Afghanistan, Südsudan, Haiti – in 15 Jahren Auslandsarbeit für die Johanniter-Unfall-Hilfe war Manfred Emmerling schon in vielen Krisen- und Katastrophengebieten im Einsatz. So ist der 48-jährige Würzburger auch jetzt in der Türkei und in Syrien vor Ort, um als Teamleiter im Bereich Logistik die Hilfe für die Erdbebenopfer zu organisieren.
Vor zwei Wochen erschütterten schwere Erdbeben die türkisch-syrische Grenzregion, tausende Menschen wurden unter den Trümmern ihrer Wohnhäuser begraben. Mehr als 47.000 Menschen sollen dabei nach Angaben der Behörden ums Leben gekommen sein. All jene zeitnah zu erreichen, die jetzt in Not sind - eine Herkulesaufgabe, sagt Manfred Emmerling. Durch das Erdbeben sei im Einsatzgebiet, das etwa so groß sei wie Deutschland, viel Infrastruktur zerstört.
Viele Menschen betreten aus Angst ihre eigenen Häuser nicht mehr
Seit vergangenem Sonntag ist Emmerling nun im türkischen Adana, am Rande der Erdbebenregion. Die Stadt sei nur wenig betroffen, lediglich kleinere Schäden seien an den Fassaden zu sehen, berichtet der Würzburger in einem Telefonat. Für viele unmittelbar Betroffene sei Adana Zufluchtsort geworden. Auch wegen des Flughafens mit Verbindung nach Ankara kämen viele Menschen, weil sie ihre Heimat verlassen mussten und jetzt Schutz bei Freunden oder Verwandten suchten, erklärt der Katastrophenhelfer.
In der Provinz Hatay gab es am Montag ein erneut ein Erdbeben der Stärke 6,3. Laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu war es auch in Jordanien, Israel und Ägypten zu spüren. Selbst in seinem Hotelzimmer in Adana, rund 100 Kilometer entfernt, hätten die Wände gewackelt, berichtet der Mitarbeiter der Johanniter-Unfall-Hilfe. Für zehn Sekunden habe er Schutz unter einem Tisch gesucht. Als es wieder ruhig wurde, sei er schnellstmöglich nach draußen auf die Straße geeilt.
Er habe sicherstellen wollen, dass es seinem Team gut geht und an dem Gebäude, in dem er bis 2. März untergebracht ist, alles in Ordnung ist. Auf der Straße habe er die Angst der Menschen gespürt, die erst vor kurzem hierher geflüchtet waren, sagt Emmerling: "Die Menschen sind traumatisiert. Sie sind panisch auf die Straße gerannt und haben Stunden lang draußen ausgeharrt. Manche haben schlichtweg kein Vertrauen mehr in Gebäude."
Wie der Würzburger den Betroffenen hilft – und was sie am dringendsten brauchen
Er sei mit dem Schrecken davongekommen, sagt der 48-Jährige. Für einen größeren Schock blieb auch keine Zeit: Emmerling und sein Team knüpfen täglich Kontakte zu anderen Hilfsorganisationen, koordinieren Hilfsmaßnahmen und medizinische Teams und unterstützen die staatliche Katastrophenschutzbehörde AFAD. In der Stadt Gaziantep würden beispielsweise "vollwertige Mahlzeiten" an Betroffene ausgegeben, berichtet Emmerling: Suppe, Brot, Kartoffeln, Fleisch und eine Flasche sauberes Trinkwasser.
Nahrung bräuchten die Menschen – neben Unterkunftszelten, Hygienekits, Windeln und Feuchttüchern – aktuell am dringendsten. Gaziantep wurde von den Beben schwer getroffen. Inmitten der Stadt, sagt der Katastrophenhelfer aus Würzburg, hätten die Menschen jetzt provisorische Zeltplätze auf dem Schotter errichtet.
Viele trauten sich nicht mehr in ihre Häuser zurück – sofern diese überhaupt noch stehen. Warmes Wasser gibt es keines, sagt Emmerling. Heizungen funktionieren nicht. Als Wärmequelle in den Zelten, in denen oftmals sechs bis acht Personen untergebracht seien, würden kleine Holz- und Gasöfen dienen. Toiletten und Duschen gibt es ebenfalls nicht, sagt Emmerling.
Um vor Ort Hilfe leisten zu können, ist die Johanniter-Unfall-Hilfe auf Spenden angewiesen. Immer wieder erreiche das Team zwar auch Sachspenden, sagt Emmerling. Das sei wegen des Transportaufwands und des Zolls nicht zielführend: "Viele Dinge sind vor Ort beschaffbar." Gelder ließen sich zielgerechter an die einzelnen Hilfsorganisationen vor Ort verteilen.
Langjährige Berufserfahrung - und betroffen angesichts der Umstände
Durch seine langjährige Erfahrung habe er für sich eine Art Strategie entwickelt, Leid und Elend nicht zu sehr an sich heranzulassen, sagt der Helfer. Wenn er jetzt vor Ort die Umstände der Menschen sehe, sei er dennoch emotional betroffen: "Das ist oft nicht würdevoll, und auch die Hilfe braucht ihre Zeit, bis sie bei den Leuten ankommt."
Trotz des katastrophalen Ausmaßes der Zerstörung sehe er immer wieder aber auch Kinder, die ihr Lachen nicht verloren haben. In diesen Momenten, sagt Emmerling, schöpfe er dann neuen Mut und wisse genau, wofür er arbeite. Auch wenn sein Engagement letztlich vom Spendenwille abhänge.