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Handball
Worauf Benjamin Herth seinen Fokus richtet
Er ist Vater zweier Töchter, Ehemann, Grundschullehrer und Handballer: Benjamin Herth vom HSC Bad Neustadt spricht darüber, wie er die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen erlebt.
Seit Sommer der Kopf des Drittligisten HSC Bad Neustadt: Benjamin Herth (im Bild) 
Foto: Anand Anders | Seit Sommer der Kopf des Drittligisten HSC Bad Neustadt: Benjamin Herth (im Bild) 
Daniel Rathgeber
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:20 Uhr

Seit sechs Monaten wartet Benjamin Herth auf dieses Gefühl, das so viele Jahre lang eine Konstante in seinem Leben war. Die Befreiung, wenn ein Spielzug aufgegangen ist, wenn er den gegnerischen Torhüter im Siebenmeterduell ausgeguckt hat, wenn der Handball ins Tornetz saust. Die Gewissheit, die eigene Mannschaft mit einem Tor dem Sieg einen Schritt näher gebracht zu haben. Zuletzt gespürt hat es Herth am 31. Oktober, als der HSC Bad Neustadt gegen die HG Saarlouis gewann und er den seither letzten Treffer für die Rotmilane in einem Drittligaspiel gelandet hat. "Saarlouis war ein schon ein kleines Highlight. Schade, dass wir dann ausgebremst worden sind", sagt er.

Weitere Herth-Tore für den HSC kommen auf absehbare Zeit nicht dazu. Der Klub hat nach dem Abbruch der Saison wegen der Corona-Pandemie auf die Teilnahme am Ligapokal verzichtet. Der freiwillige Wettbewerb läuft inzwischen seit drei Wochen. Ende März hatte Geschäftsführer Eduard Mardian den Spielern die Entscheidung mitgeteilt und in viele enttäuschte Gesichter geblickt. "Wir hatten uns gefreut, dass es eventuell weitergehen könnte", gibt Benjamin Herth den Tenor innerhalb der Mannschaft wider und bekennt, dass ihm sein Sport fehlt: "Für uns Spieler ist Handball eine Leidenschaft und auch ein gewisser Fixpunkt im Leben."

"Für uns Spieler ist Handball eine Leidenschaft und auch ein gewisser Fixpunkt im Leben."
Benjamin Herth, Handballer beim HSC Bad Neustadt

Nach zwei Monaten mit zumindest zwei Halleneinheiten pro Woche stellt der HSC ab Mai das Mannschaftstraining erneut ein und schickt den Kader komplett in Kurzarbeit. So wie zu Jahresbeginn, als beinahe ausschließlich Laufeinheiten auf den individuellen Trainingsplänen standen. Zwischenzeitlich, sagt Herth und schmunzelt, habe er sich besser für einen Marathon vorbereitet gefühlt als für ein Handballspiel.

Dass die gewohnte Trainingsarbeit fehlt, merkt der Rückraumspieler derzeit an seinem Rücken. An Wirbeln der Lendenwirbelsäule seien laut ärztlicher Auskunft Abnutzungen vorhanden. "Was nach 18 Jahren im Leistungshandball nicht unwahrscheinlich ist." Nichts Dramatisches und nichts, was sich nicht mit Physiotherapie und Gesundheitssport in den Griff bekommen ließe. Aber: "Der Körper ist das normale Pensum gewöhnt und es ist schwierig, am Problem zu arbeiten, wenn das Fitnessstudio geschlossen ist."

Handball war für Benjamin Herth "immer omnipräsent" 

Handball, sagt der 35-Jährige, war in seinem Leben "immer omnipräsent". Seit vergangenem Sommer spielt er für den Drittligisten HSC Bad Neustadt, der Vertrag gilt auch für die kommende Saison. Im Team von Frank Ihl übernahm er vom ersten Tag an eine Führungsrolle. "Ich muss nicht viel reden. Er weiß, was er zu tun hat", bezeichnet ihn Ihl als seinen verlängerten Arm auf dem Spielfeld.

