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Würzburg
Gelähmt nach Badeunfall im Erlabrunner See: Wie Leichtathlet Florian Büttner sein sportliches Glück wiederfand
Bis heute weiß der 32-Jährige von der TG Würzburg nicht, was ihm 2012 zwei Halswirbel brach. Jetzt sitzt der frühere Hammerwerfer im Rollstuhl – und wirft Keulen.
Optimist geblieben, Sportler geblieben: Auch das Training mit Medizinbällen nutzt Florian Büttner auf dem Sportplatz der TG Würzburg, um Oberkörper und Arme zu stärken.
Foto: Silvia Gralla | Optimist geblieben, Sportler geblieben: Auch das Training mit Medizinbällen nutzt Florian Büttner auf dem Sportplatz der TG Würzburg, um Oberkörper und Arme zu stärken.
Lukas Eisenhut
 |  aktualisiert: 20.02.2024 02:51 Uhr

Am 1. Mai 2012 geht Florian Büttner seine letzten Schritte. Sie führen ihn in den Erlabrunner Badesee, mit ordentlich Geschwindigkeit, bis ins hüfthohe Wasser. "So, wie man es aus Baywatch kennt", sagt er heute. Dann springt er nach vorne weg, die Arme ausgestreckt, den Kopf dazwischen. Wenig später ist er querschnittsgelähmt. "Irgendwas war im Weg. Keine Ahnung, was das war."

20 Jahre alt war er damals. Jetzt sitzt Florian Büttner an einem kalten Wintermorgen in seinem Rollstuhl auf einer Holzplattform. Mitten in dem Kreis, aus dem auch Hammer- oder Diskuswerfer ihre Sportgeräte gen Himmel schleudern. Während zwei Gänse ein Stück weiter in der Sonne über das Gras watscheln, das im Schatten noch gefroren ist, wirft der 32-Jährige auf dem Sportplatz der TG Würzburg in der Feggrube Keulen meterweit.

Einer der zehn besten deutschen Hammerwerfer in der Jugendklasse 

Büttner, vor seinem Unfall deutschlandweit einer der zehn besten Hammerwerfer in der Jugendklasse, weiß bis heute nicht, was er damals mit seinem Kopf getroffen hat. "Vom Gefühl her war es kein Stein und auch kein Baum, weil ich mit den Armen voraus gesprungen bin, und die hat es nicht erwischt." Er habe nur eine Platzwunde am Hinterkopf gehabt. Und eben zwei zertrümmerte Halswirbel. Nummer sechs und Nummer sieben, die letzten beiden Wirbel der Halswirbelsäule. Tetraplegie, die komplette Lähmung beider Arme und beider Beine.

Der Würzburger hat sich mit vielen Leuten unterhalten. Die plausibelste Variante inzwischen: ein Wels. "Wenn ich da mit den Händen drüber oder drunter gekommen bin und mit dem Kopf dagegen, würden das Schuppenkleid und die Festigkeit der Tiere ausreichen. Die haben ordentlich Gewicht, ich hatte eine ordentliche Sprungkraft", sagt Büttner. Die Wels-Theorie sei mittlerweile die einzige, die irgendwie logisch erscheine. "Irgendwas muss dagewesen sein, was danach weg war."

Mutter Jutta hilft dem Athleten auf dem Sportplatz beim Training

Auf dem Sportplatz dabei sind Florians Eltern Harald und Jutta. Der Vater trainiert auf der anderen Seite des Feldes mit dem blinden Weitspringer Sebastian Schäfer, die Mutter unterstützt ihren Sohn. Sie reicht ihm die rund 400 Gramm schweren Wurfkeulen, die Florian zwischen die funktionslosen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand klemmt und inzwischen bis zu 25 Meter weit nach vorne schleudert. Und sie hilft ihm beim Rauf- und Runterkommen am Holzpodest.

Florian Büttner beim Keulenwurf-Training auf dem Sportplatz der TG Würzburg mit seiner Mutter Jutta.
Foto: Silvia Gralla | Florian Büttner beim Keulenwurf-Training auf dem Sportplatz der TG Würzburg mit seiner Mutter Jutta.

Die zusätzliche – und erlaubte – Höhe könnte der Sportler auch durch einen speziellen Wurfrollstuhl gewinnen. Dann aber müsste er zum Werfen permanent wechseln – unnötiger Aufwand und für einen Tetraplegiker schwer zu leisten. Mutter Jutta hat am eisigen Morgen eine kleine, rote Wärmflasche dabei, damit Florians Hände nicht kalt werden. Sie habe aus der Vergangenheit gelernt, sagt sie schmunzelnd. Ihr Sohn braucht bei Kälte Hilfsmittel, weil seine Hände schlecht durchblutet werden.

An die ersten Sekunden nach seinem Unfall kann sich Florian Büttner nicht mehr erinnern. Dann habe er gemerkt, dass er im Wasser treibt, und versucht, sich umzudrehen. "Für mich persönlich haben sich die Arme nicht bewegt, der Rest des Körpers auch nicht." Sein bester Kumpel, der ihn mit aus dem Wasser gezogen hat, habe damals gesagt, dass Florian mit den Armen gerudert habe. "Da war es mir eigentlich schon klar", sagt der 32-Jährige.

Noch im Wasser gleich gewusst: Querschnittslähmung

Erst kurz vorher hatte Büttner, der schon damals ehrenamtlich bei den Johannitern arbeitete und das auch heute noch tut, an einer Übung teilgenommen, bei der er einen Querschnittsfall simulierte. "Unterbewusst wusste ich dann wahrscheinlich schon, was bei dem Unfall passiert ist."

