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HANDBALL
Benjamin Herth: Vom Handball-Profi zum Trainer-Chef für Bayerns Talente
Er ist ein Vorbild, seine eigene Karriere ein Beispiel für den Weg in den Leistungssport. Wie der Ex-Nationalspieler nun als Landestrainer den Nachwuchs im Freistaat fördern will.
Benjamin Herth, Spielmacher des HSC Bad Neustadt, gibt seit vergangenem September nicht nur mit dem Ball in der Hand Kommandos. Als Landestrainer Nordbayern ist er beim Bayerischen Handball-Verband maßgeblich daran beteiligt, Talente im Freistaat weiterzuentwickeln.
Foto: Anand Anders | Benjamin Herth, Spielmacher des HSC Bad Neustadt, gibt seit vergangenem September nicht nur mit dem Ball in der Hand Kommandos.
Michael Endres
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:20 Uhr

Der Name Benjamin Herth steht für fast zwei Jahrzehnte Bundesliga-Handball. Zehn Spielzeiten lang lief der heute 36-Jährige in Deutschlands höchster Spielklasse auf und warf dort insgesamt über tausend Tore für den HBW Balingen-Weilstetten, TBV Lemgo, TuS N-Lübbecke und SC DHfK Leipzig. Sieben Saisons war der Schwabe, der unter Trainer-Legende Heiner Brand auch in der Nationalmannschaft debütierte und fünf Länderspiele bestritt, zudem in der Zweiten Liga aktiv – zuletzt bis 2020 bei der DJK Rimpar Wölfe. Aktuell steht er als Spielmacher beim Drittligisten HSC Bad Neustadt unter Vertrag.

Während Herth als Aktiver im Winter seiner Karriere angekommen ist, steht er in seinem neuen Job vor seinem ersten Frühling. Seit September 2021 ist der 36-Jährige, der aktuell seine A-Lizenz macht und im Würzburger Stadtteil Unterdürrbach zu Hause ist, einer der beiden Chefs für die Ausbildung des Handball-Nachwuchses im Freistaat.

Herth ist beim Bayerischen Handball-Verband (BHV) Landestrainer Nordbayern, Christoph Kolodziej war bis zu seinem Ruhestand Ende Februar zuständig für Südbayern; die Stelle soll nachbesetzt werden. Zu den Aufgaben der beiden Verantwortlichen gehört es, Talente bei Sichtungslehrgängen zu finden, zu fördern und ihnen den Weg in den höherklassigen Handball zu ebnen. So wie es Herth einst gelang.

Verein oder Leistungszentrum: Wege in den Spitzensport

Seine Karriere begann bei seinem Heimatverein TG Biberach in Baden-Württemberg. Über die Talentschmiede in Balingen kam er in die Bundesliga. Herths Weg ist ein möglicher ins Profitum. Ein anderer kann über ein Handball-Leistungszentrum in den Spitzensport führen. Wobei es in Bayern nur in Großwallstadt, im nordwestlichsten Zipfel des Freistaats, ein solches gibt.

Vergleichbare Alternativen bieten die Nachwuchsförderprogramme einzelner Bundesliga-Klubs, beispielsweise in Kooperation mit Sportklassen an Schulen. Am professionellsten in Nordbayern sind die Strukturen beim Erstligisten HC Erlangen, aber auch die Zweitligisten Rimpar und Coburg bilden Talente mit teils hohen Trainingsumfängen aus, auch mit Einheiten am Vormittag. "Das ähnelt den Leistungszentren ein bisschen", sagt Herth.

Der Ex-Profi möchte sich nicht festlegen, welcher Weg für die Entwicklung von Spielerinnen und Spielern besser ist. Ihm ist es wichtig, die Varianten zu schaffen, die den individuell besten Weg in den höherklassigen Handball ermöglichen – "ohne, dass jemand dafür nach Leipzig oder Berlin gehen muss". Dafür müsse sich jedoch in Bayern perspektivisch etwas ändern.

Dabei geht es Herth nicht nur um die Ausbildung, sondern auch darum, Talente, in deren Förderung der BHV investiert, halten zu können. "Das würde in der Anschlussförderung auch den bayerischen Vereinen zugutekommen", erklärt der Landestrainer. In allen Ligen.

Trainer statt Lehrer, Halle statt Klassenzimmer

Für den Job beim BHV hat Herth sein Referendariat zum Grundschullehrer sausen lassen. Halle statt Klassenzimmer. Geplant gewesen sei das im vergangenen Jahr nicht, wenngleich eine Tätigkeit im Handball auf lange Sicht sein Wunsch gewesen sei. "Je mehr Halle, desto besser", sagt der 36-Jährige, der seine Erfahrung gerne weitergeben möchte. So wie früher die württembergischen Landestrainer, von denen er als Jugendlicher profitiert hat. "Die haben sehr prägend auf uns eingewirkt und uns viel mitgegeben."

