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Aschfeld
Jana Schneider: Deutschlands vielleicht größte Schach-Hoffnung
Zwei ihrer ehrgeizigen Ziele hat die Aschfelderin in diesem Jahr erreicht. Vor der EM  spricht die 19-Jährige über ihr Erfolgsjahr E-Doping und die Netflix-Serie "Das Damengambit".
Psychologie-Studentin Jana Schneider, hier in ihrem Elternhaus in aus Aschfeld im Landkreis Main-Spessart, ist eine der hoffnungsvollsten deutschen Schachspielerinnen. 
Foto: Johannes Kiefer | Psychologie-Studentin Jana Schneider, hier in ihrem Elternhaus in aus Aschfeld im Landkreis Main-Spessart, ist eine der hoffnungsvollsten deutschen Schachspielerinnen. 
Natalie Greß
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:36 Uhr

Brasilien, Vereinigte Arabische Emirate, Russland, Europa – wäre die Welt ein Schachbrett mit 64 Ländern, dann hätte sich Jana Schneider darauf schon viel bewegt. Das nächste große Turnier führt Deutschlands vielleicht größte Schach-Hoffnung nach Slowenien, wo sie ab diesem Freitag (12. November) mit der Frauen-Nationalmannschaft bei der Mannschafts-Europameisterschaft antritt. Für die 19 Jahre alte Psychologie-Studentin aus Aschfeld (Lkr. Main-Spessart) ist es das zweite große Turnier nach der Team-Weltmeisterschaft im Oktober. Vorab sprach Jana Schneider bei einem Treffen in ihrem Elternhaus über ihr Erfolgsjahr, Psychologie in der Männerdomäne Schachsport, die Netflix-Serie „Das Damengambit“ und E-Doping.

Als Eröffnung würde ich gerne kurz mit Ihnen zurück in Ihre Kindheit springen. Sie waren vier Jahre alt und das "Versuchskaninchen" Ihres Papas, wie Sie es einmal nannten.

Jana Schneider: (lacht) Diese Geschichte erzähle ich immer wieder gerne. Mein Vater, damals Lehrer, heute Schulleiter, unterrichtet Schulschach. Auf einem Lehrgang hatte er erzählt bekommen, dass Kinder schon im Kindergartenalter Schach lernen können. Das hat er nicht geglaubt. Zum Glück hatte er eine vierjährige Tochter, an der er das testen konnte. Er etablierte in meinem Kindergarten eine Schachgruppe für die Vorschulkinder, da war ich auch dabei. Mit mir hat er auch noch zu Hause auf unserer Terrasse geübt, da haben wir so quadratische Fließen. Mein Vater wurde eines Besseren belehrt. (lacht)

Inzwischen sind 15 Jahre vergangen – in denen Sie eine Vielzahl an Titeln gewonnen haben. Welche bedeuten Ihnen besonders viel?

Schneider: Der Sieg bei der deutschen Frauenmeisterschaft 2017…

…da waren Sie erst 14 und damit die zweitjüngste deutsche Meisterin.

Schneider: Ja, genau. Der war mir sehr wichtig, weil ich halt noch sehr jung war. Mein erster großer internationaler Titel war der zweite Platz bei der Jugend-EM 2017. Und dieses Jahr hab' ich die Kader-Challenge in Magdeburg gewonnen, das ist ein Turnier der besten Kader-Spielerinnen. Das war mein bisher größter Erfolg.

Da haben Sie im Finale gegen die deutsche Nummer eins, Elisabeth Pähtz, Remis gespielt.

Scheider: Ja, das hat gereicht zum Sieg. Ich war glücklich, die Partie gegen sie im Gleichgewicht halten zu können.

Sie haben in diesem Jahr noch zwei Ziele erreicht. Zum einen sind Sie seit September Schach-Großmeisterin, der höchste Frauentitel des Weltverbandes.

Schneider: Dieser WGM-Titel ist schon was Besonderes, den haben schätzungsweise nur zehn, 15 Frauen in Deutschland. Mir wurde gesagt, dass ich die erste Großmeisterin aus Unterfranken bin. Aber daran arbeite ich schon lange. So war irgendwie klar, dass ich die dritte noch fehlende Norm auch irgendwann schaffe. Das andere erreichte Ziel bedeutet mir mehr.