Brüche der Halswirbel werden umgangssprachlich auch als Genickbruch bezeichnet. Viele Menschen halten einen Genickbruch für grundsätzlich tödlich. Fälschlicherweise. Bei ihm sei es durch Folgeerscheinungen kritisch geworden, sagt der Würzburger. "Ich hatte Wasser in der Lunge, weil ich Wasser geschluckt habe, relativ zeitnah dann auch noch eine Blutvergiftung im Krankenhaus und dementsprechend auch relativ hohes Fieber." Zwar seien sich die Ärzte nicht sicher gewesen, ob Büttner noch selbstständig atmen kann. "Aber ich glaube, dass ich es nicht überlebe, war nicht auf dem Plan."

Florian Büttner über die Gesundung: Kontakt zu Freunden hilft

Psychisch sei es ihm zu Beginn nicht gut gegangen, sagt Büttner. Kontakt zu anderen habe er damals erst nicht haben wollen. Dann aber musste er in der Reha eine Übung für die Finger machen und sollte dabei am Tablet auf Facebook gehen. "Die haben mich quasi genötigt", sagt er lachend. So habe der Kontakt zu den Leuten wieder angefangen.

Zu diesem Zeitpunkt musste Büttner noch Psychopharmaka nehmen. Dann aber fing er sich einen Keim ein, unterbrach die Reha für drei Monate. "Als ich zurück war, habe ich alle Medikamente abgesetzt und seitdem auch nie wieder so etwas gebraucht. Der Besuch zu Hause, die Leute wiederzusehen, das hat so viel gebracht."

"Wenn man so einen Halt im Hintergrund hat, fällt es schwer, in irgendein Loch zu fallen."
Florian Büttner über seine Familie und seine Freunde 

Büttner, ein von Grund auf positiver Mensch, der einen inspirierenden Optimismus versprüht, sagt, er habe eine Familie, die immer hinter ihm stehe. Und von seiner ehrenamtlichen Arbeit in der kirchlichen Jugend und bei den Johannitern Freunde, die dasselbe tun. "Die haben alle gesagt, ich soll mich melden, wenn ich was brauche. Wenn man so einen Halt im Hintergrund hat, fällt es schwer, in irgendein Loch zu fallen."

Bei den Johannitern ist Büttner heute auch hauptberuflich tätig, in der Abrechnung des Fahrtdienstes. Er sei sehr glücklich, dass seine Kolleginnen und Kollegen ihm zusätzliche Teilhabe ermöglichen, sagt der 32-Jährige. Dankbar ist er vor allem seinen Freunden: "Denen, die dageblieben sind. Es war auch so, dass viele weggegangen sind. Von denen hast du dann einfach nichts mehr gehört."

Neuer Sport: Erst Rollstuhl-Rugby, dann Keulenwerfen

Dass er weiter Sport machen möchte, habe für ihn damals schon vor der Reha festgestanden, sagt Büttner, der heute Ansprechpartner in der Abteilung Para-Leichtathletik bei der TG Würzburg ist. Zunächst versuchte er es mit Rollstuhl-Rugby, fand daran großen Gefallen und zog das Ganze auch in Würzburg auf. Corona machte dem Projekt aber einen Strich durch die Rechnung, sagt Büttner.

Der Keulenwerfer auf seinem Podest: Florian Büttner mit seiner Mutter Jutta beim Training auf der Sportanlage in der Feggrube in Würzburg
Foto: Silvia Gralla | Der Keulenwerfer auf seinem Podest: Florian Büttner mit seiner Mutter Jutta beim Training auf der Sportanlage in der Feggrube in Würzburg

Vom Keulenwerfen erfuhr er dann von der Bundestrainerin der Para-Leichtathleten, Marion Peters. Sie hatte Harald Büttners Schützling Sebastian Schäfer zu einem Probetraining eingeladen. Büttner kam mit, probierte den neuen Sport aus – und blieb dabei.

Fragt man ihn nach seiner Botschaft, will der 32-Jährige eigentlich keine Floskeln verwenden. "Nicht aufgeben und weitermachen. Ich habe das nicht umsonst auf dem Arm tätowiert", sagt er zwar, aber das klinge abgedroschen. Sicher wisse er inzwischen jedoch: "Sport hilft."

Die Para-Leichtathletik-Abteilung der TG Würzburg

Was und für wen? Die TG Würzburg bietet Grundlagentraining der Para-Leichtathletik an. Wer möchte, kann dort verschiedene Disziplinen ausprobieren. Das Angebot ist gedacht für alle ab zehn Jahren, die Interesse haben und zum Beispiel querschnittsgelähmt, amputiert oder blind sind.
Wo? Auf dem Sportplatz der TG 1848 Würzburg, Heiner-Dikreiter-Weg 1, 97074 Würzburg
Wann? Von März bis Oktober, an einem Samstag pro Monat.
Infos und Kontakt: Ansprechpartner ist Florian Büttner, per Mail an tgw-behindertensport@magenta.de oder unter Tel. (0931) 781 848
Quelle: TG 1848 Würzburg
 
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Kommentare
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  • Katharina Joachimsthaler
    Alles Gute an Herrn Büttner.
    Beim Kraulen im Erlabrunner Badesee habe ich mit meinem Daumen auch etwas getroffen, allerdings ca 30m weg vom Ufer, es fühlte sich hart , etwas glitschig an an wie ein grosser Schildkrötenpanzer . Das "etwas" hat sich nicht erschreckt wegbewegt unter mir, so wie ich es von den da drin lebenden grossen Graskarpfen kenne, die vor allem zu Anfang des Jahres sich aufwärmen in den oberen wärmeren Wasserschichten. Das war so ungewöhnlich, dass ich es der Wasserwacht erzählt habe, die hat danach aber nichts gefunden, es muss zwischen 2000 und 2010 gewesen sein.
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