Eines steht bereits fest, bevor diese Saison in der Zweiten Fußball-Bundesliga zu Ende ist: Die Würzburger Kickers werden es nicht leicht haben, das Bild vom Chaos-Klub wieder loszuwerden. Selbst wenn dem neuen Trainer-Duo mit Ralf Santelli, bisher Chefcoach im Nachwuchsleistungszentrum der Kickers, und Sportvorstand Sebastian Schuppan nun doch noch ein Fußball-Wunder und der Klassenerhalt gelingen sollte - die Begleitumstände dieser einmaligen Spielzeit sind es, die im Gedächtnis bleiben werden.
Es kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die Trennung von Bernhard Trares, der dritte Trainerwechsel dieser Runde, war am Freitagmittag nicht zu erwarten gewesen. Bis dahin hatte Trares das Rothosen-Team nämlich noch auf das Kellerduell am Sonntag (13.30 Uhr) beim Tabellen-Vorletzten SV Sandhausen vorbereitet. Ein Spiel, das das Schlusslicht unbedingt gewinnen sollte, will es die letzte Rest-Hoffnung auf den Klassenerhalt nicht endgültig abschreiben. Auf der Bank sitzt Trares in Sandhausen nicht mehr. Eine Entscheidung, die offenbar im kleinen Kreis gefallen war. Auch Kickers-Berater Felix Magath soll am Ende vor vollendete Tatsachen gestellt worden sein.
Gegen 14 Uhr, die Rothosen-Mannschaft sollte eigentlich gerade zum Training auf den Platz kommen, erfuhren es auch die Spieler: Der Trainer ist raus. Zum dritten Mal in dieser Saison. Aufstiegscoach Michael Schiele musste nach nur zwei Zweitliga-Partien gehen. Sein Nachfolger Marco Antwerpen wurde nach fünf Spielen geschasst. Trares hatte immerhin 18 Spiele, um sich zu beweisen. Die sportliche Bilanz ist, da gibt es keine Zweifel, ernüchternd: Auch Trares schaffte es nicht, die Kickers in die Erfolgsspur zu lenken, trotz sechs Neuzugängen in der Winterpause. Die Mannschaft versprühte in den letzten Wochen nicht die Zuversicht und Entschlossenheit, dass man ihr eine schier unglaubliche Aufholjagd zutraute.
Und doch muss man sich wundern. Was ist seit dem 1:1 gegen Regensburg vor zwei Wochen passiert, dass die Rothosen sich entschlossen, Trares, dessen Vertrag bis 2022 auch in der Dritten Liga Gültigkeit besitzt, den Stuhl vor die Tür zu stellen? "Das Trainerteam investiert momentan alles, was in seiner Macht steht, um die nötigen Punkte zu holen. Da bin ich zufrieden, da gibt es gar keine Diskussion", hatte Sportvorstand Schuppan am Montag nach dem Regensburg-Spiel noch auf die Frage gesagt, wie er mit der Arbeit von Trares zufrieden sei. Okay, er hatte dabei den Namen Trares nicht genannt. Es folgten ein 0:3 im Test bei Erstligist VfB Stuttgart und ein trainingsfreies Wochenende. "Wir sind gut vorbereitet, haben gut trainiert. Die Jungs haben eine gute Stimmung untereinander. Wir sind guten Mutes, in Sandhausen das Spiel zu gewinnen", sagte Trares selbst am Mittwoch beim üblichen Medien-Gespräch. Zwei Tage später wird der 55-Jährige im offiziellen Statement zu seiner Entlassung auf der Internetseite der Kickers zitiert, er hoffe, "dass mit meiner Beurlaubung vielleicht noch der ein oder andere Impuls bei der Mannschaft freigesetzt werden kann".
Thorsten Fischer war zur Verkündung der Neuigkeit selbst zum Training gekommen. Eigentlich hält sich der Aufsichtsratsvorsitzende, Investor und wichtigste Geldgeber aus dem aktuellen Geschäft raus. Diesmal schien ihm die Sache zu wichtig zu sein. Aus der Mannschaft, so ist im Umfeld zu hören, habe es Stimmen gegeben, die dazu geführt hatten, dass bei der Kickers-Führung die Zweifel an Ex-Magath-Schützling Trares gewachsen waren. Ob der Klub mit ihm in die Dritte Liga gegangen wäre, erschien nach der ausgebliebenen spielerischen Entwicklung ohnehin zweifelhaft. Warum aber der Trainer zwei Tage vor dem vermeintlichen Endspiel in Sandhausen gehen musste und das offenbar entscheidende Gespräch zwischen Schuppan und Trares nicht schon zu Beginn der Länderspielpause stattfand, bleibt erst einmal ein Rätsel. Schuppan wird indes auf der Kickers-Internetseite mit einer Ansage an das Team zitiert: "Es liegt einzig und allein an der Mannschaft. Ohne Wenn und Aber. Ich will ein Team auf dem Platz sehen, dass für den Klub alles – wirklich alles - dem gemeinsamen Erfolg unterordnet!"
Am Nachmittag stand Schuppan dann im Trainingsanzug am Rand des Trainingsplatzes in Randersacker. Die Übungseinheit leitete sein Kollege Santelli. Die Co-Trainer Philipp Kunz und Philipp Eckart sind weiter an Bord, genauso wie Torwarttrainer Marco Langner. Nur der Trares-Vertraute Benjamin Sachs musste als Assistent seinen Hut nehmen. Schuppan beobachtete. Über die Hintergründe reden wollte er an diesem Tag nicht, genauso wie Vorstandsvorsitzender Daniel Sauer. "Der Fokus liegt nun auf der Partie in Sandhausen", teilte die Pressestelle dazu mit.
Über den Unsinn, den die Kickers-Führung jetzt anfängt, einen "Jugendtrainer", der noch nie vorher eine Profi-Mannschaft trainiert hat, mit der Mission Klassenerhalt in der 2. Liga zu betrauen, nicht...