
Vielleicht muss diese Geschichte nicht erst am 5. April, sondern bereits am 7. Januar des Jahres 1998 beginnen. An einem tristen Mittwoch im Winter, der zumindest denjenigen, die damals dabei waren, noch heute ein glückseliges Lächeln ins Gesicht zaubert.
Doch der Reihe nach: Ende Dezember 1997 hatten die Zweitliga-Korbjäger der DJK s.Oliver Würzburg ein Ligaspiel im mittelhessischen Lich verloren. Unglücklich nach Verlängerung – und doch waren im Umfeld Zweifel laut geworden, ob es auch im dritten Anlauf etwas werden würde mit dem ersehnten Aufstieg in die Basketball-Bundesliga.
Die Verantwortlichen entschieden sich für eine damals eher seltene Maßnahme, tauschten den einzig erlaubten Import-Spieler, den US-Amerikaner Kyle David, gegen einen gewissen Ivo Nakić aus.
Die Verpflichtung von Ivo Nakić war der Schlüssel zum Erfolg der X-Rays
Einen damals 33-jährigen Kroaten, international erprobt, unter anderem Europapokal-Sieger der Landesmeister mit Partizan Belgrad – kurzum: mit allen Basketball-Wassern gewaschen.
Was folgte, war eine mitreißende Erfolgsgeschichte, die ihren Anfang an jenem 7. Januar nahm und ihre Krönung schließlich am 5. April 1998 erfuhr.

Nakić erzielte bei seinem Debüt im Pokal-Achtelfinale gegen den Erstligisten Steiner Bayreuth 46 Punkte, die entscheidenden drei mit einem Wurf von der Mittellinie kurz vor dem Ertönen der Schlusssirene. "Ich glaub', der hat zuvor noch nie mit so vielen Brunzern in einer Mannschaft gespielt", kommentierte damals baff Burkhard Steinbach in seiner unnachahmlichen Art den ersten Auftritt seinen neuen Mitspielers.
Ein legendärer Spruch, auf den der von den Fans liebevoll genannte "Koloss von Moos", nach dem kleinen Ortsteil von Geroldshausen im Landkreis Würzburg, wo er herkommt, bis heute angesprochen wird – und der auch ihm mittlerweile ein herzhaftes Lachen entlockt.

"Ivos Verpflichtung war der Schlüssel zum Aufstieg. Das letzte Quäntchen, was uns noch gefehlt hat. Ohne ihn hätten wir es vielleicht auch geschafft, aber mit ihm war es am Ende ja eine sogar ziemlich souveräne Sache", erinnert sich der einstige Publikumsliebling der DJK an jene Zeit vor einem Vierteljahrhundert.
Nach der Meisterschaft müssen die X-Rays erst noch in die Aufstiegsrunde
Der Pokal-Coup versetzte eine ganze Stadt in Basketball-Begeisterung. Der Zuschauerschnitt schnellte nach oben – und auf dem Parkett rauschte die Mannschaft wie ein Schnellzug übers flache Land und über manch bedauernswerten Kontrahenten hinweg. Siege mit über 30 Punkten Differenz waren keine Seltenheit, die Meisterschaft in der Süd-Staffel der zweiten Liga Formsache.
Und doch war der Sprung in die Beletage des deutschen Basketballs nicht gewiss. Die Regularien sahen eine Aufstiegsrunde, unter anderem mit dem Vorletzten und Letzten der Bundesliga, vor. "Ein fürchterliches Konstrukt", erinnert sich Burkhard Steinbach angesichts der jeweils knapp gescheiterten Aufstiegsversuche in den beiden Vorjahren.
Doch auch hier hielten sich die X-Rays, wie sich der Klub in Anlehnung an die in Würzburg entdeckten Röntgenstrahlen nannte, in den ersten Partien schadlos.
Gegen den Erstligisten USC Freiburg konnten die Würzburger schließlich am vorletzten Spieltag den Aufstieg perfekt machen. "Wir waren vielleicht leicht favorisiert, aber wir spürten auch den Druck, es im dritten Anlauf endlich zu schaffen. Wir wussten, wenn uns der Aufstieg dieses Mal nicht gelingt, dann vermutlich nie mehr", blickt der damalige Cheftrainer Klaus Perneker zurück.
Nowitzki, Garrett, Greene – in jungen Jahren tragende Säulen des Teams
Gerade die jungen Eigengewächse wie der mit 19 Jahren herausragend aufspielende Dirk Nowitzki, der 20-jährige Robert Garrett aus Ochsenfurt oder der erst 18-jährige Aschaffenburger Demond Greene, schon damals tragende Säulen des Teams, wären wohl kaum für ein weiteres Jahr in der zweiten Liga zu begeistern gewesen.
Und auch die Erwartungshaltung im Umfeld war enorm, alles für den Sprung in die Bundesliga vorbereitet. Die Main-Post hatte einen Sonderdruck in der Halle verteilt: "Erste Liga – wir sind dabei" war auf der Doppelseite zu lesen.
"Als wir eingelaufen sind und alle Zuschauer diese Zeitung hochgehalten haben, das war einfach elektrisierend. Ich habe den Jungs nur noch gesagt: Schaut euch das an, heute packen wir es", erinnert sich der damals erst 32-jährige Perneker, der "nebenbei" am Würzburger Röntgen-Gymnasium in den Fächern Chemie, Biologie und Geographie sein Referendariat absolvierte und heute Mitglied der Schulleitung am Riemenschneider-Gymnasium ist.

Mit einem hart umkämpften 91:86 machten die X-Rays schließlich ihren Aufstieg perfekt, dem eine rauschende Party-Nacht erst im Foyer der heutigen tectake-Arena, später im "Mennas Time Out" in der Zellerau folgte.
"Die Erleichterung war riesig, entsprechend haben wir auch gefeiert", erinnert sich Perneker schmunzelnd, und Steinbach ergänzt: "Es war eine coole Zeit mit einer coolen Truppe. Dass uns das mit so vielen Einheimischen gelungen ist, war schon etwas Besonderes. Unser Erfolg damals war sicher die Initialzündung für den Basketball in Würzburg."
Perneker ist öfters Gast in der Halle, Steinbach trainiert den Nachwuchs
Die Verbindung zum roten Leder besteht bei beiden Protagonisten auch heute noch. Perneker ist immer wieder Gast bei den Heimspielen der Würzburg Baskets ("Ich freue mich riesig über den aktuellen Erfolg der Mannschaft. Wahnsinn, was sich da entwickelt hat."). Mit seinem Ex-Schüler, der Baskets-Nachwuchshoffnung Julius Böhmer, hat er 2015 die bayerische Schul-Meisterschaft gewonnen.
Und Steinbach, der im Hauptberuf einen Hof mit 70 Pferden und 40 Hektar Land bewirtschaftet, kümmert sich in der Baskets-Akademie um den Nachwuchs, fungiert als Co-Trainer von Alex King in der Ersten Regionalliga und Nachwuchs-Basketball-Bundesliga NBBL.
"Ich möchte einfach etwas zurückgeben und den Jungs die Chance geben, auch mal so etwas erleben zu dürfen", sagt der 52-Jährige, in dessen große Fußstapfen sein Sohn Hannes treten könnte. Der 16-Jährige stand vor kurzem erstmals bei einem Bundesliga-Spiel im Kader der Baskets. Genau 25 Jahre, nachdem sein Vater Basketball-Geschichte in, mit und für Würzburg mitgeschrieben hatte.