Das Internationale Olympische Komitee (IOC) steht kurz davor, russische Sportler unter neutraler Flagge wieder zu den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris zuzulassen. Einen entsprechenden Beschluss bestätigte IOC-Präsident Thomas Bach bereits am vergangenen Wochenende in einem Fernsehinterview. Verschiedene Verbände und Länder haben den Beschluss begrüßt, andere ihn dagegen scharf kritisiert. So nannte zum Beispiel Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas den Vorstoß heuchlerisch und rückgratlos. Auch einige unterfränkische Athletinnen und Athleten, die bei internationalen Meisterschaften oder den Olympischen Spielen starten, würden dann wieder mit Russinnen und Russen Wettkämpfe bestreiten.
Der Verein Athleten Deutschland veröffentlichte in dieser Woche eine Stellungnahme zur Zulassung russischer Athleten bei den Olympischen Spielen. Die Würzburger Florettfechterin Leonie Ebert verwies im Gespräch mehrfach auf die darin gestellten Forderungen. Ebert fordert, dass das IOC zunächst einige offene Fragen klären müsse. "Sind die russischen Athletinnen und Athleten im vergangenen Jahr ausreichend getestet worden", fragt die Florett-Europameisterin. Und was sei, wenn russische auf ukrainische Fechterinnen oder Fechter treffen?
Ebert verweist auf die olympischen Werte
Eine endgültige Meinung hat sich die 23-Jährige zwar noch nicht gebildet, für sie steht aber fest: "Der olympische Gedanke beinhaltet unter anderem, dass die Menschen auf der Welt friedlich zusammen leben. Deshalb gibt es den olympischen Frieden während der Spiele. Der gegenwärtige Krieg würde gegen diese Werte verstoßen. Fairness und Respekt für den Gegner gehören dazu."
Ebert kennt auch eine ukrainische Fechterin, die in den sozialen Medien ausführlich über den Krieg berichte. Anfang der Woche teilte Ebert bei Instagram den Beitrag des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der das IOC aufforderte, russische Athletinnen und Athleten erst wieder zuzulassen, wenn der Krieg beendet sei. Dazu postete Selenskyj Fotos zerstörter ukrainischer Sportstätten.
Kilian Ort kennt einen russischen Spieler
Der Bad Königshofer Tischtennis-Spieler Kilian Ort ist zwar aktuell noch kein Kandidat für die Olympischen Spiele, tritt aber häufig bei internationalen Turnieren, wie aktuell in Jordanien, an und konnte neulich in der Bundesliga die deutsche Tischtennis-Legende Timo Boll besiegen. Beim aktuellen Thema ist Ort aber hin- und hergerissen.
Er spielte bis vor dem Krieg noch mit einem russischen Athleten zusammen. Der erst 21-jährige Maksim Grebnev schlug wie Ort im Grabfeld für den TSV Bad Königshofen auf. "Er hat sich bestimmt nicht mit allen Facetten der Weltpolitik auseinandergesetzt. Es täte mir leid für ihn, wenn er wegen Putin nicht zu Olympia könnte", findet Ort. Andererseits habe er auch Verständnis dafür, wenn jene Athleten gesperrt würden und so ein Zeichen gegen den Angriffskrieg gesetzt werde.
Sportler sind keine Politiker
Möglicherweise werde damit auch ein Präzedenzfall geschaffen für andere Krisen auf der Welt. China und Taiwan, die im Tischtennis-Sport eine wesentlich größere Rolle spielen, zählt Ort als Beispiel auf. Natürlich wünsche er sich, dass sich russische Sportlerinnen und Sportler klar positionieren würden, zeigt aber auch Verständnis dafür, wenn sie es nicht tun.
Der Ochsenfurter Leichtathlet Patrick Karl tut sich ebenfalls schwer mit einer Einordnung der Situation. "Wir sind keine Politiker, aber ich kann verstehen, dass unsere Meinung da interessant ist", sagt Karl. In der Leichtathletik sei eh schon der Großteil der russischen Athletinnen und Athleten wegen des Staatsdopings gesperrt. "Der Krieg ist aber noch mal eine ganz andere Hausnummer", findet Karl.
Beck ist ebenfalls hin- und hergerissen
Er persönlich habe zwar keine Kontakte zu ukrainischen Athletinnen und Athleten, ist aber mit dem 50-Kilometer-Geher Jonathan Hilbert befreundet. Ein ukrainischer Konkurrent und Freund von Hilbert sollte beim ukrainischen Militär eingebunden werden.
Auch die Schwimmerin Leonie Beck will sich 2024 erneut für die Olympischen Spiele qualifizieren. Bisher sind im Schwimmsport alle belarussischen und russischen Athletinnen und Athleten gesperrt und dürfen auch nicht unter neutraler Flagge starten. Auch Beck ist hin- und hergerissen, verweist aber auf einen besonderen Fall aus dem Schwimmsport. Die belarussische Olympia-Medaillengewinnerin Alexandra Herasimenia stellte sich offen gegen die Politik ihres Landes und wurde zu einer Haftstrafe von zwölf Jahren verurteilt: ein Beispiel, das sicher auch viele andere Athleten abgeschreckt haben könnte, ihre Meinung zu äußern.