"Mir wurde gesagt, dass ich die erste Großmeisterin aus Unterfranken bin."
Jana Schneider, Schachspielerin
Sie wurden in die Nationalmannschaft der Frauen berufen und durften im Oktober mit zur Mannschafts-WM nach Spanien.

Schneider: (lächelt stolz) Davon habe ich immer geträumt, aber so richtig damit gerechnet hätte ich trotzdem nicht. Klar, es war schon oft knapp und es gab sicher auch Jahre, in denen man mich hätte nominieren können, aber dieses Jahr habe ich das Gefühl, dass ich es mir wirklich auch verdient habe. Leider haben wir die K.o.-Runde knapp verpasst.

Was ist nun das Ziel für die EM in Slowenien?

Schneider: Das wird intern besprochen.

Und welche Pläne haben Sie für danach?

Schneider: Ich möchte in der Nationalmannschaft bleiben und nächstes Jahr mit zur Olympiade fahren, die in Russland stattfinden soll. Die Konkurrenz ist groß. Wir sind über zehn Frauen im Kader, die alle etwa gleich stark sind. Es gibt aber nur fünf Plätze. Und ich habe vor, nach dem WGM-Titel den nächsthöheren in Angriff zu nehmen und internationale Meisterin zu werden.

Möchten Sie Schach auch zum Beruf machen und Profispielerin werden?

Schneider: Nein. Es gibt wenige, die das in Deutschland professionell machen, mehr Trainer als Spieler, die vom Schach leben. Die Männer finden eher noch Sponsoren, die Frauen haben bis auf Elisabeth Pähtz auch noch andere Berufe. Es ist schwierig, sich über Preisgelder zu finanzieren. Dafür muss man wahnsinnig viel spielen. Ich hätte Angst, dass ich den Spaß verliere, wenn ich mit Schach Geld verdienen müsste. Wenn ich zwei Turniere direkt hintereinander spiele, bin ich beim zweiten noch so erschöpft vom ersten, dass es nicht so gut wird.

Eine Welt aus 64 Feldern – die Welt von Jana Schneider.
Foto: Johannes Kiefer | Eine Welt aus 64 Feldern – die Welt von Jana Schneider.
Wie finanzieren Sie sich?

Schneider: Ich werde unterstützt vom Deutschen Schachbund durch das Powergirls-Programm und durch Kader-Zuschüsse. Für die Teilnahme an der WM hab ich ein Honorar bekommen. Als ich noch nicht zum B-Kader gehörte, musste ich die meisten Turniere selbst bezahlen und hatte dann oft mehr Ausgaben als Einnahmen. Aktuell zahle ich nicht drauf und bin nicht auf Preisgelder angewiesen. Das ist ziemlich gut. (lacht)

Sie studieren Psychologie. Wie viel Psychologie steckt im Schachsport?

Schneider: Sie spielt zum Beispiel eine Rolle bei Eröffnungen. Wenn man den Spielstil der Gegnerin oder des Gegners kennt, versucht man sie oder ihn in eine Stellung zu bekommen, die sie oder er nicht kennt. Da geht’s dann nicht nur darum, dass man die beste Eröffnung auspackt, sondern eine, mit der das Gegenüber sich nicht so gut auskennt oder unwohl fühlt.

Apropos Eröffnung: Mit der Eröffnung "Damengambit" hat die gleichnamige Netflix-Serie im vergangenen Jahr riesige Erfolge gefeiert. Wie fanden Sie die?

Schneider: Sie hat mir im Großen und Ganzen gut gefallen. In manchen anderen Filmen über Schach sind ja schon die Figuren falsch aufgestellt. (lacht)

Echt?

Schneider: Ja, wirklich. Die "Damengambit"-Macher haben sich schon sehr viel Mühe gegeben, sich auch von einem Weltmeister beraten lassen. Während der Blitzschach-Partien hat sogar eine unserer Spielerinnen aus dem deutschen Kader das Handdouble gemacht.

Die Serie spielt in den 60er Jahren. Beth Harmon, die Protagonistin, muss es sich hart erkämpfen, als Frau gegen erfolgreiche Männer spielen zu dürfen. Wie sehr ist der Schachsport noch immer von Männern dominiert?