Kein Wunder bei der sportlichen Vita: Von seinem Heimatverein TG Biberach/Riß wechselte Herth 2003 nach Balingen/Weilstetten. Bei HBW hatte er seine beste Zeit, schaffte 2006 den Aufstieg in die Bundesliga, in der er in den folgenden sieben Spielzeiten über 800 Tore für die selbsternannten Gallier von der Alb erzielte und zum Nationalspieler wurde. Über die Stationen TBV Lemgo, TuS N-Lübbecke und SC DHfK Leipzig kam der Rechtshänder 2016 zum Zweitligisten DJK Rimpar Wölfe. Nach vier erfolgreichen Jahren, 2017 verpasste der Klub den Aufstieg in die Bundesliga nur knapp, wurde Herths Vertrag nicht verlängert.

Vor seinem Wechsel zum HSC Bad Neustadt spielte Benjamin Herth (vorne) vier Jahre lang für den Zweitligisten DJK Rimpar Wölfe.
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Vor seinem Wechsel zum HSC Bad Neustadt spielte Benjamin Herth (vorne) vier Jahre lang für den Zweitligisten DJK Rimpar Wölfe.

Im vergangenen Frühjahr musste sich Herth nicht nur einen neuen Verein suchen, sondern auch für das Staatsexamen lernen. "In dieser Zeit waren meine beiden Töchter sehr viel aus dem Kindergarten zu Hause", erinnert er sich. Seit einigen Jahren wohnen die Herths im Würzburger Stadtteil Unterdürrbach. Wenn das Wetter passte, ging er mit ihnen nach draußen und lernte im Grünen, mit Blick auf die Weinberge. Das Thema Corona haben seine Frau Kateryna und er so gut wie möglich von den Töchtern fernzuhalten versucht.

Auch das noch: Ein Feuer an seiner Grundschule

An der Grundschule in Würzburg-Heuchelhof, wo Herth sein Vorbereitungsjahr leistet, geht das schwierig. "Ich kann die gehaltenen regulären Unterrichtsstunden wahrscheinlich an einer Hand abzählen." Insbesondere Sportunterricht findet seit Monaten kaum statt. Distanzunterricht und Notbetreuung bestimmen den Alltag. "Für alle Beteiligten, die Kinder, ihre Eltern sowie die Lehrer ist das derzeit nicht ganz einfach." Und dann brannte es auch noch kurz vor den Osterferien in der Schule, was Herth allerdings erst im Nachgang mitbekam: Er hatte an diesem Tag ein Online-Seminar.

Nicht nur auf seine Arbeit hat die Corona-Pandemie Auswirkungen. Seine Frau Kateryna war einst Profispielerin auf der WTA-Tour. Seit einigen Jahren ist sie selbstständige Tennislehrerin. Seit Monaten darf sie ihren Beruf nicht ausüben. "Sie ist ein bisschen gefrustet, weil sie gerne Training geben würde und sie ständig gefragt wird, wann sie es wieder darf." Zumal die Wahrscheinlichkeit relativ gering sei, sich beim Tennistraining – unter freiem Himmel und mit Abstand – mit dem Coronavirus zu infizieren. "Wir sollten", sagt Benjamin Herth, "den Fokus darauf richten, wie wichtig Sport eigentlich für uns ist. Frische Luft, Sport und Bewegung sind nötig, um ein starkes Immunsystem zu haben und gegen welchen Erreger auch immer gut gewappnet zu sein."

"Wir sollten den Fokus darauf richten, wie wichtig Sport eigentlich für uns ist."
Benjamin Herth, Handballer beim HSC Bad Neustadt

Wann, glaubt Benjamin Herth, wird er wieder Tore für den HSC Bad Neustadt werfen? Er habe die Hoffnung, dass ein Start der Saison 2021/22 im August oder September möglich ist. "Es wäre nicht die richtige Herangehensweise, gedanklich aufzugeben. Irgendwann muss ja wieder Normalität einkehren. Aber es wird ein steiniger Weg, bis man seine normale Leistungsfähigkeit wieder erreicht." 

 
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