Den Traum vieler fränkischer Handball-Talente hat Benjamin Herth (links) in seiner Zeit bei den Rimparer Wölfen gelebt: Im Frankenderby zwischen Rimpar und Coburg auf dem Parkett stehen.
Foto: Heiko Becker | Den Traum vieler fränkischer Handball-Talente hat Benjamin Herth (links) in seiner Zeit bei den Rimparer Wölfen gelebt: Im Frankenderby zwischen Rimpar und Coburg auf dem Parkett stehen.

Seit seinem Amtsantritt hat Herth bereits selbst den Landesauswahl-Jahrgang 2007 bei den Jungen gesichtet und betreut diesen auch gemeinsam mit einem Kollegen aus Südbayern. Außerdem zählen zu seinen Aufgaben: Lehrgänge planen, Trainerinnen und Trainer der Landesauswahlteams einteilen und unterstützen sowie das Thema Bildung, wo es um Fortbildungen für die Coaches geht. Und auch im Bereich Beachhandball bringt sich Herth mit ein.

Mentale Gesundheit: "Den meisten Druck macht man sich als Athlet selbst"

Bisher war er hauptsächlich bei den Auswahlteams im männlichen Bereich dabei, künftig will er auch bei den Mädchen dazustoßen. Stützpunkttrainingseinheiten sind im Zwei-Wochen-Rhythmus terminiert und in Nord- und Südbayern aufgeteilt. Bei den Jungs finden die Einheiten im Norden je nach Jahrgang in Rimpar, Coburg oder Erlangen statt, bei den Mädchen in den Regionen um Erlangen oder Regensburg.

Dem Ex-Nationalspieler ist es wichtig, dass sich die jungen Handballerinnen und Handballer "nicht nur als Sportler, sondern auch als Menschen weiterentwickeln". Zunehmend an Gewicht gewinne dabei das Thema mentale Gesundheit. "Den meisten Druck macht man sich als Athlet selbst", sagt Herth, wenngleich "schon auch viel erwartet wird". Und: "Es bleibt immer weniger Zeit, sich in Ruhe weiterzuentwickeln. Es muss immer schnell gehen. Das ist kontraproduktiv."

"Es bleibt immer weniger Zeit, sich in Ruhe weiterzuentwickeln. Es muss immer schnell gehen. Das ist kontraproduktiv."
Benjamin Herth, Handball-Landestrainer Nordbayern

Einen Mentaltrainer für den Auswahlnachwuchs gibt es beim BHV nicht. Noch nicht. Herth hält die Idee aber für durchaus bedenkenswert. Er selbst habe sich in jungen Jahren für vergleichbare Angebote nicht richtig öffnen können. "Vielleicht habe ich auch nicht gesehen, dass mir das helfen würde." Aber wenn es Mentaltraining gäbe und "es dann einigen Wenigen hilft, dann ist es schon eine gute Sache". Unabhängig davon stünden er und sein Kollege dem Nachwuchs auch für Einzelgespräche zur Verfügung, um bei der Karriereplanung zu helfen oder Tipps für den Umgang mit bestimmten Situationen während Spielen zu geben.

Weiter Doppelbelastung oder Karriereende?

Seit September kombiniert Herth die Vollzeitstelle beim BHV mit seiner Karriere auf dem Feld. Der Mittelmann, der in dieser Saison bisher 47 Tore für Bad Neustadt erzielt hat, sagt: "Da das Ganze mehr oder weniger zufällig auf den Tisch kam und nicht geplant war, war ich in Neustadt gebunden und spiele dort auch weiterhin sehr, sehr gerne." Die ersten Monate habe es gut geklappt, beide Aufgaben unter einen Hut zu bekommen, wenngleich die Doppelbelastung "schon anstrengend" sei.

Nach dieser Runde läuft Herths Vertrag beim HSC aus. Endet damit auch seine Spielerlaufbahn? "Ich hab immer noch großen Spaß, selber in der Halle aktiv zu sein", erklärt er. Und fügt dann hinzu: "Aber es ist schon sehr, sehr gut möglich, dass ich nach der Saison einen Haken dran mache. Eine endgültige Entscheidung habe ich noch nicht getroffen."

Job als Landestrainer beim BHV ein "Glücksfall"

Falls er seine Handballschuhe an den Nagel hängt, hätte er Zeit, auch mal unter der Woche bei Trainingseinheiten von Teams aus der Region vorbeizuschauen oder bei Spielen seiner Talente an Wochenenden vor Ort zu sein. Mehr Präsenz zeigen und in den Austausch mit den Bezirken treten, das ist sein Vorhaben als Landestrainer. "Vielleicht ist irgendjemand durchs Raster gefallen bei der Sichtung, dann kann man da nachjustieren."

So oder so wird Benjamin Herth also dem Handball in Bayern erhalten bleiben. Die Möglichkeit, die ihm der BHV als Landestrainer bietet, nennt er einen "Glücksfall". Vielleicht ist er selbst das ja auch – als Vorbild für die Talente, die ihm und seiner Karriere nacheifern können.

 
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