehr herausfordernd. Man muss sehr viel Stärke beweisen, immer wach und konzentriert bleiben. Beim Fechten lernt man vor allem Frustrationstoleranz. Es gibt im Gefecht teilweise Obmann-Entscheidungen, die man nicht nachvollziehen kann. Man hat aber keine Zeit, sich zu ärgern. Nach zwei Sekunden muss man den Treffer abhaken, um sich auf den nächsten Angriff konzentrieren zu können. Auch Teamwork und Respekt sind bedeutend im Fechten. Dazu kommt das Reisen, das Kennenlernen fremder Kulturen, durch das man sehr, sehr viel mitnimmt.
Beck: Mich hat der Schwimmsport auch sehr geprägt. Ich bin der Mensch, der ich heute bin, aufgrund dieser Sportart, aufgrund des Vereins, aufgrund der Mannschaft um mich herum.
Beck: Auf jeden Fall. Man trainiert zusammen, man fährt zusammen auf Wettkämpfe, man macht in der Freizeit so gut wie alles zusammen, man sieht sich jeden Tag. Meine Teamkameraden sind sozusagen meine Familie. Es sind Freundschaften fürs Leben.
Ebert: Einige Fechter, immerhin Kampfsportler, können das besser trennen, andere schlechter. Es gibt die, die sagen: ,Du bist mein Gegner, dich zerstör' ich auf der Bahn, da kann ich keine freundschaftlichen Gefühle zulassen.' Ich bin der freundschaftliche Typ. Ich musste eher lernen, das Freundschaftliche auf der Bahn sein zu lassen.
Ebert: Normalerweise trainiere ich nachmittags vier bis fünf Stunden, vormittags zwei - und das sechsmal die Woche. Da kommt einiges zusammen. Besonders in den Trainingslagern, wo wir zuletzt zweimal am Tag drei bis vier Stunden gefochten haben.
Beck: Mein Trainingspensum ist übers Jahr relativ gleich geblieben. Etwa 25-30 Stunden reines Training an sechs Tagen pro Woche.
Ebert: Ich höre sehr viel Rap. Das motiviert mich vor dem Training und pusht die "Keine-Gnade-Stimmung". Nach dem Training höre ich meistens klassische Musik, weil sie mich entspannt. Wenn ich selbst Klavier spiele, dann ist das auch eher eine regenerative Einheit. Ich habe zur Zeit Biografien zu Hause liegen, von Barack und Michelle Obama und Roger Federer. Die wollen gelesen werden. Das Problem ist: Solche Biografien kann man nicht lesen, wenn man intensiv trainiert und abends ausgelaugt ist. Deshalb kommt das leider im Moment zu kurz.
Beck: Ich bin nicht so die, die gerne liest. (lacht) Aber ich höre sehr gerne Musik aller Richtungen.
Ebert: Ganz klar Roger Federer. Was mich an ihm fasziniert ist, dass er so elegant und clever spielt. Etwas, das auch ich in meinem Fechtstil umzusetzen versuche. Was mich am meisten beeindruckt ist, dass Roger Federer immer am Boden geblieben ist, obwohl er einer der größten Sportler der Welt ist. Das macht ihn zum wahren Champion.
Beck: Für mich ist Thomas Lurz das größte Vorbild. Ich hatte das Glück, jahrelang mit ihm trainieren zu dürfen, als er noch aktiv war. Er ist sehr, sehr bodenständig und fleißig - Werte, die uns allen beim SV Würzburg 05 mitgegeben wurden. Er hat uns gezeigt, was man alles erreichen kann, wenn man sehr hart trainiert, dass man dadurch sogar ein Quäntchen fehlendes Talent ausgleichen kann.
Ebert: Das ist aufgrund von Corona leider nicht möglich, beziehungsweise nicht sinnvoll. Als Athletin muss ich mich ja in einer Blase bewegen, darf nicht aus dem Olympischen Dorf raus. Selbst wenn meine Familie in Tokio wäre, könnten wir uns nicht sehen.
Beck: Ich habe das Glück, dass mein Papa als Mannschaftsarzt des deutschen Schwimmteams nominiert ist. Ich bin froh, dass er mich begleitet und beim Wettkampf verpflegt. Das hat er sich auch wirklich verdient. Schon seit Jahrzehnten ist er im Freiwasserteam als Arzt dabei und investiert jeden Urlaubstag, um das Team zu unterstützen, auch wenn er als Not- und Chefarzt einen engen Zeitplan hat.
Ebert: Das Besondere an Olympia ist ja, dass man mit unglaublichen Sportlern zusammentrifft, dass die ganze Welt zusammenkommt, um den Sport zu feiern, dass es eine große Aufmerksamkeit gibt auch für sonst nicht so populäre Sportarten wie Fechten. Verständlicherweise ist das in diesem Jahr so nicht möglich. Ich hoffe, dass ich das als Chance nutzen kann, mich noch mehr auf den Wettkampf zu konzentrieren, ohne all den Rummel rundherum.
Beck: Im Freiwasser ist es nicht so eine große Umstellung, dass keine Zuschauer da sein dürfen. Im Schwimmbad oder Leichtathletikstadion ist das anders. Aber ich bin froh, dass die Olympischen Spiele überhaupt durchgeführt werden. Die Organisatoren haben ein sehr, sehr gutes Sicherheitskonzept entwickelt, dafür nimmt man Einschränkungen in Kauf.
Ebert: Dass ich mit gerade einmal 21 Jahren an Olympia teilnehme, ist für mich schon ein Erfolg.
Beck: Mein Ziel ist es, im Rennen so wenig Fehler wie möglich zu machen, um die bestmögliche Platzierung an diesem Tag zu erreichen. Ich hoffe auf den Tag meines Lebens.