
Sebastian Schäfer ist Deutscher Hallen-Meister im Para-Weitsprung. Der 37-Jährige, der für die Turngemeinde Würzburg startet, setzte sich nach einer Wettkampfpause von zwei Jahren mit einem Sprung über beeindruckende 5,20 Meter in dem gemischten Wettbewerb durch und verbesserte den deutschen Rekord im Blindenweitsprung in der Halle dabei um ganze 96 Zentimeter.
Bei den internationalen deutschen Hallen-Meisterschaften in der Para-Leichtathletik, die am ersten Februar-Wochenende in Erfurt stattfanden, starteten 100 Sportlerinnen und Sportler aus 39 Vereinen und stellten 28 deutsche Rekorde auf. Mit dabei waren auch zwölf Athletinnen und Athleten, die im vergangenen Jahr an den Paralympischen Sommerspielen in Tokio teilgenommen hatten, was das sportliche hohe Niveau der Meisterschaften unterstreicht.
Orientierung durch Zurufe
Begleitet wurde Sebastian Schäfer, gebürtiger Aschaffenburger, der nun in Frankfurt lebt, dort als Jurist arbeitet und an den Wochenenden bei der TG Würzburg trainiert, von seinen Trainern Harald und Jutta Büttner sowie seiner Frau Julitta. Harald Büttner steht bei den Sprüngen als "Caller" hinter der Sandgrube. Seine Zurufe helfen Schäfer dabei, die Richtung des Anlaufs und die Entfernung bis zum Absprung einschätzen zu können.
Läuft er an, ist Ruhe wichtig, um die Rufe orten zu können. Rhythmisches Klatschen während des Anlaufs würde ihn irritieren. Im Freien sei es noch mal schwieriger, gibt Harald Büttner an. Denn neben den Umweltgeräuschen kann auch der Wind den Springer beeinflussen, da er die Rufe aus einer anderen Richtung wahrnimmt, als sie eigentlich gekommen sind.
Außergewöhnliche Weite
In einem gemischten Wettbewerb treten Athletinnen und Athleten verschiedener Startklassen, abhängig von der jeweiligen Beeinträchtigung, an. Sebastian Schäfer startet im Weitsprung in der Klasse T11, was bedeutet, dass er in einer Lauf- und Sprungdisziplin mit einer schweren visuellen Beeinträchtigung startet. Obwohl er vollblind ist, trägt er wie alle anderen blinden Weitspringer auch eine Maske über den Augen.

Um die erzielten Weiten vergleichen zu können, werden sie anhand der jeweiligen Klasse in eine Punktezahl umgerechnet. "Vor der Siegerehrung weiß der Sportler manchmal gar nicht, welchen Platz er erreicht hat", erklärt Harald Büttner. Schäfer ahnte es: "Man bekommt schon ein Gefühl dafür, wenn es ein gelungener Sprung ist." Vor allem bei der Landung, wenn er die Kräfte von Anlauf und Absprung mit seinem Körper wieder abfangen müsse. Mit seiner Rekordweite kam er umgerechnet auf 772 Punkte, der Zweitplatzierte auf 626.
Paralympics als Ziel
Bei deutschen Meisterschaften stieg Schäfer Schritt für Schritt das Treppchen nach oben: 2016, bei seiner ersten Teilnahme, gewann er Bronze im Freien, 2019 holte er Silber im Freien und 2022 sprang er nun in der Halle zu Gold. Mitte Juni stehen in Regensburg die deutschen Meisterschaften im Freien an. Sein großes Ziel, an den Paralympics teilnehmen zu können, verfolgt er weiterhin: "Jeder Sportler, ob behindert oder nicht, träumt doch davon, einmal bei den Spielen dabei zu sein", sagt Schäfer. Dafür müsse er eine Weite um die sechs Meter erreichen.
Mit Florian Büttner nahm ein weiterer Würzburger Para-Leichtathlet an den deutschen Meisterschaften teil. Der 30-Jährige ist Tetraplegiker, von der Brust abwärts gelähmt und kann mit den Fingern nicht mehr greifen. Er steigerte im Keulenwurf, bei dem er die Keule zwischen seine Finger klemmt und möglichst weit schleudert, seine eigene Bestleistung auf 15,45 Meter, womit er die bisherige um fünf Meter übertraf.
Abteilung sucht Aktive
Büttner leitet bei der TG Würzburg die Behindertensport-Abteilung, die sowohl Rollstuhl-Rugby ("Main-Tigers") als auch Para-Leichtathletik anbietet. Beide Gruppen seien "relativ klein", sagt Harald Büttner. So seien gegenwärtig nur drei Sportlerinnen und Sportler in der Para-Leichtathletik der TGW aktiv. Er hofft daher auf "Nachwuchs" jeden Alters.
Für Interessierte ab zehn Jahren bietet die TGW in Zusammenarbeit mit dem BVS von März bis Oktober an einem Samstag im Monat auf dem Sportplatz am Heiner-Dikreiter-Weg (Feggrube) neben einem Grundlagentraining auch die Möglichkeit an, verschiedene Disziplinen der Para-Leichtathletik auszuprobieren. Eine betreuende oder helfende Person sollte Teilnehmende dabei begleiten.
"Wir sind sicher nicht die einzigen behinderten Sportler hier, andere wissen vielleicht gar nicht, dass es das überhaupt gibt", vermutet Schäfer. Und auch Carlos Ávila de Borba, Landestrainer der Para-Leichtathleten im Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Bayern (BVS), kommt einmal pro Monat zum Stützpunkttraining nach Würzburg.
Wer die Para-Leichtathletik ausprobieren oder trainieren möchte, kann sich bei der TG Würzburg melden unter der E-Mail-Adresse tgw-behindertensport@magenta.de