Schneider: Schon sehr. Es gibt zwar einen Haufen Förderprogramme für Frauen, aber immer noch sehr viel weniger Frauen als Männer, die Schach spielen – warum auch immer. Dadurch sind jedenfalls sehr wenige in der Weltspitze vertreten. In den Top 100 ist nur eine Frau, eine Chinesin. Und die ist auch noch Uni-Professorin.

Beth Harmon trinkt im "Damengambit" viel Alkohol, nimmt Medikamente und Drogen…

Schneider: …ja, damit kann ich mich weniger mit ihr identifizieren. Ich denke, mentale Gesundheit ist wichtig fürs Schachspielen.

"Ein großes Thema im Schach ist E-Doping."
Jana Schneider, Schachspielerin
Ist Doping ein Thema und gibt es Dopingkontrollen?

Schneider: Ab und zu gibt es Kontrollen, ich wurde auch schon getestet, aber ich glaube, es wurde noch nie jemand in Deutschland erwischt. Ein großes Thema im Schach ist aber E-Doping.

Was ist das genau?

Schneider: Wenn Spielerinnen und Spieler während Partien aufs Klo verschwinden und dort mithilfe ihrer Handys nachschauen, was der beste nächste Zug ist. Da gibt es einige und immer wieder auch prominente Fälle. Inzwischen wird bei vielen Turnieren am Eingang mit Scannern gearbeitet, um auszuschließen, dass Handys mit reingenommen werden.

Wir kommen zum Endspiel, wie man in einer Schachpartie sagen würde. Was würden Sie Menschen entgegnen, die behaupten, Schachspieler seien Nerds?

Schneider: (lacht) Meine Erfahrung ist, dass die meisten es eigentlich ziemlich cool finden, dass ich Schach als Leistungssport spiele. Klar, es gibt Nerds in unserem Sport, und in gewisser Weise bin ich bestimmt auch ein Nerd – ich war gut in der Schule und besonders in Mathe –, aber insgesamt ist das doch mehr ein Klischee.

Muss man schlau sein, um so erfolgreich werden zu können wie Sie?

Schneider: Das ist schwierig zu beantworten, weil ich schon so lange spiele. Ich könnte auch sagen: Durchs Schachspielen wird man schlau. Man lernt zum Beispiel, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren und räumlich zu denken. Nur durch Intelligenz wird man jedenfalls nicht gut. Man muss auch dranbleiben, sich anstrengen und fleißig sein. Und vor allem sollte man Spaß haben. Wer jetzt mit Schach anfangen will, dem würde ich raten, sich einen Verein zu suchen.

Zur Person

Jana Schneiders Liste an Erfolgen im Schachsport ist lang. In diesem Jahr gewann die 19-Jährige unter anderem die renommierte Kader-Challenge in Magdeburg sowie mit dem bayerischen Team bei den deutschen Ländermeisterschaften in Neumünster den Titel. Außerdem wurde sie zur "Spielerin des Jahres 2020" in der Klasse U20 gewählt, zum zweiten Mal nach 2016 und 2017. Mit ihrem Zweitverein, dem TSV Bad Königshofen, wurde sie wie schon 2019 deutsche Mannschaftsmeisterin in der Frauen-Bundesliga. Ihr Erstverein ist der SC Bavaria Regensburg, mit dem sie in der 2. Bundesliga antritt. 
In der U-20-Weltrangliste des Schach-Weltverbandes FIDE wird die Nationalspielerin im November 2021 an Position 43 mit der Elo-Zahl 2269 geführt. Ihre beste Elo-Zahl, 2353, stammt aus dem Juli dieses Jahrs. 
Die Psychologie-Studentin der Uni Würzburg trainiert in den Semsterferien laut eigener Aussage täglich rund drei bis vier Stunden. Ihr Trainer ist der Großmeister Michael Prusikin. 
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Kommentare
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  • Albatros
    Frau Schneider, Sie sind jetzt schon eine Göttin für mich! Ich spiele leidenschaftlich gerne Schach und wahrscheinlich gar nicht so schlecht, aber das Spiel auf Ihrem Niveau ist noch einmal eine komplett andere Welt. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg mit diesem königlichen Spiel.
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